Microsoft sorgt für Frust in der .NET-Community - t3n

Jeden Dienstag blicken wir im Pro-Briefing auf ein wichtiges Thema der IT. Heute geht es um Microsoft und die anhaltenden Streitigkeiten mit der .NET-Community. Seit die Microsoft-Führung 2014 an Satya Nadella ging, bekennt sich der Software-Konzern zumindest in ausgewählten Bereichen auch zu Open Source. Gleich mehrere Entscheidungen im Zusammenhang mit dem quelloffenen Software-Framework .NET sorgten in den letzten Monaten jedoch für Ärger mit der Community. Der neuste Streitpunkt: die Integration eines Features, das Microsoft plötzlich nur noch in Visual Studio integrieren wollte. [crosslinks ids="1414741,1158647,1145742"] Konkret ging es um die Hot-Reload-Funktion in der kommenden Version .NET 6. Die Funktion erlaubt die Veränderung von Quellcode laufender Programme. Im bereits veröffentlichten Release Candidate von .NET 6 konnte Hot Reload in verschiedenen Programmierumgebungen und auf verschiedenen Plattformen eingesetzt werden. Dann entscheid sich Microsoft plötzlich um und erklärte, das Feature werde zunächst nur in Visual Studio 2022 verfügbar sein. Der Aufschrei auf GitHub, Hacker News und Twitter war groß. So groß sogar, dass Microsoft die Änderung nur zwei Tage später wieder rückgängig machte. In einem Blogbeitrag entschuldigte sich Scott Hunter von Microsoft auch öffentlich für die Entscheidung. „Zuallererst möchten wir uns entschuldigen. Wir haben bei der Umsetzung unserer Entscheidung einen Fehler gemacht und haben länger als erwartet gebraucht, um der Community zu antworten. Wir haben die Pull-Anfrage zur Wiederaktivierung dieses Codepfads genehmigt und er wird im GA-Build des .NET 6 SDK enthalten sein“, schreibt Hunter. Allerdings war das nicht der erste Streit zwischen Microsoft und der .NET-Community in letzter Zeit. Streit gibt es auch um die Führung der .NET-Foundation Streit gab es in den vergangenen Wochen auch immer wieder um die Rolle der .NET-Foundation. Microsoft hatte die Organisation 2014 gegründet, um die Weiterentwicklung des Open-Source-Projekts zu steuern. Leiterin Claire Novotny sorgte Anfang Oktober mit einem kontroversen Pull Request und anschließendem Merge für Ärger. Gleichzeitig wurde das Projekt von GitHub auf eine GitHub-Enterprise-Instanz verlegt – zur Verwunderung vieler Community-Mitglieder. Novotny entschuldigte sich später dafür, erklärte in einem Beitrag auf GitHub aber auch, dass die Community offenbar die Rolle der Foundation nicht wirklich begreife. Das wiederum kam bei vielen Beobachtern ebenfalls nicht gut an. Kurz darauf erklärte Novotny dann ihren Rückzug als Executive Director der Foundation. Zu etwa derselben Zeit meldete sich auch das ehemalige Board-Mitglied Rodney Littles in einem Blogbeitrag zu Wort. Darin kritisierte er die .NET-Foundation scharf. Statt sich um die Belange der Community zu kümmern, so Littles, würde die Organisation ihr immer wieder Steine in den Weg legen. „Die .NET-Foundation muss der Gemeinschaft gegenüber klar und ehrlich sein und uns ein für alle Mal sagen: Seid ihr hier, um Microsofts Willen in Bezug auf .NET Open Source durchzusetzen, oder seid ihr hier, um eine gesunde Gemeinschaft zu unterstützen und zu fördern? Die Anzeigetafel sieht für Letzteres nicht gut aus“, erklärte Littles. Derweil kritisierten auch andere die .NET-Foundation. Hadi Hariri von Jetbrains erklärte auf Twitter beispielsweise: „JetBrains war einer der ersten, der sich der Stiftung anschloss, als sie angekündigt wurde. Aber die gebrochenen Versprechen, der Umgang mit Open-Source-Software und die insgesamt fehlenden Werte für JetBrains und die Gemeinschaft sind der Grund, warum wir nicht mehr als Sponsoren auftreten.“ Wie geht es weiter mit .NET? Die .NET-Foundation will zukünftig stärker auf die Bedürfnisse und Wünsche der Community eingehen. Das neue Board-Mitglied Rob Prouse schreibt auf GitHub: „Wir werden unser Bestes tun, um alle Bedenken, die in letzter Zeit geäußert wurden, auszuräumen.“ Außerdem soll der Umzug auf GitHub Enterprise für einzelne Projekte rückgängig gemacht werden, sofern deren Maintainer das wollen. Ob sich langfristig etwas ändert, hängt letztlich allerdings von Microsoft ab. Die .NET-Foundation ist zwar nominell unabhängig, die Satzung gibt dem Konzern als Gründungsmitglied jedoch ein Vetorecht über so ziemlich jede wichtige Entscheidung. Dementsprechend wird Microsoft entscheiden müssen, ob die Organisation in Zukunft wirklich stärker auf die Bedürfnisse der Community Rücksicht nimmt.