Social-Media-Experten haben bereits Zugang zu der neuen Länge erhalten. Tiktok teste die Option zunächst bei ausgewählten Nutzern, heißt es aus Fachkreisen. Bisher durften Schöpfer nur Videos mit einer Maximallänge von 60 Sekunden auf das Portal laden. Damit vervielfacht die Kurzvideo-Plattform die Länge ein weiteres Mal. Ursprünglich waren 15-Sekunden-Clips vorgesehen. Später erlaubte der Betreiber bis zu vier davon aneinanderzureihen, um bis zu 60 Sekunden zu erreichen. Unbekannt ist, ob die Drei-Minuten-Filmchen auch aneinandergereiht werden dürfen. Wäre das der Fall, würde Tiktok zu der alten Begrenzung von Youtube vorstoßen, wo die Videos einst kürzer als 10 Minuten waren.
Verliert Tiktok damit seinen ursprünglichen Charakter?
Die schrittweise Ausdehnung sehen Beobachter zwiegespalten. Zum einen können längere Beiträge mehr Informationen enthalten und somit neue Nutzungsformen erschließen. Promos, Tutorials sowie Leitfäden werden genannt. Auf der anderen Seite gehöre die besonders kurze Zeit zu dem Alleinstellungsmerkmal der Plattform. Schöpfer müssen sich bisher genau überlegen, wie sie in dieser Spanne Aufmerksamkeit erregen und Informationen beziehungsweise Unterhaltung unterbringen.
Als Beispiel für eine gelungene Transformation von Beitragslängen führen die Experten Twitter an. 2017 verdoppelte der Kurznachrichtendienst die erlaubte Zeichenanzahl. Auch seinerzeit erhoben sich Stimmen, die meinten, das schade der Plattform und die Tweets verlören an Prägnanz, die Plattform an Charakter. Im Nachhinein haben sich die Unkenrufe nicht bewahrheitet. Twitter erfreut sich weiter hoher Beliebtheit und hat seine Schlüsselmerkmale nicht eingebüßt.
Die Plattformen ähneln sich immer mehr. Fast alle Dienste haben Storys eingeführt, selbst der Streaming-Dienst Spotify arbeitet daran. Auch die Längen von Videobeiträgen passen sich einander an. Während Instagram Reels herausgebracht hat, um den Kurzvideos von Tiktok Paroli zu bieten, nähern sich nun Tiktok und Youtube an. Der Kampf um die Zeit des Publikums geht weiter. Tests und die Zukunft werden zeigen, ob die Technologiegiganten mit der Verwässerung der Plattform-Kerne den richten Weg gehen.
Raimund Schesswendter