Er leuchtet rot: Warum Forschende einen Spinnenfaden verändert haben

Spinnenfäden sind unglaublich elastisch, wasserabweisend, sauerstoffdurchlässig und dazu noch biologisch abbaubar. (Foto: Shuttestock / Voodison328)
Wer sich schon mal in einem Spinnennetz verheddert hat, weiß, wie schwer es sein kann, sich daraus zu befreien. Denn die Spinnenseide – also die Fasern, aus denen Spinnen ihre Netze herstellen, sind reißfester und stabiler als viele andere Kunst- oder Naturfasern. Die Spinnenseide wird zunächst in speziellen Drüsen im Hinterleib der Spinne produziert und als flüssiges Protein gespeichert. Beim Spinnen des Netzes wird sie zu einem festen Faden. Dieser Abseilfaden ist unglaublich elastisch, wasserabweisend, sauerstoffdurchlässig und dazu noch biologisch abbaubar.
So bekommt die Spinnenseide ein Upgrade
Diese Eigenschaften machen die Spinnenseide zu einer für die Wissenschaft und Praxis interessanten Naturfaser. Die Materialforschung beschäftigt sich gezielt mit den Eigenschaften der Spinnenseide und der Frage, wie es gelingen kann, die Naturfaser als Hightech-Werkstoff zu verwenden. Ein Forschungsteam der Universität Bayreuth macht sich dafür jetzt die Genschere CRISPR-Cas9 zunutze – ein erster Machbarkeitsnachweis soll ein Leuchten der Spinnenseide sein.
Das Forschungsteam entwickelte zunächst eine Injektionslösung, die in die Eizellen unbefruchteter weiblicher Webspinnen injiziert wurde. Diese Lösung enthielt nicht nur die besagte Genschere, sondern auch die Gensequenz eines rot fluoreszierendes Protein, um den Erfolg der Genmanipulation später nachweisen zu können.

Rot fluoreszierende Spinnenseide. (Foto: Prof. Thomas Scheibel / Universität Bayreuth)
Anschließend wurden die Weibchen mit Männchen ihrer Art verpaart. Das Ergebnis: Die Nachkommen der geneditierten Spinnen zeigten in ihrem Abseilfaden eine auffällige rote Fluoreszenz. Die Forschenden zeigten auch, dass sich Spinnenseide mit der CRISPR-Cas9 gezielt verändern lässt, ohne dabei die natürliche Seidenproduktion der Tiere zu stören.
Genschere trifft Spinne
Die Genschere CRISPR-Cas9 ist ein Werkzeug, das es ermöglicht, DNA an einer beliebigen Stelle zu zertrennen. Danach kann ein Gen entweder entfernt oder eine neue vorab definierte Sequenz hinzugefügt werden – dadurch verändert sich das Erbgut. Die Genschere und deren Nutzen wird seit rund zehn Jahren erforscht und in verschiedenen Bereichen erprobt. In der Landwirtschaft kommt sie beispielsweise zum Einsatz, um Nutzpflanzen resistenter gegen Krankheiten und Umweltstress zu machen.
„Die Möglichkeit, die CRISPR-Gen-Editierung in Spinnenseide einzusetzen, ist für die Forschung im Bereich der Materialwissenschaften vielversprechend: Man könnte beispielsweise deren schon sehr hohe Reißfestigkeit noch weiter erhöhen“, so Prof. Thomas Scheibel, Inhaber des Lehrstuhls für Biomaterialien an der Universität Bayreuth und Mitautor der Studie. Wird die Methode weiter erprobt, könnten zum Beispiel Sportschuhe aus Spinnenseide auf den Markt kommen, wie Adidas das bereits in der Vergangenheit mit Prototypen demonstriert hat. In der Medizin wird auch an praktischen Implikationen von Spinnenseide geforscht, etwa als Materialkandidat zur Geweberegeneration.
Ein Blick in die Zukunft
Verfahren zur Gen-Editierung werfen jedoch auch ethische Fragen auf – zum Beispiel in Bezug auf Tierausbeutung oder potenzielle Auswirkungen der CRISPR-Cas9 auf die menschliche Evolution. In Bezug auf die Spinnenseide gibt es bereits Bestrebungen, diese biotechnologisch herzustellen – mehr als eine Vision ist das bisher aber nicht. Außerdem wird an weiteren biologisch abbaubaren veganen Alternativen zur Spinnenseide geforscht, die noch bessere Materialeigenschaften aufweisen könnten.