Digitalzahlungen boomen: Muss das Bargeld jetzt gerettet werden?

Digitalzahlungen werden immer beliebter und die EZB treibt die Entwicklung des digitalen Euro voran. Braucht es da überhaupt noch Bargeld? Ja, meinen Verbraucherschützer:innen – und die Bundesbank. Die Bankfiliale ist schon lange weg und jetzt wird auch noch der Geldautomat an der Ecke abgebaut? Eine Studie des Verbraucherzentrale Bundesverbands zeigt: Für viele Menschen ist es in den vergangenen Jahren schwieriger geworden, an Bargeld zu kommen. In der repräsentativen Umfrage gaben 26 Prozent der Befragten an, die Wege zur nächsten Stelle für Auszahlungen hätten sich in den letzten drei Jahren verlängert. Immerhin 27 Prozent gaben zudem an, sie hätten in den vergangenen sechs Monaten mindestens einmal nicht mit Bargeld zahlen können, eine Mehrheit von 69 Prozent hatte dieses Problem allerdings nicht. Ist das schon ein Grund zur Aufregung? Denn: Bislang ist und bleibt das Bargeld in Deutschland schließlich das beliebteste Zahlungsmittel. Bargeldzahlungen gehen zurück Aus Sicht der Verbraucherschützer:innen ist es aber nur eine Frage der Zeit, bis sich das ändert. Eine These, die auch von Daten der Bundesbank untermauert wird: So nutzten 2017 noch knapp drei Viertel der Befragten Bargeld für ihre täglichen Einkäufe. Vier Jahre später waren es nur noch 58 Prozent. Es dreht sich also eine Abwärtsspirale bei der Nutzung der Bargelds – während Digitalzahlungen im Aufwind sind. [crosslinks ids="1236012,1585582,1518746"] Laut den Verbraucherschützer:innen liegt das auch daran, dass die digitalen Bezahlmethoden „mit tiefen Taschen vermarktet“ werden, während die Nutzung des Bargelds schleichend abnimmt, wie es in einem Positionspapier des Verbands heißt. Die Bargeldinfrastruktur werde nach und nach abgebaut, weil das den ökonomischen Interessen von Banken, Händler:innen und Digitalkonzernen entspreche. Für diese Akteure seien unbare Zahlungen vorteilhaft, weil sie entweder direkt an ihnen verdienen, weil Barzahlungen für sie (höhere) Kosten verursachen, oder weil Barzahlungen für sie Sand im Getriebe ihrer datengetriebenen Geschäftsmodelle darstellen. Seit dem Jahr 2006 hat sich demnach die Zahl der Bankfilialen halbiert, die Zahl der Geldautomaten ist seit dem Jahr 2016 um zehn Prozent geschrumpft – und manche Händler:innen wollen keine Bargeldzahlungen mehr akzeptieren. So nimmt der Apple-Händler Gravis seit Anfang 2023 kein Cash mehr an. Auch einzelne Cafés und Einzelhändler:innen gehen schon diesen Schritt. Denn entgegen der verbreiteten Meinung verursachen auch Bargeldzahlungen bei Händler:innen Kosten, die zwischen ein und zwei Prozent liegen können, beispielsweise für den Tausch von Wechselgeld bei der Bank, Abholung durch den Geldtransport, Versicherungsleistungen und für die Personalkosten bei der Abrechnung. Digitalzahlungen kosten zwar auch, sind aber gerade für kleine Läden oft leichter zu bearbeiten. Bundesbank will das Bargeld sichern Eine Studie der Bundesbank unterstützt die Befürchtung vom Bargeldschwund. In drei Szenarien stellt sie dar, wie es dem Bargeld künftig ergehen könnte. Im Szenario „hyperdigitale Bezahlwelt“ führt eine starke Digitalisierung dazu, dass ein Großteil der Bevölkerung digitale Zahlungsmethoden bevorzugt – und sich der Betrieb von Geldautomaten für Banken nicht mehr lohnt und auch der Handel sich mehr und mehr vom Bargeld abwendet. Das Szenario „Die verschwindende hybride Bezahlwelt“ beschreibt eine geteilte Welt, in der es Menschen gibt, die dem Staat oder großen Bezahlkonzernen skeptisch gegenüberstehen und Bargeldzahlungen favorisieren, und solche, die stark auf digitale Zahlungen setzen. Im Handel werden die Kund:innen aber dazu ermuntert, bargeldlos zu zahlen und der Zugang zu Bargeld verschlechtert sich stetig. Im Szenario „Die Bezahlwelt