Getir und Gorillas vor dem Aus: Warum es gut ist, dass das Geschäftsmodell am Ende ist

Die Getir-Fahrer verschwinden aus dem deutschen Straßenbild. (Foto: rblfmr/Shutterstock)
Schon länger versucht der türkische Anbieter Getir, bei seinen Investor:innen neues Geld aufzutreiben. Jetzt wird bekannt, dass das Unternehmen sich doch aus dem deutschen Markt zurückziehen wird. Das geschieht laut zunächst inoffiziellen Informationen sogar schon recht bald – demnach ist bereits Mitte Mai Schluss mit den schnellen Lieferungen.
Inzwischen hat Getir die Meldungen bestätigt: „Das Unternehmen wird sich auf seinen Kernmarkt in der Türkei konzentrieren, wo es das größte Potenzial für langfristiges, nachhaltiges Wachstum sieht“, erklärt die Geschäftsleitung.
Neben den Getir-Standorten betrifft das nach Informationen der Wirtschaftswoche auch die Gorillas-Standorte; neben Deutschland stehe auch der Rückzug in den Niederlanden und Großbritannien an, heißt es. Dabei wurden gegenüber großen Teilen der Belegschaft bereits Kündigungen ausgesprochen oder angekündigt. In Deutschland sollen zwischen 1.200 und 1.300 Mitarbeitende betroffen sein.
Zukünftige Fokussierung auf den türkischen Markt
Aus heiterem Himmel kommt all das nicht. Branchenkreisen zufolge soll Getir jeden Monat einen zweistelligen Millionenverlust eingefahren haben. Auch angesichts der aktuellen Bewertung von rund zwölf Milliarden US-Dollar dürften die Investoren damit nicht glücklich sein.
Getir hatte Ende 2022 noch den Mitbewerber Gorillas übernommen – und es gab offenbar auch Gespräche mit dem Berliner Konkurrenten Flink. Im Gegensatz zum Heimatmarkt Türkei, in dem die Geschäfte gut laufen, konnte das Unternehmen aber seit 2021 weder in Deutschland noch in Großbritannien oder in den USA die gewünschten Ziele verwirklichen, die eine auf Dauer tragfähige Geschäftstätigkeit ermöglichen.
Allerdings soll Getir laut britischen Medienberichten jetzt durchaus noch einmal neues Geld von seinen Investoren erhalten haben – jedoch mit der Prämisse, sich beim Ausbau auf den Heimatmarkt Türkei zu fokussieren und die übrigen Länder außen vor zu lassen.
Ist das Geschäftsmodell gescheitert?
All das zeigt aber auch, dass das Geschäftsmodell, Waren innerhalb von zehn Minuten oder einer Viertelstunde zum Kunden oder der Kundin zu bringen, sich zumindest in dieser Form nicht bewährt hat. Zwar mag es Einzelfälle geben, in denen die Geschwindigkeit absolute Priorität hat, in den meisten Fällen sind die Kund:innen aber schlichtweg nicht bereit, den damit verbundenen und daraus resultierenden Aufpreis zu bezahlen.
Hinzu kommt, dass die Lagerlogistik, die eben in erster Linie nicht aus großen Logistikkomplexen am Stadtrand besteht, sondern in vielen Großstädten zentral angesiedelt war, zum Problem wurde. Sowohl die diesbezüglichen Beschwerden der Anwohner:innen als auch Kritik der Fahrer:innen an den Arbeitsbedingungen hatten in der Vergangenheit immer wieder für Schlagzeilen gesorgt.
Dennoch wäre es falsch, damit die Chancen der Lebensmittellieferdienste generell zu negieren. Es gibt gerade in der sich wandelnden Gesellschaft (mehr Vollzeitarbeitende, älter werdende Gesellschaft etc.) durchaus Szenarien, für die sich Lieferdienste eignen. Doch das Ende der Fast-Delivery-Lösungen wird auch bei den Mitbewerber:innen Fragen aufwerfen.
Zuletzt aktualisiert am 30. April 2024: Der Beitrag wurde um die offizielle Bestätigung und Stellungnahme des Unternehmens ergänzt.