„Papa, der Wald ist so still“: Wie ein Berliner Startup unsere Wälder retten will

Das Startup Skyseed will mit speziellen Drohnen, die Samen abwerfen, brachliegende Waldflächen aus der Luft aufforsten. Um den richtigen Saatenmix zu bestimmen, werden Versuche in Klimasimulationskammern durchgeführt. Wir haben mit einem der Gründer gesprochen. Es war ein Waldspaziergang mit seinem Sohn, der Skyseed-Mitgründer Dominik Wind zum Nachdenken gebracht hat, berichtet Ole Seidenberg, Co-Founder von Skyseed, gegenüber t3n über die initiale Idee von Skyseed. „Papa, der Wald ist so still“, soll der Sohn bemerkt haben haben. Wind horchte hin und musste ihm recht geben. Durch dieses Erlebnis sei Wind bewusst geworden, wie stark der Wald bereits unter den steigenden Temperaturen und den langen Trockenphasen leidet. Mit ihrem Berliner Startup Skyseed wollen Wind, Seidenberg und ihr Team das ändern. Sie setzen Schwerlastdrohnen ein, die pelletierte Samen abwerfen, um brachliegende Waldflächen aus der Luft wieder aufzuforsten. Derzeit sind zwei Drohnen im Wert von jeweils 25.000 Euro im Einsatz, eine dritte wird entwickelt. Die drei Gründer haben vor ihrer Gründung von Skyseed zusammen eine Transformationsberatung betrieben. Wir haben mit Seidenberg gesprochen. t3n: Herr Seidenberg, wie genau kam es zur Gründung von Skyseed? Ole Seidenberg: Die Idee einer skalierbaren Klimaschutzlösung durch eine Kombination aus einer natürlichen Kohlenstoffsenke wie dem Wald und Technologie wie der Drohne hatten wir [Dominik Wind, Simon Wind und Ole Seidenberg] schon eine Weile im Kopf. Dass wir dann 2021 ausgerechnet beim Wald gelandet sind, lag daran, dass Dominik in einem der ganz trockenen Jahre, 2018 oder 2019, mit seinem Sohn Jakob im Wald stand und dieser anmerkte „Papa, der Wald ist so still“ – da wurde ihm bewusst, wie stark dieser schon unter den zunehmenden Temperaturen und langen Trockenphasen leidet. Dass wir gleich mehrere richtig fitte Drohnenexperten in unserem Freundeskreis haben, half bei der Ideenfindung und Gründung – ebenso wie Corona, denn ohne die Pandemie hätten wir unsere Beratungsagentur von damals wohl nicht aufgegeben, um zu gründen. Mit ersten befreundeten beziehungsweise uns nah stehenden Angel-Investoren, die rund 600.000 Euro investiert haben, konnten wir dann loslegen. t3n: Haben Sie seitdem weiteres Kapital aufgenommen? Seidenberg: Ja, wir haben inzwischen auch eine Seed-Runde in Höhe von rund zwei Millionen Euro geraist. Zudem haben wir ein Förderdarlehen erhalten. Aktuell sprechen wir mit Partnern für eine Seed-Expansion. t3n: Wie ging es dann los mit Skyseed? Seidenberg: Im Herbst 2021/22 haben wir die ersten Testflächen besät. Die Auswertung hat uns gezeigt, dass extrem beanspruchte Flächen wie die im Harz und Sauerland eine natürliche Regeneration hin zu einem gesunden Waldökosystem nur noch schaffen, wenn wir sogenannte Pionier-Saaten einbeziehen und die „Sukzessions-Stufen“ hinauf bis zum Wald klettern; ein einfaches Einpflanzen oder Säen von Holz-Ertrags-Bäumen wird auf diesen degenerierten und vertrockneten Böden kaum noch ohne funktionieren. t3n: Wie genau werden die Gelder von den Investor:innen derzeit verwendet? Seidenberg: Das aufgenommene Kapital verwenden wir vornehmlich zum Aufbau unseres Teams und zur Entwicklung von Pellet und Drohne einschließlich der dafür notwendigen Maschinen sowie der Vorfinanzierung von Saatgut. [caption