Mehr Leistung, weniger Strom: Dieses Quanten-Material könnte unsere Elektronik revolutionieren

Einem Team von Physiker:innen der Rice University im texanischen Houston ist ein vielversprechender Durchbruch gelungen. Wie die Rice University per Phys.org berichtet, haben die Forscher:innen um die Physikerin Ming Yi und die Professorin Emilia Morosan ein neuartiges Material hergestellt, das sowohl exotische Quanteneigenschaften aufweist, als auch supraleitend ist. Das bedeutet, dass es Strom ohne jeglichen Widerstand leiten kann. Die Ergebnisse ihrer Studie wurden im Wissenschaftsjournal Nature Communications veröffentlicht.
Winzige Indium-Zugabe mit großer Wirkung
Das Geheimnis liegt in der gezielten Manipulation von Tantalsulfid (TaS₂), einem bereits bekannten Schichtmaterial. Durch die präzise Einlagerung – Interkalation genannt – geringer Mengen von Indium-Atomen in die Kristallstruktur des Tantalsulfids veränderten die Wissenschaftler:innen dessen Symmetrie. Diese Veränderung führt zur Ausbildung sogenannter Kramers-Knotenlinien (KNL).
Dabei handelt es sich um Bereiche im Material, in denen sich Elektronen mit unterschiedlichem Spin – einer Art Eigendrehimpuls – auf eine besondere Weise verhalten. Man kann es sich, wie die Forscher:innen der Rice University erklären, ein wenig wie auf einer Autobahn vorstellen: Elektronen mit entgegengesetztem Spin bewegen sich auf getrennten Bahnen, bis diese an den Kramers-Knotenlinien zusammenlaufen. Solche KNLs sind ein Phänomen aus der topologischen Materialforschung und versprechen ungewöhnliche elektronische Eigenschaften.
Supraleitung trifft auf exotische Quantenphysik
Das Besondere an der Neuentwicklung InₓTaS₂, so die chemische Kurzbezeichnung, ist die Kombination dieser Kramers-Knotenlinien mit Supraleitung bei tiefen Temperaturen. „Ein Material zu entwerfen, das die strengen Symmetriebedingungen erfüllt, die für diese speziellen Eigenschaften notwendig sind, war herausfordernd, aber die Ergebnisse waren lohnend“, lässt sich Professorin Emilia Morosan zitieren.
Speziell die Variante In₁⸝₂TaS₂ kristallisiert sich laut der Studie als ein „ideales Kramers-Knotenlinien-Metall“ heraus. Hier ist die KNL-Bande am sogenannten Fermi-Niveau – also dem entscheidenden Energiebereich für elektronische Eigenschaften – besonders gut isoliert und ausgeprägt.
Zudem führt die starke Spin-Bahn-Kopplung im Material zu einer deutlichen Aufspaltung der Energiebänder für Elektronen mit unterschiedlichem Spin, sobald sie sich von den Knotenlinien entfernen. Dies konnte das Team mittels Spin-ARPES – einer Methode, die Energie, Impuls und zusätzlich den Spin der Elektronen misst – detailliert nachweisen.
Vielversprechende Kandidaten für Spintronik und Co.
Das nun entdeckte InTaS₂ könnte am Ende Chips ermöglichen, die kaum noch warm werden, oder Datenspeicher, die nicht nur schneller, sondern auch deutlich energiesparender sind. Seine einzigartige Elektronenstruktur, insbesondere die starke Unterscheidung von Elektronen je nach ihrem Spin, ist eine Schlüsselzutat für die Spintronik. Und weil es auf atomarer Ebene bestimmte Symmetrien bricht, wie sie auch in Materialien mit einem „supraleitenden Diodeneffekt“ vorkommen, rücken gänzlich neue elektronische Bauteile in den Bereich des Möglichen.
Diese einzigartige Kombination von Eigenschaften macht das Material hochinteressant für zukünftige Anwendungen. „Unsere Arbeit liefert einen klaren Pfad, um neue Quantenmaterialien mit wünschenswerten Eigenschaften für zukünftige Elektronik zu entdecken und zu designen“, erklärt die Physikerin Ming Yi.
Das Team sieht Potenzial für verlustarme Elektronik und nachhaltigere Technologien. Konkret könnten solche Materialien die Entwicklung topologischer Supraleiter voranbringen, die als Basis für robuste Quantencomputer gehandelt werden. Heutige Quantencomputer kämpfen mit extrem empfindlichen Qubits. Das neu entdeckte Material InTaS₂ hingegen zeigt in Kombination mit seiner Supraleitung bei ultratiefen Temperaturen um ein bis zwei Kelvin Eigenschaften, die laut Theorie zur Bildung von besonders stabilen Majorana-Teilchen führen könnten – ein Hoffnungsträger für robustere, fehlertolerantere Qubits der Zukunft.
Yichen Zhang, Doktorand an der Rice University und einer der Ko-Erstautoren der Studie, betont: „Unsere Experimente deuten darauf hin, dass wir die Materialeigenschaften präzise anpassen können, um seine topologischen Merkmale hervorzuheben, was für zukünftige Anwendungen entscheidend ist“.
Präzise Experimente bestätigen theoretische Modelle
Die Forscher:innen untermauerten ihre experimentellen Beobachtungen, zu denen auch Quantenoszillationsmessungen in starken Magnetfeldern gehörten, mit detaillierten theoretischen Ab-initio-Berechnungen, die Materialeigenschaften direkt aus den Grundprinzipien der Physik ableiten. Diese bestätigten die experimentellen Daten und lieferten tiefere Einblicke in die elektronische Topologie des Materials.
Auch wenn der Weg bis zu einer kommerziellen Anwendung noch weit sein dürfte, zeigt die Studie eindrücklich, wie durch gezieltes Materialdesign neue physikalische Phänomene erschlossen und für technologische Visionen nutzbar gemacht werden können.
Der Forschungsbereich der topologischen Materialien bleibt damit ein extrem spannendes Feld. „Es gibt noch viel zu erforschen, und wir sind gespannt auf die zukünftigen Möglichkeiten, die dieses neue Material bietet“, resümiert Yuxiang Gao, ebenfalls Doktorand und Ko-Erstautor.