Investor-Insights: So kommen Unternehmensbewertungen zustande - t3n

Die Bewertung von Klarna sinkt von 45,6 auf 6,7 Milliarden US-Dollar. Das schwedische Fintech ist nicht mehr die Nummer eins der europäischen Startup-Szene. Aber wie kommt diese Bewertung zustande? Ein Investor gibt exklusive Insights. Schlechte Nachrichten bei Klarna: Diese Woche gab das schwedische Fintech bekannt, dass seine Bewertung von 45,6 Milliarden Dollar auf 6,7 Milliarden Dollar nach unten korrigiert wurde – ein Einbruch um rund 85 Prozent. Klarna ist somit nicht mehr Europas wertvollstes nicht börsennotiertes Startup. Die Neuigkeiten wurden zeitgleich mit einer neuen Finanzierungsrunde über 800 Millionen Dollar (etwa 794 Millionen Euro) bekannt gegeben, was ja erst einmal nicht nach Krise klingt. Das lässt die Frage aufkommen: Wie kommt eine solche Unternehmensbewertung überhaupt zustande? [crosslinks ids="1485394,1477051,1482502"] Konsument:innen spielen bei der Unternehmensbewertung vordergründig keine Rolle. Es sind die Investor:innen, die, basierend auf der Marktentwicklung, Potenziale und Risiken bewerten und das in ihre Urteile einfließen lassen. „Die Verschiebung der Bewertung von Klarna ist ausschließlich darauf zurückzuführen, dass die Investor:innen plötzlich anders gestimmt haben als in den letzten Jahren“, sagt Michael Moritz, Partner beim Wagniskapitalgeber Sequoia, der seit 2010 bei Klarna investiert ist. Auch die Höhe der Finanzierung spiele für die Bewertung keine Rolle. Vielmehr würden Investor:innen darauf schauen, wie sich der Markt entwickelt und wie andere Unternehmen in dem Bereich performen. Ein guter Anhaltspunkt dafür sei die Börse. Christian Lautner von Heal Capital sagt im Interview: „Klarna ist ja ein privates Unternehmen, also nicht börsennotiert, kann aber mittlerweile von seiner Größenordnung mit börsennotierten Unternehmen verglichen werden.“ Vergleich mit börsennotierten Unternehmen „Die Börse ist ein Indikator dafür, was Investor:innen derzeit bereit sind, an Multiples auf Umsatz oder Gewinn zu zahlen, wenn ich das Unternehmen verkaufen würde“, sagt Lautner. „Das hängt auch vom gesamten Marktumfeld ab.“ Schaut man auf Onvista, so sieht man beispielsweise, dass die Paypal-Aktie um 72 Prozent gegenüber dem Vorjahr eingebrochen ist (Stand 13. Juli). Klarna-Konkurrent Affirm steht derzeit bei einem Minus von 59,63 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Wettbewerber verzeichnen also derzeit ähnliche Einbrüche wie Klarna. [caption id="attachment_1485702" align="alignnone" width="620"] Investor Christian Lautner. (Bild: Heal Capital)[/caption] Bewertung von Marktrisiken Ein weiterer Punkt, der in die Bewertung von Unternehmen einfließt, ist die gesamtwirtschaftliche Situation. Und die sieht derzeit für viele Techunternehmen alles andere als rosig aus. „Startups können sich nicht mehr so leicht finanzieren wie noch vor einigen Monaten“, sagt Marlon Braumann, Partner bei Elevat 3 Capital. „Vereinfacht gesagt ist das so, weil Geld wieder einen Preis bekommt und teurer wird.“ Schuld daran sind covid- und kriegsbedingte Knappheiten in den Lieferketten, die für Inflation sorgen. „Die Inflation wird durch Zentralbanken mit höheren Zinsen und gestoppten Anleihenkäufen bekämpft. Dies sorgt vor allem bei den Unternehmen für fallende Bewertungen, deren Gewinn erst sehr weit in der Zukunft liegt, und zieht folglich Geld aus der VC-Industrie. Investor:innen werden zurückhaltender, Startups müssen sparen“, sagt Braumann. Bewertung von individuellen Chancen und Risiken Hinzu kommen individuelle Risiken. Bei Klarna sei das beispielsweise ihre „Buy now, pay later“-Strategie, die sowohl positive als auch negative Effekte haben könne. „Ich würde mir da auf jeden Fall das Ausfallrisiko anschauen“, sagt Investor Lautner. „Dadurch, dass sich der Markt verändert, muss man auch bei Banken beispielsweise mit Kreditausfällen rechnen.“ Im Gesamtmarktumfeld werde zudem die Frage lauter, wie lange der Konsum, den wir heute sehen, noch in der Form anhalten werde. „Wir haben lange Corona gehabt, sind Onlineshopping gewohnt und der Staat hat Geld reingepumpt, wo es nur ging. Die ganzen Krisen bisher haben sich daher nicht dramatisch auf den Konsum in Gänze ausgewirkt“, sagt Lautner. „Nach vorn gehend: Wenn der Konsumdrang mit den Preissteigerungen nachlässt, dann ist das natürlich auch ein Thema, das in Klarnas Bewertung einfließen muss.“ Denn in den Bereichen, in denen die Inflation gerade zuschlägt, wie beispielsweise bei der Energie, sei Lautner zufolge in erster Linie die breite Masse betroffen. „Die Gutverdiener:innen wird es erst mal nicht so hart treffen“, sagt Lautner. Wenn dort dann erkannt werde, dass vom eigenen Geld nicht mehr so viel übrig bleibe, man vielleicht sogar über seine Verhältnisse lebe, könne es durchaus zu einem „Konsum-Cringe“ kommen, also einem Konsumrückgang. Die „Buy now, pay later“-Strategie könne dabei Lautner zufolge zwei Effekte haben: „Entweder sagen die Leute, ich kaufe trotzdem und zahle später, was einen positiven Effekt haben könnte. Wenn allerdings in der Konsequenz insgesamt weniger gekauft wird, dann hätte das einen negativen Effekt auf die Umsatzprognose.“ Am Ende sei jedoch alles Glaskugellesen. Lautner sagt: „Meine persönliche Sicht: Der Markt geht mal hoch, mal runter. Die letzten Jahre waren wir nur hochgehen gewohnt. Der derzeitige Abschwung mag ärgerlich sein, aber es kommen auch wieder andere Zeiten.“