id="attachment_1497498" align="aligncenter" width="620"] Schwerlastdrohne in Aktion. (Foto: Skyseed)[/caption] In der Tat ist die Pelletierung viel aufwendiger und bio-chemisch komplexer, als wir je angenommen hätten, denn wir arbeiten mit mehr als 20 verschiedenen Saatarten, die jeweils ganz verschiedene Ansprüche an Rücktrocknung, Feuchtigkeit, Materialien usw. während der Verarbeitung haben, um ihre Keimfähigkeit in Zukunft erhalten und entfalten zu können. t3n: Was waren Erfolge, was Rückschläge? Seidenberg: Wir haben zunächst einmal viele unserer Arbeitshypothesen und Ziele erfolgreich belegen beziehungsweise erreichen können: Eine funktionierende und schonende Saatdrohne mit einer immensen Hektar-Leistung (bis zu 20 Hektar am Tag) ist entwickelt, ein die Keimfähigkeit erheblich steigerndes, aber dennoch rein ökologisches Pelletrezept und Pelletierverfahren samt eigener kleiner Fabrik in Baden-Württemberg ist ebenso gelungen. Zudem haben wir ein wirklich tolles Team gefunden und aufbauen können, das sich für unser Anliegen genauso begeistert wie wir. Als Rückschlag könnte man deuten, dass wir einerseits mit vielen bürokratischen und rechtlichen Hürden zu kämpfen haben. Beispielsweise können wir nicht einfach Saatgut aus Bayern in Brandenburg ausbringen, alles muss zertifiziert und kontrolliert sein, ebenso wenig können wir mit der Drohne einfach über Bäume hinwegfliegen, da gibt es noch einiges zu organisieren. Zweitens merken wir, dass wir innerhalb der Wald-Szene durchaus viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, bestimmte Baum- und Straucharten nebst der Saat und Drohne als ökologische und technische Hilfsmittel zu akzeptieren, weil die gewohnten Verfahren immer weniger gut zur Rückgewinnung von großen Brachflächen geeignet sind. Das heißt: Lag ein Boden erst einmal mehrere Jahre brach in der prallen Sonne, sind meistens sowohl Pilzgeflechte abgestorben, Nährstoffe ausgespült und der Boden stark ausgetrocknet. All das trägt nicht gerade dazu bei, gute Startbedingungen für natürliche Verjüngung, Saat durch uns oder auch Setzlinge aus der Baumschule zu schaffen. Um diese Flächen zurückzugewinnen, braucht es deshalb so genannte „Pioniere“. t3n: Wie ist Ihr Team aktuell aufgestellt? Seidenberg: Wir sind ein bunt gemischtes Team aus Saat- und Pelletexpert:innen, Entwickler:innen, Drohnen-Ingenieur:innen, uns drei Gründern und Generalisten sowie einem Kundenberater, Praktikanten und Finanz- und Back-Office Profis. Zudem wollen wir unser Team um Menschen mit weiterer Wald-, Saat- und Bodenexpertise erweitern. t3n: Wer sind Ihre Kundinnen und Kunden? Seidenberg: Waldbesitzende aller Art, also Landesforsten, private Waldbesitzer:innen mit 2.000 oder nur 20 Hektar, Waldgenossenschaften oder so genannte Forst-Betriebsgemeinschaften. Entscheidend ist, worum es geht, denn wir helfen speziell bei großen oder schwer zugänglichen Schadflächen sowie dem Umbau von Monokulturwäldern. t3n: Was sind aktuell Ihre größten Herausforderungen und wie gehen Sie diese an? Seidenberg: Die größte Herausforderung für uns ist einerseits die noch recht starre Förderkulisse, denn gefördert wird Aufforstung für die Waldbesitzer:innen nur unter bestimmten Bedingungen. Und diese variieren nicht nur von Bundesland zu Bundesland, sondern sind auch etwas aus der Zeit gefallen. So werden bestimmte „heimische“ Baumarten vorgegeben, die aber aufgrund der