Ich bin wieder da. Erstens: zurück aus dem Urlaub. Zweitens: raus aus der dunklen Höhle, die mein Kopf im Winter für mich geschaffen hat. Urlaub wird in unserer Gesellschaft mit Ansprüchen verbunden: muss man sich leisten können. Du hast ja Zeit. Bloß nicht in ein Hotel. Viele Ausflüge machen. Land und Leute kennenlernen, tolle Begegnungen (Ausrufezeichen), nicht zu kurz und nicht zu lang, bloß nicht aufs Smartphone schauen, auf keinen Fall in die Mails.
Ich dagegen: jeden Tag Arbeitsmails – in einem Familienhotel. Wir haben, von Spaziergängen und Laufrunden abgesehen, keinen Ausflug gemacht. Gegessen haben wir zwar nicht All Inclusive, waren mit Halbpension aber nah dran. Außerdem war’s Mallorca: ein Hotel umgeben von Hotels. Und der finale Gruselfaktor: Ich war im vergangenen Jahr zur gleichen Zeit im gleichen Hotel.
Urlaub ist ein Glücks- und Wirtschaftsfaktor
Möglicherweise war ich aber noch nie so entspannt wie nach diesem Urlaub. Ich bleibe für immer ein großer Fan von herausfordernden Reisen. Doch wenn ich ehrlich bin, hat Vietnam mich ausgebrannt. Mexiko war toll, aber ungesund. In England von Küste zu Küste wandern, mit dem Rad von Berlin nach Usedom? Zehrend. Ich war erfüllt von Erfahrungen – aber erholt war ich nicht. Und Menschen brauchen Erholung.
Früher diente Urlaub der Wiederherstellung der Arbeitskraft. Diese Sichtweise haben die meisten Menschen abgelegt. Heute gilt die Idee, Freizeit sei nur dann gut, wenn sie keinem Bedürfnis dient. Das klingt schön, stimmt aber auch nicht. Denn arbeiten müssen wir schließlich trotzdem.
Erholung ist gleichzeitig wichtig für Lebensglück, Wohlbefinden, Gesundheit und die Wirtschaft. Diese Faktoren überschneiden sich sogar, denn viele Menschen wollen ihre Arbeitszeit als gute Zeit erleben. Stress macht krank und dauerhafter Stress macht anfällig für stärkeren Stress.
Deshalb ist frei planbarer Urlaub so wichtig – und deshalb sind Feiertage so problematisch. Alle haben frei, alle rennen mit ihren Familien an die gleichen Erholungsorte und ballen sich dort. Das ist keine Erholung. Das ist religiös begründeter Freizeitstress. Zehn oder elf Feiertage gibt es in jedem Bundesland. Man stelle sich nur vor, sie würden in Urlaubstage umgewandelt – das wären zwei Wochen freie Zeit mehr im Jahr, noch dazu wirtschaftlich und sozial verträglicher planbar.
Vorfreude – aber in schlau
Einer der wichtigsten Faktoren für eine bleibende Urlaubserholung ist übrigens die langfristige Planung. Sie spart Geld, lässt Wahlfreiheit – und sie erlaubt eine lange Vorfreude, hat Reiseexperte Ian Cole in einem Tedx-Talk gesagt. Dafür hat er Daten von Tausenden Männern gesammelt und ausgewertet. Seine Erkenntnis: Wer sich länger auf einen Urlaub freut, dessen Erholung hält länger an.
Cole rät allerdings dazu, klug mit den eigenen Erwartungen umzugehen. Unrealistische Ansprüche würden nur ins Unglück führen. Klar: Trotzphasen-Kinder sind auch im Urlaub in der Trotzphase. Bekocht zu werden ist toll – aber da sind eben auch noch 100 andere Familien am gleichen Buffet. Und dass Züge und Flüge pünktlich sind, ist in fast jedem Land dieser Welt eine Illusion.
Mit starren Erwartungen stellen wir Bedingungen an den Urlaub: Wenn etwas schiefgeht, dann schadet das dem Erlebnis. Streichen wir diese Bedingungen, dann wird eine Dreiviertelstunde am Gepäckband der inneren Entspannung wenig anhaben können.
Die Geschichten, die wir erzählen
Sind wir wieder zu Hause, dann hat der Urlaub uns mit Geschichten ausgestattet. Was wir erzählen und wie wir es erzählen, entscheidet darüber, wie lange die Erholung anhält. Unsere Geschichten wirken als Filter für das Gehirn: Was willst du dir merken? Erzähle es. Was willst du am liebsten vergessen? Behalt es für dich und denk an etwas anderes. Dein Gehirn wird den Störfaktor als irrelevant wegsortieren. Und wenn du das gerade nicht so gut kannst: Reise doch ausnahmsweise mal so, dass der Trip dich erholt – und zum Flexen ungeeignet ist.
So großartig die herausfordernden Reisen sind: Sie sind nicht zu jeder Zeit die richtige Wahl. Unsere Erlebnisse prägen unsere Identität, deshalb wollen wir, dass sie schillern – prägen. Doch das ist nicht nötig.
Erlebnisse prägen uns auch, wenn sie von unserem Alltag abweichen. Und mal ehrlich: Entspannung ist für viele von uns eine krasse Abweichung.
Eine stylische Finca bringt mir keine Erholung, wenn ich mir jeden Tag Gedanken über die Mahlzeiten machen muss. Und meine Tochter beklagt sich zu Recht, wenn es im Boutique-Hotel keinen Kinder-Club gibt. Ein Urlaub darf Bedürfnisse erfüllen. Aber bitte: die echten, eigenen. Nicht die von Instagram-Likes oder Stammtisch-Geschichten.