KI denkt um die Ecke: Bizarre Experimente bringen Physiker zum Staunen

Von der Quantenverschränkung bis hin zur Dunklen Materie: In der Physik stehen Wissenschaftler:innen weiterhin vor zahlreichen fundamentalen Rätseln. Um den Lösungen zumindest ein Stück weit näher zu kommen, nehmen sie jetzt immer häufiger KI-Tools zur Hilfe.
Dabei hat sich herausgestellt, dass KI bei physikalischen Experimenten nicht nur als nützliches Werkzeug, sondern auch als kreativer Ideengeber dienen kann. Wie das Quanta Magazine berichtet, entstehen so Experimente, die für den Menschen auf den ersten Blick keinen Sinn ergeben, sich aber als überraschend effektiv erweisen.
KI überrascht mit kontra-intuitivem Vorschlag
Ein Beispiel für den Einsatz von KI ist die Weiterentwicklung des Gravitationswellen-Detektors Ligo. Hier werden Laserstrahlen entlang zweier Arme auf einer Strecke von vier Kilometern hin und her reflektiert. Läuft eine Gravitationswelle durch, ändert sich die Länge eines Arms im Verhältnis zum anderen um weniger als die Breite eines Protons. Gerade dieser verschwindend geringe Unterschied ist für das Forschungsteam um den Physiker Rana Adhikari höchst interessant.
Die Entwicklung des Ligo dauerte Jahrzehnte. Erst 2015 konnte die Maschine ihre erste Gravitationswelle nachweisen, die von der Kollision zweier Schwarzer Löcher in großer Entfernung herrührte. Inzwischen nutzt das Forschungsteam ein KI-Modell, um potenzielle Verbesserungen am Design des komplexen Messgeräts zu entwickeln. Zunächst fütterten sie die KI mit allen Komponenten und Geräten, die kombiniert werden konnten, um ein beliebig kompliziertes Interferometer zu konstruieren.
Als Ergebnis präsentierte die KI ein bizarr anmutendes Modell mit einer zusätzlichen Lichtschleife, was für die Wissenschaftler:innen zunächst keinen Sinn ergab. Erst nach Monaten wurde klar, dass die KI damit ein physikalisches Konzept zur Rauschunterdrückung nutzte, das bislang nur theoretisch diskutiert worden war. Wäre diese Erkenntnis schon beim Bau von Ligo bekannt gewesen, hätte sich die Empfindlichkeit um zehn bis 15 Prozent erhöhen lassen, so Adhikari. In einer Welt, in der schon ein Proton einen riesigen Unterschied machen kann, sind zehn bis 15 Prozent enorm.
Steht der physikalische Durchbruch kurz bevor?
KI kann aber nicht nur Experimente designen, sondern auch physikalische Zusammenhänge entdecken. Kyle Cranmer ist Physiker an der University of Wisconsin-Madison. Er und sein Team trainierten Modelle für Maschinelles Lernen beispielsweise mit Daten aus dem Universum und ließen sie die Dichteverteilung Dunkler Materie vorhersagen. Dabei entwickelte das Modell eine Gleichung, die besser zu den Messdaten passte als bisherige, von Menschen erdachte Formeln.
„Im Moment ist es so, als würde man einem Kind das Sprechen beibringen”, so Cranmer. „Wir machen viel Babysitting.“ Trotzdem konnten mithilfe von KI bereits Muster entdeckt werden, die sonst möglicherweise übersehen worden wären. Was allerdings noch fehle, sei der Weg, wie die Maschine zu einem bestimmten Ergebnis gelange.
Die Rollen bleiben also weiterhin klar verteilt: Die KI findet Muster, aber den physikalischen Kontext und die Interpretation müssen Menschen liefern. Cranmer glaubt allerdings, dass die Einführung großer Sprachmodelle wie ChatGPT das schon bald ändern könnte. „Ich denke, dass Sprachmodelle ein enormes Potenzial haben, um die Automatisierung der Hypothesenbildung zu unterstützen“, sagte er. „Das ist schon fast in greifbarer Nähe.“