wandernden Klimazonen nicht mehr lange hier in Deutschland klarkommen werden. Gleichzeitig werden teilweise Vorgaben zu den Verfahren gemacht. Und obwohl die Nutzung von Saatdrohnen zur Wiederbewaldung sogar Erwähnung im Koalitionsvertrag gefunden hat, ist dies noch nicht die gelebte Realität. Hier versuchen wir im Gespräch mit dem BMEL Lösungen zu finden und konstruktiv im Gespräch zu bleiben. Selbiges betrifft die Saatgutbeschaffung, denn es wird ein großes Augenmerk auf die genetische Qualität der Saat gelegt, während wir insgesamt viel zu wenig ernten und immer weniger Saatgut überhaupt ausgereift wird – das ist in Notfallzeiten wie diesen nicht mehr angebracht. t3n: Wie sieht es beim privaten Funding aus? Seidenberg: Meiner Meinung nach gibt es in dem Bereich der „Nature-based-solutions", als die wir uns bezeichnen, zu wenig Funding. Es wird viel in Apps und Plattformlösungen investiert, zu wenig aber in solche Unternehmen und Gründer:innen, die sich wirklich die Finger schmutzig machen. Dabei ist gerade dabei der Hebel immens groß. [crosslinks ids="1549576,1459924,1547566"] t3n: Was ist der USP von Skyseed? Seidenberg: Unser USP ist es eindeutig, dass wir eine leistungsstarke Technologie wie in diesem Fall die Schwerlastdrohne kombinieren mit einer im wahrsten Sinne des Wortes ökologischen Pionierleistung, denn: Wir bringen (Pionier-)Saaten im Wald aus, die zwar auch üblicherweise natürlich vorkommen würden, wenn wir die Ökosysteme nicht so massiv gestört hätten, im klassischen Waldbau aber eher als Unkraut oder bestenfalls zufälliger Assistent betrachtet werden. Das sind zum Beispiel Spitzwegerich, wilde Möhre oder Sauerampfer. [caption id="attachment_1549976" align="aligncenter" width="620"] Spitzwegerich. (Foto: Shutterstock / Art_Pictures)[/caption] Durch unsere Pelletierung wird dabei ein viel breiteres Spektrum an Artenreichtum möglich als üblicherweise zu kaufen wäre. So machen wir den ökologischen Umbau von Monokulturen beziehungsweise die Rückholung von einstigen Waldflächen nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch machbar. Aktuell führen wir Simulationen am Helmholtz Zentrum München durch, wo wir in Klimasimulationskammern versuchen, den idealen Artenmix der Zukunft zu bestimmen. Für die Simulation nehmen wir das Klima aus dem Jahr 2018, das sehr heiß war, und eine Simulation einer noch heißeren Umgebung. Dann schauen wir, welche Kraut- und Straucharten überleben. Das ist wie ein Zeitraffer. t3n: Was ist Ihre Vision? Seidenberg: Wir möchten schlichtweg eine lebenswerte Erde für unsere Kinder erhalten, so pathetisch das klingen mag. Dazu gehört aus unserer Sicht bei steigenden Temperaturen, dass wir so viel Wald wie möglich vor dem Kollaps bewahren beziehungsweise Brachflächen wieder in ein Waldklima überführen, denn der Wald bietet uns zahlreiche Dienste an, die vielen von uns nicht einmal bewusst sind: Er speichert Wasser, filtert die Luft, erzeugt Luft zum Atmen und kühlt ganze Städte um etliche Grad herunter. Auch eine Flutkatastrophe wie die im Ahrtal hätte ein intakter Wald deutlich bremsen können. Aber dazu gehört viel mehr als ein paar Bäume in der Erde, denn nur ein artenreiches Wald-ökosystem kann solche Resilienz zu seinen eigenen und unseren Gunsten aufbringen. Die Drohnen bieten uns die Möglichkeit, hier von vielen hunderttausend Hektar zu träumen, aber vielmehr geht es uns um die Qualität unserer Arbeit.