Schlaf dich schlau: Warum gute Führung nicht nur im Büro endet

Moderne Arbeit, auch New Work genannt, soll die Lebensumstände der Mitarbeitenden verbessern. Sie soll ermöglichen, Leben und Arbeit besser zusammenzubringen, für mehr Leistung und mehr Wohlbefinden. Diese Idee scheitert dann, wenn sie zu viel Bequemlichkeit bei gleichzeitiger Entgrenzung führt. Im Ernstfall geht eine Person im Homeoffice dann tagsüber gar nicht mehr vor die Tür, schließlich fehlt der Arbeitsweg und statt in die Kantine führt der Weg nur bis zum Kühlschrank.
Das fühlt sich gemütlich an, doch darunter leiden Leistung und Wohlbefinden gleichermaßen.
Wer sich bei der Arbeit wenig bewegt – und das geht vielen Menschen so – benötigt mehr Bewegung. Führung, aber auch Selbstführung, kann hier viel bewirken. Denn wer sich im Alltag bewegt, fühlt sich besser, bewertet und entscheidet scharfsinniger, schläft abends besser ein und wacht nachts seltener auf. Und das Beste daran: All diese Effekte verstärken einander.
So kommt die Aktivität unter den Schreibtisch
Die US-amerikanische Forschungsorganisation Mayo Clinic hat sich angeschaut, ob Arbeitsplätze, die die Aktivität fördern, eine gute Idee sind. Ihr wisst schon: Stepper und Laufbänder unter dem Schreibtisch – Dinge, die nach dem perfekten „Yuppie meets New Work“-Klischee klingen. Doch die Forschung sagt: Ja, aktive Arbeitsplätze sind eine gute Idee für jene Menschen, deren Arbeit sonst wenig Aktivität ermöglicht. Und Führungskräfte tun gut daran, für Wünsche nach aktiveren Arbeitsplätzen, Lösungen zu entwickeln.
„Aktive Arbeitsplätze könnten eine Möglichkeit bieten, die kognitive Leistungsfähigkeit und die allgemeine Gesundheit zu verbessern – einfach, indem man sich bei der Arbeit bewegt“, sagt der Herz-Kreislauf-Forscher Francisco Lopez-Jimenez in einer Mitteilung der Mayo Clinic. Die Tippgeschwindigkeit der Teilnehmenden sank zwar ein wenig, berichtet die Forschungsgruppe im Journal of the American Heart Association. Doch negative Auswirkungen auf die Konzentration und Leistungsfähigkeit wurden nicht beobachtet.
Auch Menschen in aktiven Jobs profitieren von Bewegungspausen
Wer im Job dagegen ständig auf den Beinen ist, für den mag die Pause auf den ersten Blick eher dazu dienen, sich hinzulegen, die Augen zu schließen oder das Gehirn im Feed einer Social-Media-App auszuruhen. Auch dafür gibt es natürlich eine Studie. Und die sagt: Bewegungspausen sind für alle gut – sogar für Menschen in Bewegung.
Dafür fiel ein Forschungsteam in das Universitätskrankenhaus von Bari in Italien ein. Drei Wochen lang sollten die Pflegekräfte in der Mitte ihres Arbeitstages eine Pause einlegen. Einige sollten dabei inaktiv bleiben, einige bewegten sich draußen, einige absolvierten einen spielerischen virtuellen Spaziergang. Die aktive Gruppe schnitt danach in Aufmerksamkeits- und Leistungstests besser ab.
Solche Bewegungspausen können flexibel in den Alltag eingebaut werden – zum Beispiel als Ersatz für die früheren Raucherpausen. In einer Untersuchung zeigten drei Pausen von je zehn Minuten Dauer den gleichen Effekt wie eine längere mit 30 Minuten Bewegung. Und die Bewegung im Alltag wirkt nicht nur auf die Leistung direkt im Anschluss, sondern auch auf den Schlaf in der Nacht – der sich wiederum auf die Auffassungsgabe und die Konzentration am folgenden Tag auswirkt.
30 Minuten moderater bis anstrengender Aktivität am Tag können dabei einen echten Unterschied für Leistung, Schlafqualität und Wohlbefinden machen, berichtet eine britische Studie. Wer dagegen mehr sitzt, dessen Arbeitsgedächtnis leidet im Vergleich deutlich. 30 Minuten körperliche Anstrengung können die kognitiven Fähigkeiten für etwa 24 Stunden steigern.
Führung oder Selbstführung? Beides!
Entgegenkommende Führungskräfte können für einen aktiven Lebensstil wichtige Unterstützer sein. Sie machen ein gutes Geschäft, denn wenn Angestellte genug schlafen können, machen sie weniger Fehler und bleiben mit größerer Wahrscheinlichkeit gesund.
Jetzt könnten wir fragen, warum die Mitarbeitenden nicht einfach selbst dafür verantwortlich sind. Kurze Antwort: Sind sie. Längere Antwort: Das sind sie, aber wir leben noch immer in einer Gesellschaft, in der Menschen sich nicht vom Bildschirm weg trauen, aus Angst vor der Unterstellung, zu wenig zu arbeiten oder das Homeoffice für private Vergnügungen wie Waschladungen oder Nahrungsaufnahme zu missbrauchen.
Wer ein leistungsstarkes Team will, der muss seinen Mitgliedern erlauben, diese Leistung auch herzustellen. Und das gelingt über Bewegung. Betrachten wir die Bewegungsförderung als Aufgabe von Führung oder Selbstführung, dann wird sie zu einem Faktor der Professionalität. Und genau da gehört sie auch hin.