„Ich denke, dass zuerst die Hölle zufriert, bevor das Realität wird“

Letzte Woche machte die News Schlagzeilen, dass der Drogeriemarkt Schlecker zehn Jahre nach der Insolvenz zurückkommen soll. Doch dahinter steckt Branchenkenner:innen zufolge nicht viel mehr als heiße Luft – und ein fragwürdiger Investor. In der News-armen Zeit zwischen den Jahren gab es eine Pressemitteilung, die letzte Woche von vielen Medien dankbar aufgegriffen wurde. Die Nachricht: Die Drogeriemarktkette Schlecker soll zurückkommen, zehn Jahre nach ihrer spektakulären Insolvenz. T-Online titelte: „Schlecker kommt 2022 zurück! Comeback zehn Jahre nach Insolvenz“. Bei RTL hieß es: „Schlecker-Comeback: Drogeriemarkt-Kette wagt 2022 den Neuanfang“. ruhr24.de schrieb: „Schlecker plant 2022 Mega-Comeback: DM und Rossmann unter Druck“ und schreibt weiter: „Zehn Jahre nach der Insolvenz von Schlecker soll es schon 2022 ein Comeback der Drogerie geben. Das Angebot wird allerdings ein anderes sein.“ Das Angebot WIRD ein anderes sein. Dabei basiert die Nachricht bei genauerem Hinschauen auf wenig Konkretem. Schlecker hatte im Jahr 2012 Insolvenz angemeldet. Im Anschluss wurden Mitglieder der Schleckerfamilie zu Haftstrafen verurteilt und Tausende von Mitarbeiterinnen, bekannt als „Schlecker-Frauen“, verloren ihre Jobs. Auch ich war schon kurz davor, eine News über das Thema zu schreiben – wurde dann jedoch stutzig. Und zwar wegen der gewählten Worte, des Investors und der vielen offenen Fragen. Die Wortwahl Die Pressemitteilung wurde am 25. Dezember von Kitzventure herausgegeben und trägt den Titel: „MEGA COUP: Schlecker kommt zurück!“ Sie ist ein Feuerwerk großer Worte und Pläne, von fiesen Kommafehlern und holprigen Sätzen wie diesem einmal abgesehen: „Schlecker, war ein Unternehmen mit rund 6,55 Milliarden Euro Jahresumsatz und beschäftigte europaweit rund 47.000 Mitarbeiter, es war somit das größte Drogeriemarktunternehmen Europas.“ Herausgegeben wurde die Pressemitteilung von Patrick Landrock, der nicht nur der Geschäftsführer von Kitzventure ist, sondern auch als Pressekontakt genannt wird. Die Vision von Landrock mit der Neuauflage von Schlecker sei es, in Zukunft „kein reiner Drogeriemarkt mehr“ zu sein, sondern „auch stark mit Produkten des täglichen Bedarfs wie zum Beispiel Lebensmittel, Büro- und Geschäftsbedarfsprodukte sowie Baumarktartikel“ aufzutreten. Zudem solle es ein „Miet-Commerce“-Modell für Unterhaltungs- und Haushaltsgeräte geben. Möglich machen werde das eine „innovative Technologie-Plattform“, die Schlecker 2.0 sowohl online als auch im Filial- und Liefernetz einen Vorsprung ermöglichen werde, den „der Wettbewerb nur schwer wieder aufholen wird“. Landrock schreibt: „Es müssen sich also nicht nur die bestehenden Drogeriemarktketten sondern auch andere Händler warm anziehen, wenn der Dino, also ‚Schlecker‘, zurückkehrt.“ Der Investor Landrock ist in Stuttgart geboren und inszeniert sich auf Instagram gern mit Porsche und Helikopter als erfolgreicher Unternehmer. Auf Linkedin nennt er sich selbst einen Seriengründer und Investor aus Kitzbühel und Berlin. Weiter heißt es dort: „Seit meiner Jugend gründe, leite und berate ich Unternehmen und verfüge über ein gutes Netzwerk.