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Interview
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Viraler Aufreger: PETA spricht mit uns über das “Sexverbot für fleischessende Männer”

Es war einer der Aufreger der Woche. Die Tierschutzorganisation PETA hatte eine Studie ausgewertet und daraus eine sehr provokative Forderung abgeleitet – ein Sexverbot für fleischessende Männer.

5 Min. Lesezeit
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Daniel Cox. (Bild: Peta Deutschland e.V.)

In einer Veröffentlichung zeigt sich Daniel Cox von PETA kompromisslos. Er schreibt:

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„Wer kennt sie nicht, die mit Bierflasche und Grillzange hantierenden Vorstadt-Väter, die 70-Cent-Würstchen auf ihrem 700-Euro-Grill brutzeln. Die vom Besuch dazugelegte Zucchini wird mit Argwohn beäugt und nur widerwillig geduldet. Dass die ‚Grillmeister‘ Deutschlands sich selbst und ihren Artgenossen ihre Männlichkeit durch ihren Fleischkonsum glauben beweisen zu müssen, geschieht allerdings nicht nur zum Leidwesen der Tiere. Jetzt gibt es den wissenschaftlichen Beleg, dass toxische Männlichkeit auch dem Klima schadet. Deshalb wäre eine saftige Fleischsteuer von 41 Prozent für Männer angebracht. Auch ein Sex- oder Fortpflanzungsverbot für alle fleischessenden Männer wäre in diesem Kontext zielführend. Schließlich spart jedes nicht geborene Kind 58,6 Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr ein. Für alle noch Fleisch grillenden Väter, die sich dennoch Kinder mit einer lebenswerten Zukunft auf einem bewohnbaren Planeten wünschen, empfehlen wir den Wandel ihres Lebensstils durch die Teilnahme an unserem kostenlosen Veganstart-Programm.“

Dieses Statement schlägt seit Beginn hohe Wellen und wird im Blätterwald und in den sozialen Medien rege diskutiert. Wir hatten verschiedene Fragen an Daniel Cox, die er uns bereitwillig – sogar am Samstag – beantwortet hat. An seinem Engagement für die Sache der Tiere gibt es ganz klar keinen Zweifel:

t3n: Guten Tag, Herr Cox! Sie sind Kampagnenleiter bei der Tierschutzorganisation PETA. Ihre Organisation erhält aktuell viel mediale Aufmerksamkeit, weil sie in einer neuen Veröffentlichung ein „Fortpflanzungsverbot für fleischessende Männer“ vorschlägt. Dass diese Forderung bis in die Stammtische des Landes durchschlägt, musste Ihnen klar sein. Deshalb lautet unsere erste Frage: Meinen Sie das ernst?

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Cox: Wir haben bewusst eine polarisierende Formulierung gewählt. Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass der Ernährungsstil, den wir pflegen, nicht nur unendliches Leid bei den Tieren auslöst, denen für unseren kurzfristigen Genuss grausam die Kehle aufgeschlitzt wird und das bei mangelhafter Betäubung. Nein, unsere Ernährungsgewohnheiten befeuern auch massiv die Klimakatastrophe.

Wieso beschränkt sich Ihre Forderung auf Männer? Sind fleischessende Frauen ein geringeres Problem?

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In der Studie wurde festgestellt, dass Männer vor allem durch ihren Fleischkonsum deutlich mehr zur Klimakatastrophe beitragen als Frauen. Wäre es umgekehrt gewesen, hätten wir die Forderung entsprechend umgedreht. Für uns spielt es keine Rolle, wer das Klima schädigt oder Tiere quält, unser Ziel ist, dass das ein Ende hat.

Sie rechnen ungeborene Kinder gegen eingespartes CO₂ auf. Haben Sie Verständnis dafür, dass vielen das zynisch erscheint?

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Die grillenden, fleischessenden Männer zerstören die Lebensgrundlagen ihrer eigenen oder sogar noch ungeborenen Kinder und verursachen zu einem großen Teil das Leiden und den Tod von zwei Millionen Tieren pro Tag allein in Deutschland. Wir hoffen, dass die Menschen durch diese Forderung ihre Ernährung überdenken und vegan werden.

Inhaltlich stellt sich die Frage, was ein Fortpflanzungsverbot konkret erreichen könnte. Dass Fleischessen eine vererbliche Kondition ist, wäre mir neu.

Das Verbot wäre natürlich nicht durchsetzbar. Es soll nur verdeutlichen, dass wir, da wir vor dem Kollaps unseres Planeten stehen, Entscheidungen treffen müssen: Vor die Frage gestellt, weiter tierische Produkte zu konsumieren oder Kinder zu haben, werden sich nur die Wenigsten gegen Kinder entscheiden. Daher brauchen wir den Wandel hin zur pflanzlichen Ernährung.

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Gerade in den letzten 20 Jahren haben fleischessende Paare viele Kinder zur Welt gebracht, die sich später dazu entschieden haben, vegetarisch oder vegan zu leben. Führen Sie die Entwicklung hin zu mehr Vegetarismus auf die Arbeit Ihrer Organisation zurück? Und glauben Sie nicht, dass dermaßen plakativ vorgetragene Forderungen wie das Fortpflanzungsverbot die Menschen eher vor den Kopf stoßen, statt sie mitzunehmen?

