Interview: Warum Rutger Bregman an den guten Menschen glaubt
Rutger Bregman ist der Shootingstar unter den jungen europäischen Denkern. Er mischt sich immer wieder prominent in gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Debatten ein – und versteht es dabei, die Aufmerksamkeitsökonomie geschickt für sich zu nutzen.
So hat er 2019 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos für Aufsehen gesorgt, als er eine gerechtere Besteuerung für Reiche und ein Ende der Steuervermeidung forderte. Pure Philanthropie werde nicht reichen, um die Ungleichheit in der Welt zu bekämpfen. Ein Videoausschnitt aus der Rede erreichte im Netz mehrere Millionen Aufrufe.
Einige Wochen später war er dann zu Gast beim US-Sender Fox News, wo er mit dem Moderator Tucker Carlson aneinandergeriet. Der rechtskonservative Carlson wollte sich in der TV- Sendung mit Bregman als linkem Intellektuellen brüsten, um seinen Zuschauern zu zeigen, dass ihm das Wohl der Arbeiterklasse wichtig ist. Bregman spielte aber nicht so recht mit, nannte Carlson „einen Millionär, der von Milliardären finanziert wird“. Weil in der anschließenden Auseinandersetzung Carlson die Fassung verlor und Bregman beschimpfte, schnitt der Sender das Interview raus. Bregman, der während des Interviews relativ ruhig geblieben war, veröffentlichte daraufhin einen Mitschnitt des Gesprächs auf Twitter.
Sein Metier: Provozieren, ohne radikal zu wirken
Rutger Bregman weiß zu provozieren, ohne radikal zu wirken. In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau spricht Bregman vom „Biest“ Kapitalismus, das es zu zähmen gilt. In seinem 2017 erschienen Buch „Utopie für Realisten“ setzt er sich fürs bedingungslose Grundeinkommen und die 15-Stunden-Woche ein. Es sind die Themen, die das global vernetzte Bildungsbürgertum leidenschaftlich diskutiert – ohne sich allerdings die Hände zu schmutzig zu machen. Bregman setzt sich geschickt an die Spitze dieser Bewegung, weil er ziemlich genau versteht, wie sie tickt.
Der Niederländer hat Geschichte an der Universität Utrecht und der Universität von Kalifornien in Los Angeles studiert. Als Journalist schreibt er unter anderem für die holländische Nachrichten-Website De Correspondent, die als Crowdfunding-Projekt 2013 gestartet ist und vor allem auf Analysen und Hintergrundberichte setzt.
In seinem neuesten Buch „Im Grunde gut“ kritisiert Bregman das vorherrschende Bild des Menschen als egozentrisches Wesen. Die Geschichte zeige vielmehr, dass die menschliche Zivilisation zutiefst von zunehmender Freundlichkeit und Zusammenarbeit geprägt ist. Eine radikale Idee, wie er sagt. Vor allem auch eine, die in diesen Zeiten enorme Aufmerksamkeit erzeugt.
Kurz bevor die Welt Mitte März das öffentliche Leben herunterfährt, ist Rutger Bregman zu Gast in Hannover und liest aus seinem neuen Buch. Am Nachmittag vor der Lesung empfängt er in einer Hotellobby im Stadtzentrum zum Interview. Bregman ist gut gelaunt. Er trinkt einen Tee, spricht mit Begeisterung über seine Ideen. Draußen regnet es, Passanten fliehen in die Läden. Es ist die Ruhe vor dem Sturm, den Sars-CoV-2 auslöst.
Wie Rutger Bregman sein Bild vom guten Menschen mit Hamsterkäufen, Schlammschlachten im Reality-TV und autoritärer Unternehmensführung in Einklang bringt, hat t3n-Chefredakteur Luca Caracciolo im Interview erklärt. Zu lesen in der t3n 60.
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