Sauberer Treibstoff aus Exkrementen: So stellt eine Mannheimer Kläranlage Methanol für Schiffe her

Die Schifffahrt klimaneutraler zu machen, ist immer noch ein langer Weg.
(Foto: Gerhard Roethlinger / Shutterstock.com)
Wie man aus Exkrementen „Gold“ machen kann, ist seit Kurzem in Mannheim zu beobachten. Das Startup ICODOS, das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und die Stadtentwässerung der Stadt Mannheim haben die örtliche Kläranlage nachgerüstet und in eine Produktionsstätte für grünen Schiffstreibstoff verwandelt. Aus den Abwässern und grünem Wasserstoff wird in der Demonstrationsanlage „Mannheim 001“ Methanol gewonnen – laut ICODOS-Angaben klimaneutral.
Die in Containern untergebrachte Technologie nutzt dazu CO₂, das in der Biogasanlage des kommunalen Klärwerks entsteht. In den beiden stählernen Faultürmen, die wie riesige, silbrige Vogeleier in den Himmel ragen, verwandeln Bakterien die Stoffe aus dem Abwasser nicht nur in Biogas zum Heizen, sondern eben auch in CO₂, das lange ein unerwünschtes Abfallprodukt war. „Die Technologie, mit der wir das Kohlendioxid aus dem Biogasgemisch extrahieren und in Methanol umwandeln, ist das Herzstück unseres neuen und patentierten Verfahrens“, sagt ICODOS-Gründer David-Andre Strittmatter.
E-Methanol aus CO₂
Das Gasgemisch wird dazu in ein Wasser-Methanol-Gemisch geblasen, in dem sich praktisch nur das CO₂ löst. Durch geeignete Temperatur-Druck-Kombinationen wird es anschließend wieder freigesetzt „und kann gleichzeitig mit Wasserstoff zu Methanol umgesetzt werden“, betont der Unternehmer. Diese Kombination der Prozessschritte sei bisher einzigartig. Und es gebe eine weitere Besonderheit. Denn als Produkt entstehe zunächst kein reines Methanol, sondern ein Methanol-Wasser-Gemisch. Davon werde nur ein Teil destilliert, um reines Methanol für den Schiffsbetrieb zu bekommen. „Der Clou ist, dass wir den anderen Teil des Gemischs wieder in den Prozess zurückführen, als Lösungsmittel für die CO₂-Entnahme. Dieses Hybridsystem regeneriert sich also kontinuierlich selbst.“

In einem Mannheimer Klärwerk kann seit Kurzem Methanol gezapft werden. Der Alkohol taugt unter anderem als Schiffstreibstoff und Rohstoff für die Chemieindustrie. (Foto: Karlsruher Institut für Technologie)
Bisher wird Kohlendioxid für die grüne Methanolproduktion üblicherweise über Membranen abgetrennt oder in Lösungen mit Stickstoffverbindungen chemisch gebunden. Einige Forschungsgruppen arbeiten zudem mit sogenannten metallorganischen Gerüstverbindungen, sogenannten MOFs, die CO₂-Moleküle in molekularen Gitterkäfigen aufnehmen und halten. Von einer neuen Methode, das Treibhausgas in schwammartigen Substanzen aus der Luft zu ziehen, um daraus E-Methanol herzustellen, berichtete kürzlich etwa das Startup Aerleum aus Frankreich.
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Mit Luft würde das ICODOS-Verfahren allerdings nicht funktionieren. Der CO₂-Gehalt darin beträgt nicht einmal ein Zwanzigstel Prozent. „Wir können Gasgemische nutzen, deren CO₂-Gehalt größer als zwei Prozent ist“, sagt Strittmatter. Aber auch dafür gebe es etliche weitere Quellen, etwa Biogas aus landwirtschaftlichen Abfällen oder Industriekläranlagen. Schlämme aus der Zellstoffproduktion und Abgase aus Zementwerken oder Müllverbrennungsanlagen seien ebenfalls geeignet, berichtet der Unternehmer. „Unser Fokus liegt aber derzeit auf den biogenen Quellen.“

Wertschöpfungskette von ICODOS. (Grafik: ICODOS)
Begrenztes Angebot an Wasserstoff
In der Mannheimer Demonstrationsanlage können laut ICODOS zwischen 15.000 und 17.000 Liter E-Methanol pro Jahr produziert werden. „Das reicht natürlich nur für kleine Schiffe“, räumt Strittmatter ein. Für größere Mengen brauche es viele solcher dezentralen Anlagen. Dann könnten künftig auch Container- oder Kreuzfahrtschiffe mit grünem Methanol aus der Kläranlage versorgt werden und die Chemieindustrie. Methanol ist ein wichtiger chemischer Rohstoff, als Lösungsmittel oder als Grundstoff etwa für Polymere, Harze und Lacke.
Beim Hochfahren der grünen Methanolproduktion helfen den Entwicklern weitere Anlagen in Frankreich, Spanien und Skandinavien. Die Technologie sei im Grunde beliebig skalierbar, sagt Strittmatter. Nur das Angebot an Gasgemischen dafür sei natürlich begrenzt und auch das Angebot an grünem Wasserstoff. Dessen Produktion verschlingt zudem eine Menge Energie. „Für eine Anlage im konventionellen Maßstab bräuchte man schon einen eigenen Windpark von vier bis fünf Gigawatt.“ Ob die E-Methanolproduktion aus Klärschlämmen Schule macht, hängt nicht zuletzt von der Wirtschaftlichkeit ab.