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Ratgeber

Tools für moderierte Usability-Tests während und nach Corona

Moderierte Usability-Tests liefern qualitative und fundierte Einblicke zur Usability des eigenen Produkts. Spätestens seit Corona müssen sie auch online funktionieren. Unser Gastautor stellt euch die besten Tools dafür vor.

Von Jens Pacholsky
5 Min.
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Usability-Tests online durchführen? (Foto: YP_Studio/Shutterstock)

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Früher hieß es „Schwerter zu Pflugscharen“, durch Corona „Großraumbüros zu Apartments“. Und bei Jobantritt gibt es Avatar-Gutscheine statt Arbeitskleidung. Ganz so weit sind wir zwar noch nicht, der Trend dieser Tage ist aber eindeutig: Homeoffice ist der neue Modus Operandi. Zukünftig findet mehr Arbeit virtuell statt. Damit müssen sich Produktmanager und Entwickler digitaler Produkte auch neue Wege erschließen, die moderierten Usability-Tests online zu realisieren. Sinnvoll war das bereits vor Corona. Online durchgeführte Usability-Tests sparen immerhin mehr als 50 Prozent gegenüber Inhouse-Tests.

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Produktmanager und Entwickler scheinen dennoch zu hadern. Das zeigte im April ein Panel des Berufsverbands der Deutschen Usability und User Experience Professionals (German UPA). Dort wurde angeregt diskutiert, wie die Funktionalität von Inhouse-Tests (Interaktion, Lenkung der Testpersonen, Dokumentation der Beobachtungen, Datenschutz) auch über Online-Tools verwirklicht werden kann.

Der typische Ansatz: Konferenz-Tools

Sehr verbreitet bei Produktmanagern und Entwicklern sind klassische Konferenz-Tools wie Zoom, Microsoft* Teams, Google Hangout, Webex*, Skype*, Wire, Teamviewer und Whereby. Sie werden meist schon intern genutzt.

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Trotz Screensharing und Aufnahmefunktion eint jedoch alle Konferenz-Tools: Sie wurden nie für die Anforderungen von Usability-Tests programmiert. Sie bilden damit Behelfslösungen, denen grundlegende Funktionen für Usability-Tests fehlen. So müssen Testpersonen selbst rekrutiert, verifiziert und eingeladen werden. Hinzu kommen umständliche Datenschutzregeln, die mit den Testpersonen schriftlich vereinbart werden müssen. Last but not least: Die Testergebnisse und Aufzeichnungen können nur schwer in die eigene Testinfrastruktur integriert werden. Die Aufbereitung ist entsprechend aufwendig.

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Die Spezialisten: Online-Tools für moderierte Tests

Spezialisierte Lösungen für moderierte Online-Tests bieten die Grundfunktionen der Konferenz-Tools. Sie ergänzen sie jedoch um Funktionen eines ordentlichen Usability-Tests wie Timestamped Notes, Highlight-Video, Dokumentation der Geräteinformationen sowie das Tester-Recruiting. Bekannte Anbieter sind die US-amerikanischen Unternehmen Lookback und Validately sowie das deutsche Unternehmen Rapid Usertests, hinter dem die Usability-Agentur Userlutions aus Berlin steckt.

Timestamped Notes erlauben die zeitgenaue Dokumentation von Notizen. Die Mitschriften werden dabei direkt im Video integriert. Dadurch können Notizen im Kontext des Testmoments ausgewertet werden. Mit Highlight-Videos können die wichtigsten Momente aus der Aufnahme zusammengefasst und mit dem Team geteilt werden. Schließlich will sich im anschließenden Workshop niemand durch Stunden von Testvideos kämpfen. Die Dokumentation der Geräteinformationen ist relevant, um einordnen zu können, auf welchen Geräten, Betriebssystemen und Browsern die Testpersonen die Tests durchführen. Alle drei Anbieter stellen diese Funktionen zur Verfügung.

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Recruiting umfasst das Auswählen und Anwerben der Testpersonen. Dieser Prozess ist der zeitintensivste Schritt bei Usability-Tests. Schließlich sollen nur Personen teilnehmen, die der Zielgruppe entsprechen. In dieser Funktionalität unterscheiden sich die Anbieter am stärksten. Validately schränkt in den unteren Preiskategorien die Anzahl der Auswahlkriterien mit gerade einmal zwei Screening-Fragen stark ein. Im Vergleich: Typischerweise werden über 60 verschiedene Kriterien bei der Auswahl passender Testpersonen herangezogen! Das Recruiting wird unter solch einer starken Einschränkung entsprechend leiden. Erst ab knapp 12.000 US-Dollar im Jahr haben Kunden vollen Zugriff auf alle Kategorien. Im Unterschied dazu bietet Rapid Usertests in jedem Preismodell vollen Zugriff auf ihr Panel mit über 30.000 Testern. Lookback wiederum wickelt das Recruiting über Partner ab. Die Recruiting-Kosten müssen Unternehmen bei Lookback entsprechend zusätzlich aufbringen. Grundsätzlich empfiehlt sich ein Anbieter mit eigenem Testerstamm. Zum einen können Unternehmen aus einer Vielzahl bereits validierter Testpersonen auswählen, und zum anderen ersetzen die Anbieter ausfallende Testpersonen umgehend, sodass keine Lücken oder Verzögerungen entstehen.

