Macht viele Forscher „sehr traurig“: Theorie vom sich ausdehnenden Universum bestätigt
Im Juli 2019 sollte es so weit sein: Das Weltraumteleskop Erosita (steht für: extended Roentgen Survey with an Imaging Telescope Array) startete an Bord des russischen Satelliten Spektrum-RG. In den letzten Jahren fertigte das Teleskop Röntgenbilder zahlreicher Galaxien an.
Wissenschaftler:innen des deutschen Erosita-Konsortiums unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Extraterrestrische Physik (MPE) haben nun die Ergebnisse der ersten Röntgen-Himmelsdurchmusterung des Weltraumteleskops Erosita veröffentlicht.
Die Mission hat zu präzisen Messungen der Gesamtmenge der Materie im Universum geführt und untermauert vorherrschende Theorien über die Expansion des Weltalls.
Gleiches Kosmologisches Modell – seit dem Urknall bis heute
„Erosita sagt uns, dass sich das Universum während der gesamten kosmischen Geschichte verhalten hat wie erwartet“, wird Vittorio Ghirardini, Postdoktorand am MPE und verantwortlich für die kosmologische Studie, in einer Pressemitteilung zitiert. „Es gibt keine Spannungen mit dem CMB – vielleicht können sich die Kosmologen jetzt ein wenig entspannen.“
Gegenüber Science spitzte Ghirardini diese Aussage noch zu. So würden die neuen Erkenntnisse „viele Theoretiker sehr traurig stimmen“, die natürlich „gerne etwas Neues entdeckt“ hätten.
Durch die Röntgenaufnahmen konnten etwa 12.000 „Galaxiehaufen“ gefunden werden, die zu den größten Strukturen im Universum gehören. Aus den gezielt gesuchten – und auch gefundenen Galaxiehaufen können die Forschenden Rückschlüsse über die Zusammensetzung des Universums ziehen.
Dabei zeigen die „kosmologischen Parameter“, die das Team in den Galaxiehaufen gemessen haben, dass „das gleiche kosmologische Modell von kurz nach dem Urknall bis heute gilt“, so Esra Bulbul vom MPE.
Dunkle und sichtbare Materie machen 29 Prozent der Energiedichte aus
Nach dem sogenannten Lambda-Cold-Dark-Matter-Modell bestand das Universum in seinen jüngsten Jahren aus einem Meer aus Photonen und Teilchen. Die Beobachtungen der Galaxienhaufen durch das Erosita-Teleskop zeigen, dass alle Arten dunkler und sichtbarer Materie zur Zeit 29 Prozent der Gesamt-Energie-Dichte des Universums ausmachen. Dieser Wert stimmt mit einer sehr hohen Genauigkeit mit den Ergebnissen vorheriger Berechnungen überein.
Erosita hat sich außerdem an der Suche nach der Masse von sogenannten Neutrinos beteiligt. Dabei handelt es sich um winzig kleine Teilchen, die der Urknall hervorgebracht hat.
Aufgrund der Tatsache, dass Neutrinos selten mit anderen Teilchen wechselwirken, ist die Messung ihrer Masse äußerst schwierig. Da sie aber im gesamten Weltall vorkommen, beeinflusst ihre Schwerkraft die Verteilung der Materie. Auch die Werte dieser Messungen stehen im Einklang mit den Schätzungen des Erosita-Teams.
„Es mag paradox klingen, aber wir haben durch die Häufigkeit der größten Halos aus dunkler Materie im Universum enge Grenzen für die Masse der leichtesten bekannten Teilchen gefunden“, so Ghirardini.
Veröffentlichung der ersten 2,5 Forschungsjahre in den nächsten zwei Jahren
Die Erosita-Forscher:innen hoffen, die Genauigkeit der Messungen noch weiter verbessern zu können. In zwei Jahren sollen wahrscheinlich die restlichen Daten veröffentlicht werden, die in den ersten 2,5 Jahren des Beobachtungszeitraums gesammelt wurden.
Die Ergebnisse von Erosita sind ein Vorgeschmack auf die Daten, mit denen sich auch andere Institutionen in ein paar Jahren auseinandersetzen können. Denn auch in Zukunft sollen groß angelegte Durchmusterungen des Universums stattfinden – daran beteiligt sind unter anderem auch das europäische Weltraumteleskop Euclid und das Vera C. Rubin Observatory.