Startup-Check: 6 Startups, die wir spannend finden

Vom Startup gegen Handysucht bis zur Schwerelosigkeit für die Forschung: In jedem t3n Magazin stellen wir spannende Jungunternehmen aus dem deutschsprachigen Raum vor. Diesmal mit dabei: Not Less But Better aus Berlin, Priwatt aus Leipzig und Yuri aus Meckenbeuren. Ob Solaranlagen für den Balkon, Hilfe gegen die Handysucht oder ein smartes Tool fürs Onlineshopping: In Deutschland schießen immer wieder neue, spannende Startups aus dem Boden. [tableofcontents] Yuri: Schwerelosigkeit für die Forschung Bislang ist der Zugang zum All komplex, teuer und langwierig. Um mehr Experimente in der Schwerelosigkeit möglich zu machen, hat das 2019 gegründete Spacetech Yuri aus Meckenbeuren in Baden-Württemberg ein Minilabor in Würfelform entwickelt. Es ist nur wenige Zentimeter groß, universell einsetzbar und wiederverwendbar. Interessant soll die Lösung insbesondere für die Forschung und kommerzielle Anwendungen sein, etwa in der Pharmaindustrie, der Biotechnologie oder der Materialforschung. Das Angebot fängt bei 2.000 Euro für ein gemietetes Simulationsgerät für die Erde an und reicht bis zu einer Million Euro für ein Experiment auf der Internationalen Raumstation ISS, je nach Komplexität. Neben Großaufträgen von Weltraumorganisationen wie Nasa, Esa oder DLR in Millionenhöhe konnte Yuri bereits Investor:innengelder in siebenstelliger Millionenhöhe einsammeln. Benannt ist das Startup nach Juri Gagarin, dem ersten Menschen im All. Unser Urteil: Der „Lab as a Service“-Ansatz von Yuri ist vielversprechend und kann zu neuen Durchbrüchen in Wissenschaft und Forschung führen, zum Beispiel in der Stammzellenforschung. Denn in der Schwerelosigkeit entwickeln sich Zellen anders als auf der Erde. Auch Tierversuche könnten durch in der Schwerelosigkeit gezüchtete Organoide künftig überflüssig werden. Not Less But Better: Gegen die Handysucht [caption id="attachment_1497453" align="alignnone" width="266"] (Abbildung: NLBB)[/caption] Das Berliner Startup Not Less But Better will Handysucht heilen, indem die gleichnamige App problematische Nutzungsmuster erkennt und in Echtzeit entsprechende Interventionen durchführt. Das Programm basiert auf der kognitiven Verhaltenstherapie und wurde gemeinsam mit Mentor:innen der Charité Universitätsmedizin und der Freien Universität Berlin entwickelt. Im März gab das neunköpfige Team ein Pre-Seed-Investment im sechsstelligen Bereich bekannt. Die App ist in Apples App-Store erhältlich, die Android-Version soll Ende des Jahres folgen. Unser Urteil: Herkömmliche Apps können es bislang nicht ausreichend leisten, Nutzer:innen vor zu viel Screentime zu schützen. Bleibt die Frage, ob eine weitere App wirklich dabei helfen kann, Handysucht zu heilen. Der „Gleiches mit Gleichem heilen“-Ansatz ist ja bereits in der Homöopathie umstritten. Marta: Pflege as a Service „Wir machen 24-Stunden-Pflege für alle zugänglich und bezahlbar“, lautet das Versprechen des Berliner Startups Marta, das seit 2020 eine Plattform zur direkten Vermittlung von osteuropäischen Pflegekräften an Betreuungssuchende anbietet. Ein Algorithmus bringt dabei beide Parteien gleichberechtigt nach Bedarf und Vorlieben zusammen. Kosten der Pflegekraft: 1.900 bis 2.900 Euro im Monat, je nach Erfahrung und Kenntnissen. Für zusätzliche Sicherheit können sich beide Seiten gegenseitig bewerten. „Wir haben in der häuslichen Betreuung einen extrem ineffizienten Teil des Pflegemarktes gesehen“, sagt Mitgründer Philipp Buhr über eine Pflegeerfahrung in der eigenen Familie. Seine Vision: das Leben im Alter zu Hause zu erleichtern. Um