Inklusion als Marktchance für Startups und Unternehmen

Fast zehn Prozent der Deutschen gelten als schwerbehindert. Bislang kommen diese Menschen in Wirtschaft und Gesellschaft häufig zu kurz. Doch immer mehr Startups und Unternehmen wie L'Oréal erkennen die Chance und entwickeln Angebote für genau diese Zielgruppe. Laut Statistischem Bundesamt lebten zum Jahresende 2021 insgesamt 7,8 Millionen schwerbehinderte Menschen in Deutschland – das entspricht 9,4 Prozent der Gesamtbevölkerung. Obwohl jede:r Zehnte körperlich oder geistig beeinträchtigt ist, kommen diese Menschen in Wirtschaft und Gesellschaft oft noch zu kurz. Doch immer mehr Unternehmen erkennen die Chance und entwickeln Angebote für genau diese Zielgruppe. Wer gilt als schwerbehindert? Als schwerbehindert gelten Menschen mit einem Behinderungsgrad von mindestens 50. Der Großteil der Behinderungen entsteht dabei erst im fortgeschrittenen Alter und wird durch eine Krankheit verursacht. Mit 45 Prozent oder 3,5 Millionen Schwerbehinderten gehört die Altersgruppe von 55 bis 74 Jahren zum größten Cluster der schwerbehinderten Menschen. 34 Prozent sind älter als 74 Jahre. Rund 740.000 Menschen mit Schwerbehinderung sind 18 bis 45 Jahre alt – das entspricht rund zehn Prozent. Nur knapp drei Prozent der Schwerbehinderten sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Dabei nahmen insbesondere die Behinderungen in der Altersgruppe 18 bis 25 Jahren im Zeitverlauf zu. Mit 128.725 Schwerbehinderten wurde im Jahr 2021 der höchste Wert in dieser Altersklasse seit der Erhebung im Jahr 1985 verzeichnet. Bei den Behinderungen unterscheidet man zwischen geistigen und körperlichen Behinderungen, wobei letztere laut Statistischem Bundesamt überwiegen. Bei elf Prozent sind beispielsweise Arme und/oder Beine in ihrer Funktion eingeschränkt. Darüber hinaus gelten auch Blindheit, Einschränkungen von Wirbelsäule und Rumpf oder Einschränkungen der inneren Organe als Grund für einen Behinderungsgrad. Besondere Bedürfnisse erfordern besondere Angebote Menschen mit Behinderung haben besondere Bedürfnisse, die oft über die Anforderungen von „normalen“ Produkten hinaus gehen. Hier können Startups und Unternehmen mit ihren Produkten und Services großen Mehrwert liefern. Ein Beispiel ist das Startup Liberare, das Unterwäsche speziell für körperlich Behinderte herstellt. [instagram url="https://www.instagram.com/p/CnFiH0BLuLD/"] Auch die wachsende Anzahl digitaler Gesundheitsanwendungen (Digas) will Menschen mit Erkrankungen wie Multiple Sklerose (beispielsweise Elevida), chronischen Schmerzen (wie von HelloBetter) oder Endometriose (Endo-App) den Alltag erleichtern und zu mehr Wohlbefinden beitragen. Doch nicht nur Startups, sondern auch Konzerne wie L’Oréal haben das Thema auf dem Schirm. Inklusion mit Lippenstift Anfang Januar hat L’Oréal auf der CES in Las Vegas ein Schminkgerät namens „Hapta“ vorgestellt. „Hapta ist ein tragbarer, ultrapräziser, intelligenter Make-up-Applikator für Benutzer:innen mit eingeschränkter Hand- und Armbeweglichkeit, der es ihnen ermöglicht, Lippenstift zu Hause aufzutragen“, sagt Guive Balooch, Chef von L’Oréals Global Technology Incubator, im Interview mit t3n. [caption id="attachment_1526201" align="aligncenter" width="620"] Guive Balooch, Global Head of Research and Innovation Tech Incubator bei L’Oréal. (Foto: L’Oréal)[/caption] L’Oréals Global Technology Incubator entwickelt seit 2012 innovative Lösungen für Verbraucher:innen, um „Schönheit für alle“ zu ermöglichen. Das über 75-köpfige Team aus Ingenieur:innen, Wissenschaftler:innen und Designer:innen ist in New York, New Jersey, Kalifornien sowie in Frankreich, Japan und China vertreten. „Unser Ziel ist es, das führende Unternehmen für integrative Schönheit zu sein“, sagt Balooch. Hapta soll zunächst in den USA launchen. „In den USA gibt es 30 Millionen Menschen mit Handbehinderungen, sprich: einer von zehn Menschen. Das ist eine riesige Anzahl von Menschen, die bislang keinen Zugang zu Schönheitsprodukten hat. Das wollten wir mit Hapta lösen“, sagt Balooch. Hapta ist mit einer magnetischen Halterung ausgestattet, die eine einfache ergonomische Verwendung ermöglichen soll. Zudem verfügt es über eine Technologie, mit der die Utensilien stabilisiert und kalibriert werden sollen. [crosslinks ids="1480251,1438284,1515125"] Hapta soll im Jahr 2023 in einem Pilotprojekt mit Lancôme getestet werden. Der Preis wird zwischen 149 und 199 US-Dollar liegen. „Wir starten mit Lippenstift, anschließend sollen weitere Make-up-Anwendungen folgen. Wir gehen davon aus, dass in den nächsten zwei bis drei Jahren weitere Versionen zur Verfügung stehen werden“, sagt Balooch. „Mit bloßen Händen war das bislang nicht möglich“ Laut Balloch hat die Entwicklung von Hapta rund zwei Jahre gedauert. Als Kooperationspartner hat sich L’LOréal Verily ins Boot geholt. Dabei war es laut Balooch die größte Herausforderung, sicherzustellen, dass das gesamte Erlebnis vom Öffnen über das Einlegen des Lippenstifts in das Gerät bis hin zum Auftragen so gestaltet wird, dass es für die Nutzer:innen einfach ist. „Hapta bietet den Menschen die Möglichkeit, Ergebnisse zu erzielen, die mit den bloßen Händen nicht möglich waren. Wir hoffen, dass die gesamte Schönheitsindustrie von dieser Art von Technologie, die das Leben der Menschen verbessern kann, profitieren wird“, sagt Balooch.