Der Fastly-Outtake oder „Was ist eigentlich ein verteiltes System?“

Jeden Dienstag befassen wir uns im Wochenbriefing mit einem wichtigen Thema der IT. Heute geht es um verteilte Systeme. Den Impuls gab der Fastly-Ausfall vergangene Woche. Am 8. Juni 2021 war das Internet down. Aufgrund eines Bugs im CDN der Edge Cloud Computing Plattform Fastly verabschiedeten sich gegen 11.30 Uhr deutscher Zeit für die Dauer einer knappen Stunde Teile der Websites der New York Times, Twitch, Reddit, Amazon, Twitter, GitHub und Stackoverflow aus dem Netz. Wie das passieren konnte? Ein einzelner Kunde hatte durch eine – legitime – Konfigurationsänderung einen schwerwiegenden Bug getriggert, den die Fastly-Entwickler offenbar einfach übersehen hatten. Fastly reagierte allerdings bemerkenswert schnell. Laut eines Blogposts auf dem unternehmenseigenen Blog konnte die Ursache binnen einer Minute identifiziert und innerhalb von 49 Minuten behoben werden, sodass viele der betroffenen Seiten bereits am frühen Nachmittag wieder erreichbar waren. Alles in allem war der Vorfall zwar aufregend, aber nicht wirklich weiter tragisch, die Welt hat nicht aufgehört, sich zu drehen. Trotzdem: Er zeigt auf, wie das heutige Web funktioniert – und wie fragil die Basis dieser Funktionsweise sein kann. Verteilte Systeme verringern Latenzzeiten ... Nachrichtenmedienunternehmen, Social-Media-Plattformen und Onlineshops – Unternehmen, deren Geschäft mit einem hohen Volumen an Inhalten einhergeht, schließen Verträge mit CDN-Anbietern ab, um Inhalte an ihr Publikum zu liefern. Das Geschäft der Hosting-Anbieter basiert im Grunde auf einem klassischen IaaS- oder Infrastructure-as-a-Service-Modell, nur ist es speziell zugeschnitten auf Kunden mit Websites mit hohem Content-Aufkommen. Deren Kunden können so die Arbeit und den Betrieb eines Rechenzentrums oder einer Cloud an das CDN auslagern. Ein CDN ist quasi ein Netzwerk verteilter Server. Die Internetgeschwindigkeit wird unter anderem durch die physische Entfernung zwischen anfragendem Client und antwortendem Server beeinflusst. Ein Content-Delivery-Netwerk platziert Klone eines Master-Servers an verschiedenen Standorten, sodass jeder Serverknoten die Anfragen beantwortet, die ihm geografisch am nächsten liegen. So können die Ladezeiten für die Konsumenten so gering wie möglich gehalten werden. Geo-Targeting ermöglicht es Kunden eines CDN außerdem, basierend auf dem Standort eines Benutzers unterschiedliche Versionen einer Website bereitzustellen. ... bringen aber andere Probleme mit sich Eigentlich ist das auch ein guter Ansatz zur Lösung des Latenz-Problems. Wenn ein einzelner Bug allerdings dazu führt, dass weite Teile des Internets auf einmal ausfallen, ist das schlecht. In der Debatte um den Ausfall auf der Social-News-Plattform Hacker News witzelten User in Anlehnung an ein bekanntes Meme während des Ausfalls, dass die Fastly-Entwickler jetzt nicht einmal die Möglichkeit hätten, via Stackoverflow nach einer Lösung für das Problem zu fragen, hatte schließlich der zu fixende Bug in ihrem eigenen System dafür gesorgt, dass die Plattform nicht wie gewohnt abrufbar war. Um es frei nach den Worten des 2013 mit dem Turing-Award ausgezeichneten Informatikers Leslie Lamport zu sagen: „Wenn der Crash eines Computers, von dem du noch nie in deinem Leben gehört hast, dich von der Arbeit abhält, ist es ein verteiltes System.“ Dass – zumindest gefühlt – das halbe Internet auf eine ähnliche Art miteinander zusammenhängen und voneinander abhängen würde, kann der Wissenschaftler zum Zeitpunkt des Zitats – im Original „A distributed system is one in which the failure of a computer you didn’t even know existed can render your own computer unusable.“ – allerdings wohl kaum vorhergesehen haben, denn es stammt aus dem Jahr 1987. Fastly-Aktie gewinnt Geschadet hat die Geschichte dem Unternehmen allerdings nicht. Im Gegenteil: Die Aktie – des übrigens noch relativ jungen Unternehmens – stieg noch am selben Tag um zehn Prozentpunkte. Plötzlich fand der Name des Unternehmens auch außerhalb von Entwickler-Talks und Tech-Publikationen statt. Auch wer vorher noch nie von Fastly gehört hatte, seit dem 8. Juni ist das Unternehmen Internetnutzern ein Begriff – eben als Unternehmen, das hinter gefühlt der Hälfte des Internets steckt. Der transparente Umgang mit dem Vorfall – über die Kommunikationskanäle des Unternehmens gab es minütliche Updates – und dass der Bug so schnell identifiziert und behoben werden konnte, dürfte sein Übriges getan haben, um Fastly trotz des Vorfalls in ein positives Licht zu rücken.