das zu erreichen, hat das Startup Venture-Capital aufgenommen – über die genaue Höhe äußert sich Marta nicht. Derzeit wird Marta von einem Kund:innenstamm im dreistelligen Bereich genutzt. Unser Urteil: Innovationen in der Pflege sind dringend notwendig, vor allem mit Blick auf den demografischen Wandel. Schade nur, dass das „faire Pricing“ auf Niedriglöhner:innen aus Osteuropa aufbaut. Saiz: Smarter Größenfinder fürs Onlineshoppen Das Berliner Startup Saiz baut seit 2021 an einem neuen, smarten Tool fürs Onlineshopping. Das Ziel: Menschen finden besser passende Kleidung und retournieren weniger. „Wir konnten einfach keine guten Sizing-Lösungen am Markt finden“, sagt Co-Founderin Marita Sanchez de la Cerda über ihre Gründungsidee. „Somit haben wir unsere eigene entwickelt.“ Gemeinsam mit Svenja Tegtmeier führt sie seit 2019 das Business-Fashion-Label Saenguin. Die Pre-Seed Runde für Saiz wurde im Dezember 2021 abgeschlossen – das Angel-Board ist fast ausschließlich weiblich. Die Zusammenarbeit mit den ersten Brands läuft bereits. Unser Urteil: Retouren belasten das Geschäft von Onlinehändler:innen: Im Jahr 2021 wurden rund 15 Prozent der online bestellten Waren zurückgeschickt. Im Fashion-Bereich ist der Anteil noch höher, da oft mehrere Größen bestellt werden. Der KI-basierte Ansatz von Saiz ist vielversprechend – vor allem, da die Gründerinnen mit ihrem eigenen Label selbst zur Zielgruppe gehören. Priwatt: Solarstrom vom Balkon [caption id="attachment_1497450" align="alignnone" width="620"] (Abbildung: Priwatt)[/caption] Das Leipziger Energie-Startup Priwatt will mit steckerfertigen Mini-Solaranlagen für Balkon oder Vorgarten die private Energiewende für alle ermöglichen. Der erzeugte Strom fließt automatisch zu den eigenen Haushaltsgeräten. Was nicht selbst verbraucht wird, wird ins Stromnetz eingespeist – allerdings ohne Kompensation. Der Preis für eine Mini-Solaranlage startet bei 400 Euro. Inzwischen beschäftigt das im August 2020 gegründete Unternehmen rund 30 Mitarbeiter:innen. Bislang wurde Priwatt mittels Darlehen und Ressourcen der Marketingagentur von zwei der drei Gründer finanziert. Eine erste Series A steht für das vierte Quartal 2022 an. Unser Urteil: Durch die Mini-Solaranlagen von Priwatt können Mieter:innen und Hauseigentümer:innen einfach und kostengünstig Solarstrom erzeugen. Um den Strom auch zu verwenden, wenn die Sonne nicht scheint, ist allerdings ein zusätzlicher Speicher erforderlich. Mit rund 2.000 Euro Anschaffungskosten ist die energetische Unabhängigkeit auf einmal nicht mehr so günstig. Getquin: Social Network für Finanzen Aktien, ETF, Krypto … Mittlerweile scheint es eine endlose Zahl an Investmentmöglichkeiten zu geben – da wird die Finanzbildung von Menschen immer wichtiger. Hier setzt Getquin an. Gestartet mit einem Investmenttracker im Jahr 2020, hat das inzwischen 50-köpfige Berliner Team 2021 damit begonnen, sein Angebot um ein soziales Netzwerk zum Thema Finanzen zu erweitern. Inzwischen hat die App nach eigenen Angaben über 150.000 Nutzer:innen – vom blutigen Investitionsanfänger bis zur erfahrenen Börsianerin. Nach der ersten Seed-Runde, bei der ein einstelliger Millionenbetrag eingesammelt wurde, befindet sich das Fintech derzeit in der Series-A-Finanzierungsrunde. Unser Urteil: Die Idee, Finanzbildung für alle einfacher und sozialer zu machen, ist gut. Bei der Umsetzung ist entscheidend, dass sowohl die Themen Datenschutz als auch die API-Schnittstellen zu anderen Brokern up to date und vollständig sind. Die Social-Media-Komponente könnte Investor:innen untereinander anfeuern und zu Zockerei führen.