in der Bargeld-Renaissance“ kann sich das Bargeld dagegen behaupten, weil Menschen sich vor allem in Katastrophen- und Krisensituationen auf dessen Vorteile besinnen. Digitaler Euro als Konkurrenz zum Bargeld In allen drei Szenarien geht die Bundesbank davon aus, dass Ende 2028 bis Anfang 2029 Bürger:innen zum ersten Mal auch mit dem digitalen Euro zahlen können. Das Projekt dafür wird gerade von der Europäischen Zentralbank (EZB) vorangetrieben, eine politische Entscheidung für die Einführung des digitalen Zentralbankgelds steht allerdings noch aus. Die Bundesbank nimmt die Lage nun zum Anlass, um eine neue Initiative ins Leben zu rufen: das Nationale Bargeldforum. Dort sind neben dem Bundesverband der Verbraucherzentralen auch Verbände der Kreditwirtschaft, des Einzelhandels und der Automatenbetreiber:innen vertreten. Ihr Ziel: Die Menschen sollen weiter die Wahl haben, ob sie Bargeld oder andere Zahlungswege nutzen. Denn auch wenn Kartenzahlungen zunehmen, wollen 93 Prozent der Verbraucher:innen nach Angaben der Deutschen Bundesbank selbst entscheiden, ob sie bar oder digital zahlen. Verbraucherschützer:innen begrüßen diesen Schritt, das Bargeld „zukunftsfest“ zu machen. Sie wollen, dass der Zugang zum Bargeld sichergestellt wird – auch durch eine verpflichtende Akzeptanz bei Händler:innen. Damit soll das Bargeld perspektivisch die gleiche Stellung einnehmen wie der digitale Euro. Bei dem ist noch nicht abschließend geklärt, wie die Zahlungsdaten der Nutzer:innen geschützt werden, auch wenn die EZB größtmögliche Anonymität verspricht. Auch welche technische Infrastruktur genutzt werden soll und welche rechtlichen Bedingungen gelten sollen, wird gerade noch in der sogenannten Vorbereitungsphase erkundet. Daher gibt es auch die Befürchtung, dass wir mit dem digitalen Euro zu gläsernen Bürger:innen werden und der Staat die Digitalwährung zur Überwachung oder private Firmen sie zur Datensammlung nutzen könnten. Das sind die Argumente der Bargeld-Enthusiasten Bargeld-Enthusiast:innen heben daher vor allem die Anonymität des Bargelds und die Selbstbestimmtheit der Nutzer:innen als großes Plus gegenüber digitalen Zahlungsweisen hervor. Bei Bargeldzahlungen werden keine Daten über das Einkaufsverhalten oder Standorte der Bürger:innen gesammelt – und das ist vielen Menschen wichtig. Eine Umfrage der EZB aus dem Jahr 2021 zeigte, dass der Schutz der Privatsphäre bei Zahlungen die am häufigsten gewünschte Eigenschaft eines digitalen Euros ist (41 Prozent der Antworten). Allerdings ist es auch gerade die Anonymität des Bargelds, die unter anderem der Geldwäsche Vorschub leistet – weshalb die Europäische Union in ihrem Anti-Geldwäsche-Paket eine Obergrenze von Bargeldzahlungen in Höhe von 10.000 Euro einführen will. Was noch für das Bargeld spricht: Es funktioniert auch in Krisenfällen, wenn Strom und Technik versagen. Die Verbraucherschutzzentrale beschreibt in ihrem Positionspapier einen Fall aus dem Jahr 2022, als es am 24. Mai zu einem flächendeckenden Ausfall eines im Handel weit verbreiteten Kartenterminals kam. In vielen Geschäften waren keine Kartenzahlungen mehr möglich – Glück für die, die da noch Bargeld im Portemonnaie hatte. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe rät ebenfalls für den Fall eines Stromausfalls dazu, ausreichend Bargeld vorrätig zu haben. Ein weiteres Argument: Im Konkurrenzkampf um die Gunst der Händler:innen kann Bargeld ein Korrektiv zu den Gebührenforderungen digitaler Zahlungsdienstleister:innen sein. Verschwindet diese Konkurrenz, schwächt das die Verhandlungsposition von Händler:innen und Gastronom:innen. Zudem gibt es auch ein soziales Argument pro Bargeld: Sollten Bargeldzahlungen im normalen Leben nicht mehr möglich sein, würden darunter vor allem Menschen leiden, die kein Bankkonto haben.