Beim Thema Recruiting und Nutzung von Online-Tools spielt seit 2018 der Datenschutz (DSGVO) eine wichtige Rolle. Wer seine eigenen Tester anwirbt, muss sich – genau wie bei der Nutzung von Konferenztools – um die schriftliche Einverständniserklärung kümmern. Rapid Usertests und Validately liefern als einzige Spezialisten die Tester gleich mit und nehmen Unternehmen damit das rechtlich komplexe Thema ab. Davon abgesehen bleibt Datenschutz bei US-amerikanischen Dienstleistern nach wie vor ein heikles Thema. So wirbt Lookback für europäische Kunden mit Servern in Irland und einer Selbstverpflichtung zum EU/US Privacy Shield. Sie weisen im Kleingedruckten dennoch darauf hin, dass personenbezogene Daten (Namen, E-Mails, IP-Adressen) mit Servern in den USA ausgetauscht werden können. Zudem werden individuelle Datenschutzerklärungen erst im teuren Enterprise-Paket angeboten. Umfassenden Datenschutz bietet schließlich nur das deutsche Unternehmen Rapid Usertests. Die Server stehen in Deutschland. Mit jeder Testperson wurde bereits eine Einverständniserklärung abgeschlossen. Testende Unternehmen müssen sich somit um nichts kümmern.

Schlussendlich unterscheiden sich die Spezialisten auch in der Preisstruktur. Validately spricht mit Jahresaboverträgen zwischen 3.600 und 12.000 Dollar vorrangig Konzerne an. Auch Lookback setzt auf Jahresabos, ist mit 588 und 1.188 Dollar aber auch für Mittelständler erschwinglich. Jedoch kann der Endpreis deutlich höher ausfallen, denn: Nicht nur bezahlen Unternehmen bei Lookback für mehr Datenschutz drauf, sie müssen auch das zeit- und kostenintensive Recruiting zusätzlich bezahlen. Rapid Usertests ist der einzige Anbieter, bei dem Projekte einzeln und nach Bedarf gebucht (und bezahlt) werden können. Gestaffelt wird nach Länge der Sessions und Anzahl der Tester. Die Preise starten bei 39 Euro je Tester, empfehlen sich also gerade für kleinere bis mittlere Testszenarien.

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Die Sidekicks – passende Ergänzungen für mehr Funktion

Zusätzlich zu den spezialisierten Usability-Anbietern empfehlen sich verschiedene Onlineprodukte für Usability-Workshops. Die können in Kombination mit den Test-Tools genutzt werden.

Für das initiale Brainstorming lohnen sich Miro* oder Conceptboard. Beide bieten viele Gestaltungsmöglichkeiten. Conceptboard gewährleistet mit deutschen Servern bessere DSGVO-Sicherheit. Optimalsort bietet eine Oberfläche für das Card-Sorting. Entwickler können damit logische und gebrauchstaugliche Navigations- oder Menüstrukturen entwickeln. Die daraus abgeleiteten quantitativen Ergebnisse können nachfolgend über moderierte Online-Usability-Tests qualitativ validiert werden. Für das Prototypen-Sharing haben sich Adobe XD* und Invision bewährt. Auch wenn beide Tools noch immer Schwächen aufweisen (unter anderem eine verhältnismäßig schlechte Auflösung beim Sharing), bieten sie sinnvolle Funktionen wie Freigabe-Modus für Kundenfeedback und Kollaboration im Handoff-Modus.

Fazit: So lassen sich Usability-Tests online durchführen

Mit spezialisierten Lösungen können Entwickler und Produktmanager vollwertige Usability-Tests auch online umsetzen. Die Testpersonen sollten wie bei Rapid Usertests und Validately vom Anbieter bereitgestellt werden. Dadurch wird der Aufwand massiv reduziert und die Qualität der Ergebnisse durch passgenaue Auswahl gesteigert. Für das leidige Thema Datenschutz sollte stets das Kleingedruckte gelesen werden – oder man vertraut direkt auf deutsche Server.

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Damit steht dem Zeitalter des Homeoffice auch im Bereich Usability-Tests und -Forschung nichts mehr im Weg.

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Kommentare (1)

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Torsten Bartel

Lieber Jens,

vielen Dank für deinen Beitrag.

Ich war einer der Teilnehmer an o.g. Paneldiskussion. Da hat sich wirklich was getan in den letzten Monaten. Vor allem die Bereitschaft der Unternehmen, remote mal auszuprobieren.

Ein kleiner Fehler ist mir aufgefallen: Auch Lookback bietet eine monatliche Zahlungsweise an (59 USD/ Monat). Da gibt es oben die Möglichkeit, sich die jährlichen oder monatlichen Preise anzuschauen.

Was man nicht vergessen darf:
Die Erfolgsfaktoren für gewinnbringenden UX Research sind die gleichen wie vor der Corona-Krise. Die Kernkompetenz von guten UX Researchern besteht schließlich nicht darin, ein Research-Tool korrekt zu bedienen. Vielmehr zeichnen sie sich dadurch aus, passende Methoden auszuwählen, die richtigen Fragen an die richtige Zielgruppe zu stellen und die gewonnenen Erkenntnisse zu kommunizieren.

Wen das mehr interessiert, kann ja hier noch mehr lesen:
https://www.usability.de/blog/remote-user-research-alles-anders-oder-business-as-usual.html

Viele Grüße
Torsten Bartel von usability.de

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