Es gibt ohne Frage eine gesellschaftliche Entwicklung hin zu mehr vegetarischer und veganer Ernährung, aber der Anteil der Veganer:innen ist noch viel zu gering. Dabei ist es der schnellste, einfachste Hebel, den wir haben, die Klimakatastrophe abzuwenden.

20 Prozent der menschengemachten Treibhausgasemissionen stammen aus der Ernährung mit tierischen Produkten, das ist mehr als der Verkehrssektor. Ein E-Auto entwickeln, bauen, vermarkten dauert sehr lange. Die Ernährung kann jede:r von uns sofort umstellen. Dreimal pro Tag haben wir die bewusste Wahl: Essen wir etwas, das Leid und Tod von Tieren verursacht und das Klima ruiniert – oder nicht?

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PETA setzt sich für die Tiere ein. Für sie kämpfen und streiten wir jeden Tag. Daher setzen wir auch auf provokante Botschaften, um die Menschen und die Politik aufzurütteln, die überhaupt nicht handelt.

Was manche übersehen: Die Grundlage Ihres Vorschlags ist keine Studie, die Ihre Organisation selbst beauftragt hätte. Sie greifen bloß die Ergebnisse einer Untersuchung auf und ziehen Folgerungen daraus. Allerdings stammt die Studie bereits aus dem letzten Jahr und basiert auf einer nicht repräsentativen Befragung von nur 212 Menschen in Großbritannien, davon 127 Frauen und 85 Männer. Fleischesser waren 185 Personen. Diese Mängel im Studiendesign werden Ihnen sicherlich aufgefallen sein. Wieso nutzen Sie die Ergebnisse so unkritisch?

Wir sehen in der Studie vor allem einen dringend benötigten Denkanstoß, den eigenen Konsum zu überdenken: Will ich für flüchtigen Genuss, für zehn Minuten Gaumenkitzel, wirklich Leid, Qual und Tod von Tieren in Kauf nehmen und dabei unser aller Lebensgrundlagen vernichten – oder gibt es nicht auch einen anderen Weg?

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Eine der besten Methoden, Tierleid im „Produktionsprozess“ zu vermeiden, wären doch mindestens strengere Tierschutzgesetze und deren Kontrolle. Wo steht Deutschland in dieser Frage und wofür setzen Sie sich mit welchem Erfolg ein?

Die Politik muss dringend die Rahmenbedingungen für eine Ernährungswende schaffen und hier sind wir in regelmäßigem Austausch mit den Entscheidungsträger:innen. Möglich wären aus unserer Sicht ein ganzes Bündel von Maßnahmen. Wir könnten über Ausstiegsprogramme die Tierbestände sofort reduzieren. Wir könnten die Mehrwertsteuer auf pflanzliche Produkte, Obst und Gemüse abschaffen und eine höhere Mehrwertsteuer auf tierische Produkte wie Fleisch, Milchprodukte, Eier und Fisch verlangen.

Wir müssten das Personal zur Kontrolle von Betrieben und Schlachthöfen in den Veterinärämtern massiv aufstocken. Es kann ja nicht sein, dass etwa in Bayern nur alle 47 Jahre mal das Veterinäramt vorbeikommt, um den Betrieb zu kontrollieren. Nicht zuletzt bräuchten wir ein besseres Tierschutzgesetz, dass rigorose Strafen bei Verstößen vorsieht.

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Vorletzte Frage: Essen Sie selbst Fleisch und wenn ja, worauf achten Sie beim Einkauf?

Ich bin seit 25 Jahren Vegetarier und seit 10 Jahren Veganer.

Können wir letztlich festhalten, dass Ihre Forderung das ist, was man als Marketingstunt bezeichnet? Wollten Sie vor allem die Aufmerksamkeit generieren, die Sie tatsächlich generiert haben? Würden Sie eine gewisse Selbstkritik üben wollen?

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Mit unserer überspitzten Forderung nach dem „Sexverbot“ haben wir Reichweite für die Anliegen der Tiere bekommen, deren Stimmen sonst nicht gehört werden. Darauf kommt es an: Den Menschen immer wieder vor Augen zu führen, was sie den Tieren jeden Tag aufs Neue antun. Dann werden sie sich ändern.

Herr Cox, vielen Dank für dieses Gespräch!

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3 Kommentare
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Durchwinker

Die PETA lebt davon, dass die Allgemeinbevölkerung zu blöd ist, um diese Provokation einordnen zu können und es für bare Münze nimmt. Leider sind viele Veganer selbst aber auch nicht in der Lage, die Sache richtig zu verstehen und so nehmen es alle ernster, als es ist.

Antworten
Florian

Wie kann man dem Typ noch ein schönes Wochenende wünschen? :-P

Antworten
Tobias Abc

Wie man sieht hat der Herr ja auch nicht viel Ahnung von den Gesetzen und fordert Dinge die nicht möglich sind.
Das Thema mit der Mehrwertsteuerbefreiung gab es neulich beim Gas und ist laut EU recht nicht möglich.
Es schlussfolgere ich daraus?!
1. schlechte Recherche von Herrn Cox um Forderungen zu stellen.
2. er verdient bei PETA so viel, dass das Thema Gas kosten ihn bisher nicht interessiert hat ;)

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