Gute Zeiten, schlechte Zeiten … für Fleischersatzprodukte

Pflanzliche Fleischalternativen waren im Juli in vielen Supermärkten erstmals günstiger als tierisches Fleisch. Gleichzeitig legt die Politik der Branche mit neuen Verboten Steine in den Weg. Liebe Leserin, lieber Leser, man kann nicht viel Gutes über die aktuelle Inflation sagen. Aber für einen Bereich scheint sie gute Neuigkeiten zu bedeuten, nämlich für Fleischersatzprodukte, Neudeutsch: Clean Food oder Novel Food. Im Juli 2022 waren Fleischalternativen auf pflanzlicher Basis in vielen Supermärkten erstmals günstiger als tierisches Fleisch, wie eine Auswertung von Questionmark im Auftrag der Organisation Proveg zeigt. Die Analyse wurde im Februar in den Niederlanden gestartet und bezog auch deutsche Discounter wie Aldi und Lidl mit ein. Insgesamt wurden 18 Produktpaare untersucht, von denen sich der Preisunterschied bei 16 verbesserte und nur bei 2 verschlechterte. [caption id="attachment_1492018" align="aligncenter" width="620"] Preise pro Kilogramm von Fleisch und Fleischersatzprodukten im Zeitraum Februar bis Juli 2022. (Grafik: Proveg International)[/caption] Fleischalternativen kaum von der Inflation betroffen Wie die Auswertung zeigt, liegt die Ursache für die Preisveränderungen in erster Linie im Anstieg der Fleischpreise und nicht in der Senkung der Preise für Fleischalternativen. In den meisten Fällen blieb der Preis für pflanzliche Fleischsorten gleich oder wurde geringfügig teurer (insgesamt durchschnittlich um zwei Prozent). Fleisch hingegen verteuerte sich zwischen Februar und Juni um 21 Prozent. [crosslinks ids="1489454,1459924,1469791"] „Fleisch war schon immer ein Produkt, das eine enorme Menge an Rohstoffen erfordert. Um ein Kilogramm Fleisch herzustellen, braucht man bis zu zehn Kilogramm Getreide. Jetzt, in Zeiten der Knappheit, fordert das seinen Tribut“, erklärt der niederländische Proveg-Geschäftsführer Pablo Moleman gegenüber dem Vegan-Magazin Vegconomist. „Aufgrund des hohen Rohstoffeinsatzes reagiert Fleisch viel empfindlicher auf Störungen auf dem Weltmarkt als Fleischalternativen. Pflanzliches Fleisch ist eindeutig effizienter, und das spiegelt sich jetzt auch im Preis wider“. Rückschlag für Fleischersatzprodukte Zuletzt gab es allerdings nicht nur gute Nachrichten für Fleischalternativen. Denn im Juli wurden in mehreren Ländern Beschränkungen für pflanzliche Lebensmittel eingeführt. In der Türkei wurde beispielsweise veganer Käse verboten. Aktuell läuft eine change.org-Petition dagegen, zudem läuft eine Klage der Vegan Association of Turkey (TVD) gegen das entsprechende Ministerium. In Frankreich und Südafrika wurde erlassen, dass vegane Wurst- und Fleischalternativen nicht mehr den Namen „Wurst“ oder sonstige „fleischige“ Bezeichnungen wie „Steak“ tragen dürfen. In Frankreich wurde die Regelung inzwischen vorerst wieder gekippt. Bereits seit 2017 ist die Bezeichnung „Milch“ in der EU für pflanzliche Produkte verboten. „Mandelmilch“ darf seitdem nicht mehr Mandelmilch heißen. Als Milch dürfen nur Erzeugnisse bezeichnet werden, die aus der „normalen Eutersekretion“ von Tieren gewonnen werden. Das Gleiche gilt auch für die Bezeichnung „Käse“. „Wir können diesen Weg nicht länger fortsetzen“ Laut Jasmijn de Boo, Vizepräsidentin von Proveg International, seien diese Verordnungen kontraproduktiv. „Wir können diesen Weg nicht länger fortsetzen, denn wir werden große Teile unseres Planeten zerstören, wenn wir versuchen, die 10 Milliarden Menschen, die die Erde im Jahr 2050 bevölkern werden, mit einer auf der Tierhaltung basierenden Ernährung zu versorgen“, sagt sie gegenüber Vegconomist. Nur ein Fünftel der Treibhausgase In der Tat können Fleischersatzprodukte einen großen Teil zur Reduktion von Treibhausgasen beitragen. Dies zeigte beispielsweise eine aktuelle Studie von Forschenden der Universität Oxford, in der mittels Algorithmus die Umweltfolgen von 57.000 verarbeiteten Lebensmitteln untersucht wurden. Das Ergebnis: Viele der Alternativprodukte wiesen nur ein Zehntel bis ein Fünftel der Umweltauswirkungen ihrer fleischbasierten Äquivalente auf – bei gleichzeitig besseren Werten im Nutrition Impact Score, also der Bewertung, wie nahrhaft ein Produkt ist. [caption id="attachment_1492019" align="aligncenter" width="620"] Analyse von Umweltimpact und Nahrhaftigkeit von veganen und tierischen Würstchen. (Grafik: PNAS Aug. 2022)[/caption] Hierin liegt auch eine große Chance für Innovationen von Unternehmen und Startups wie zum Beispiel Keen 4 Greens.