Startup will Atommüll in harmlosere Stoffe umwandeln – doch es gibt noch Hürden

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Die Meldung liest sich fast zu schön, um wahr zu sein. Experten der TU München und des TÜVs bescheinigen dem Schweizer Startup Transmutex, dass sein Verfahren zur Umwandlung von hoch-radioaktivem Atommüll (Transmutation) technisch und wirtschaftlich machbar ist. Laut der Studie sei es möglich, solch eine Anlage bis 2035 in Betrieb zu nehmen. Die Untersuchung zur Machbarkeit der Transmutationsanlage wurde von der Bundesagentur für Sprunginnovationen Sprin-D in Auftrag gegeben. In einem Fact Sheet zu dieser Technologie kam das Bundesamt für Sicherheit der nuklearen Entsorgung noch 2024 allerdings zu einer sehr viel pessimistischeren Einschätzung. Um die verschiedenen Einschätzungen besser einordnen zu können, ist es nötig zu wissen, wie das Startup Transmutex vorgeht.
Was ist Transmutation?
Bei der Transmutation wird giftiger, hoch-radioaktiver Atommüll mit schnellen Neutronen beschossen. Dabei werden die Stoffe, die eigentlich mindestens 10.000 Jahre sicher von der Umwelt isoliert werden müssten, in harmlosere Elemente aufgespalten. Bereits nach wenigen Hundert Jahren wäre deren Strahlung durch den natürlichen radioaktiven Zerfall so weit abgeklungen, dass der Abfall als weitgehend ungefährlich gelten könnte. Soll heißen: keine überquellenden Zwischenlager, kein Streit um Endlager. Mit einem Schlag wäre die Atomwirtschaft eines ihrer drängendsten Probleme los. Zu schön, um wahr zu sein.
Die Idee ist nicht neu. 2012 hat MIT Technology Review Forscher:innen im belgischen Mol besucht, die ebenfalls an solch einem Verfahren arbeiteten. Damals sollte, nach erfolgreichen Vorversuchen, dort ein Transmutationsreaktor entstehen. Der Baubeginn dieser Anlage verzögerte sich jedoch bis 2024.
Ist Transmutation ungefährlich?
Transmutex würde sagen: Na, klar. Bei näherem Hinsehen hat das Verfahren aber ein paar Haken und Ösen.
Die grobe Idee ist folgende: Ein Beschleuniger bringt Ionen, also Atome, denen ein Elektron fehlt, mit bis zu 600 Millionen Volt auf hohe Geschwindigkeiten und schießt sie dann auf ein massives „Target“ aus Metall oder schwerem Wasser im Inneren des Reaktors. Bei dem Zusammenstoß der beschleunigten Teilchen mit den Atomkernen des Targets werden Neutronen aus dem Target herausgeschlagen. Diese schnellen Neutronen treffen dann auf die gefährlichen, langlebigen radioaktiven Stoffe im Atommüll und spalten sie.
Unterkritischer Reaktor
Bei einer Kernspaltung werden zusätzliche Neutronen frei. Die widerum spalten weitere Atomkerne. Damit keine unkontrollierte Kettenreaktion entsteht, darf zum einen der aufbereitete Atommüll nicht zu dicht gepackt werden. Zum anderen darf der Beschleuniger immer nur soviel Neutronen nachliefern, dass der Reaktor „unterkritisch“ bleibt. Damit der Prozess nicht aus dem Ruder läuft, müssen die Techniker jederzeit wissen, wie nah der Reaktor an dieser Grenze ist, ob etwa die sogenannte Kritikalität sinkt oder gar im Begriff ist zu steigen – und den Neutronenfluss entsprechend steuern.
Aufbereitung des Atommülls
Der zweite Haken ist: Man kann nicht einfach abgebrannte Brennelemente aus Atomkraftwerken nehmen und im Transmutationsreaktor behandeln. Damit der Prozess effizient und sicher abläuft, müssen zuerst die langlebigen Elemente aus den Brennstäben herausgetrennt und aufkonzentriert werden.
Diese „Partitionierung“ – ist technisch und politisch umstritten. Denn die chemischen Verfahren dafür wurden im Rahmen der „Wiederaufarbeitung“ von abgebrannten Brennelementen entwickelt, beispielsweise im französischen La Hague. Dort wurden Plutonium und Uran aus verbrauchten Brennelementen abgetrennt, um sie in sogenannten Mischoxid-Brennelementen erneut als Brennstoff verwenden zu können. Dabei fällt unter anderem zwischendurch auch waffenfähiges Plutonium an.
Transmutex hat nach eigenen Angaben ein elektrochemisches Verfahren entwickelt, das sehr viel sicherer ist, und bei dem kein waffenfähiges Material anfallen soll. Das Verfahren soll nach Angaben des Unternehmens großtechnisch umsetzbar sein. Selbst wenn das stimmt, müssten aber auch in diesem Fall die heißen, hoch-radioaktiven abgebrannten Brennstäbe aus den abgeschirmten Behältern genommen, zerlegt und bearbeitet werden.
Aufarbeitung des Atommülls: in AKWs oder Zwischenlagern
Die Idee ist daher, die Anlagen entweder in einem der 16 Zwischenlager für Atommüll in Deutschland zu bauen, oder einem stillgelegten Atomkraftwerk. Laut der Studie wäre bereits die erste Demonstrationsanlage „hochrentabel“, denn Transmutex will bei der Aufarbeitung der Brennelemente für die Industrie wertvolle Stoffe wie Xenon und Krypton abtrennen und radioaktive Isotope von Cäsium und Strontium gewinnen, die unter anderem als sogenannte Radioisotope in der Medizin verwendet werden.
Das Unternehmen könnte nach eigenen Angaben mit dem Bau eines Teilchenbeschleunigers bereits 2026 beginnen. Um die vollständige Anlage zu bauen, müsste allerdings auch das Atomgesetz geändert werden, denn derzeit ist die Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente in Deutschland verboten.