“ Sein CV spiegelt das jedoch nicht wider: Von 2007 bis 2017 klafft eine Lücke in Landrocks Lebenslauf. Auf Nachfrage von Business Insider teilte Landrock mit, er sei in dieser Zeit „bei vielen Gründungen still im Hintergrund mit Kapital und Erfahrung involviert“ gewesen. Zu seinem Millionenvermögen sei er „durch verschiedene direkte und indirekte Beteiligungen in den letzten Jahren sowie anderweitige geschäftliche Aktivitäten“ gekommen. 2017 gründete Landrock Kitzventure. Das Angebot der Beteiligungsgesellschaft klingt ähnlich vage wie sein Lebenslauf. Kitzventure sei eine „international agierende Beteiligungsgesellschaft mit Beteiligungen an unterschiedlichen Startups und Unternehmen“. Des Weiteren böte das Unternehmen kleinen und mittelständischen Unternehmen bis hin zum Industriekonzern ihre Kompetenz in den Bereichen Digitalisierung, E-Commerce und Company-Building an. Schaut man unter dem Punkt Beteiligungen, so werden lediglich Schlecker, die Kitztrust GmbH sowie die Baron von Modrach GmbH genannt. Neben Landrock werden auf der Website vier Mitarbeiter:innen und ein Bürohund angeführt. In der Pressemitteilung über den Schlecker-Relaunch heißt es über Landrock: „Das Comeback und den Angriff plant kein geringerer als der erfolgreiche Kitzbüheler Unternehmer und Selfmade Millionär Patrick Landrock“, der „als eine der umstrittensten, streitbarsten und erfolgreichsten Persönlichkeiten der vergangenen Jahre“ gilt. Mit umstritten und streitbar ist wohl gemeint, dass aktuell ein Gerichtsverfahren wegen gewerbsmäßig schweren Betrugs gegen Landrock läuft. 2020 hatte die Staatsanwaltschaft bereits wegen vermeintlichen „Sachwuchers“ mit Corona-Schutzausrüstung gegen Landrock ermittelt, doch die Ermittlungen wurden eingestellt. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von PATRICK LANDROCK ® (@patrick.landrock) Offene Fragen Dabei bleiben viele Fragen offen. Zum Beispiel, woher das Geld für den aggressiven Relaunch von Schlecker kommen soll, der mehrere Hundert Millionen Euro kosten dürfte. Landrock schreibt dazu, dass er dafür „mit verschiedenen einflussreichen, internationalen Family-Offices als auch mit institutionellen Investoren in fortgeschrittenen Gesprächen“ stehe. Immerhin der Onlinebereich des Vorhabens sei schon „komplett durchfinanziert“, wie der Unternehmer dem SWR sagte. Auch sei noch nicht geklärt, ob der Markteintritt in Deutschland oder Österreich erfolgen solle. Was Landrock zufolge jedoch sicher sei, ist, dass Schlecker das nächste Einhorn wird. Er schreibt: „Schlecker wird so oder so zum Einhorn werden, also eine Unternehmensbewertung von mehr als einer Milliarden Euro erhalten.“ Ein Branchenexperte, der anonym bleiben möchte, äußert sich dazu per Mail: „Die PM ist meiner Einschätzung nach so schlecht, dass es fast als Satire durchgehen kann. […] Ich denke, dass zuerst die Hölle zufriert, bevor das Realität wird.“ Lohnenswert ist auch folgender Twitter-Thread zum Thema: [twitter 1476147955992346624] Zugutehalten kann man Landrock jedenfalls sein Timing: Durch die Veröffentlichung der Pressemitteilung am 25. Dezember waren wohl viele Redakteur:innen noch so eingenommen von Weihnachtsnostalgie, Glühwein-Müdigkeit und Food-Koma, dass sie das Thema dankbar aufgriffen. Aufmerksamkeit hat sich Landrock also gesichert – jetzt heißt es, den Worten Taten folgen zu lassen.

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