Die vegane Chance

Werden wir bald alle vegan leben? Zumindest die Organisation „Veganuary“ wünscht sich das und verzeichnete diesen Januar erneut Rekordwerte bei ihren Teilnehmer:innen-Zahlen. Doch es gibt auch Alternativen zu den pflanzlichen Fleischalternativen. Plantbullar bei Ikea, vegane Kochboxen bei Hellofresh oder die vegane Thunfischpizza von Bettaf!sh bei Aldi – mehr als 420 Unternehmen haben sich in diesem Januar am sogenannten „Veganuary“ beteiligt und ihren Kund:innen vegane Neuprodukte und Aktionen angeboten. Letztes Jahr beteiligten sich nur 170 Unternehmen. Der Anstieg von 170 auf 420 Startups und Unternehmen ist beeindruckend, doch die wichtigere Frage ist, ob die Gesellschaft den Veganuary auch annimmt. Die Zahlen deuten darauf hin: Mehr als 629.000 Menschen (Vorjahr: 580.000) haben sich für die vegane Neujahrs-Challenge angemeldet und 31 Tage lang eine vegane Ernährung ausprobiert – ein Anmelderekord und nur die Spitze des Eisbergs, da viele Menschen jedes Jahr auch inoffiziell daran teilnehmen. Die tatsächliche Zahl derjenigen, die im Januar eine pflanzliche Ernährung ausprobieren, soll laut eines britischen Marktforschungsinstituts bis zu zehn Mal so hoch sein. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Veganuary Deutschland (@veganuarydeutschland) Hinter dem „Veganuary“ steckt nicht nur eine globale Kampagne, sondern auch eine gemeinnützige Organisation aus Großbritannien. Seit 2014 ruft sie Menschen weltweit dazu auf, sich im Januar – und am liebsten natürlich auch darüber hinaus – vegan zu ernähren. In Deutschland hat die Organisation dieses Jahr zum dritten Mal in Folge eine eigene Länderkampagne gestartet. „Wichtiger als Weihnachten“ „Wir erleben, dass der Veganuary für Unternehmen in Deutschland eine immer größere Rolle spielt – ähnlich wie in Großbritannien, dem Gründungsland der Kampagne, wo uns Einzelhandelsunternehmen mitteilten, dass der Veganuary für sie wichtiger ist als Weihnachten“, sagt Katharina Weiss-Tuider, Direktorin von Veganuary Deutschland, in einer Pressemitteilung. „Die Sichtbarkeit war noch nie so groß. Der Veganuary ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen.“ Das zeigt auch das Suchvolumen bei Google: [caption id="attachment_1447938" align="aligncenter" width="620"] Suchvolumen von „Veganuary“ bei Google Trends – letzte 90 Tage. (Stand: 1. Februar 2022)[/caption] Die Teilnahme am Veganuary ist kostenlos und jederzeit möglich. Nach Anmeldung unter veganuary.de erhalten alle Teilnehmenden einen Monat lang tägliche E-Mails mit Informationen rund um die Ernährung, Tier- und Klimaschutz sowie Rezeptideen, Ernährungspläne und Alltagstipps. Wie Marken profitieren Für Marken hat sich der Veganuary schon fast zu einem FOMO-Thema entwickelt (FOMO = Fear of missing out). Mit ihren Aktionen ist es für sie einfach, auf den Zug aufzuspringen, sich nachhaltig zu präsentieren und die grüne Welle mitzureiten. „Viel rasanter können Themenkarrieren kaum verlaufen: 2020 wurde Veganuary zum ersten Mal auch in Deutschland gefeiert. Zwei Jahre später ist es schon fast unmöglich, ihn zu übersehen“, schrieb das Marketing-Magazin Horizont kürzlich zu der Kampagne. [crosslinks ids="1446600,1446233,1444422"] Auch vom Umsatz her ist der Veganuary spannend: Beim Sandwich-Macher Subway beispielsweise, der zum zweiten Mal beim Veganuary dabei ist, ist der Absatz der veganen Produktrange in den letzten Jahren stark gewachsen – „Tendenz weiterhin stark steigend!“ Aktuell sollen rein pflanzliche Produkte bereits neun Prozent der Verkäufe in Deutschland ausmachen, wie Isabel Schleicher, Senior Marketing Manager von Subway im DACH-Bereich, gegenüber Veganuary mitteilt: „Initiativen wie Veganuary zeigen hervorragend, dass es möglich ist, sich rein pflanzlich zu ernähren, ohne Abstriche beim Genuss machen zu müssen". Fleischalternativen aus Fleisch Für diejenigen, die dennoch nicht auf Fleisch verzichten wollen, gibt es zunehmend junge Metzger:innen und Startups, die sich auf die nachhaltige Fleischproduktion spezialisieren. Das Startup Grutto (früher Crowdbutching.de oder Kaufnekuh.de) beispielsweise bietet Fleisch vom Bauern an, mit nachweisbarer Herkunft und Paketen, die so zusammengestellt werden, dass nichts vom Tier verschwendet wird. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Grutto.de (@grutto.de) Andere Startups wie das deutsche Good Meat (von Eat Just), die israelischen Unternehmen Supermeat und Aleph Farms oder das holländische Mosa Meat tüfteln derweil an Fleisch ohne Tierleid aus dem Labor. Bei letzteren beiden ist übrigens Leonardo DiCaprio investiert, der als Impact-Investor bereits Beyond Meat unterstützt hat. Vegane Ernährung bleibt für viele Menschen eine Herausforderung Ich persönlich ernähre mich nicht vegan. Größtenteils schon, aber ich würde mir niemals ein solches Label aufdrücken lassen. Ich esse ab und zu Fisch, Käse oder Eier. Fleisch nur zu besonderen Anlässen, nachdem ich über Jahre hinweg ganz vegetarisch gelebt habe. Für mich funktioniert eine komplett vegane Ernährung nicht so gut, genauso wenig wie Heilfasten – um darüber urteilen zu können, habe ich beides bereits ausprobiert. Ich bin überzeugt, dass jeder Körper individuelle Bedürfnisse hat, daher kann man auch nicht sagen, dass eine vegane Ernährung für alle die beste Ernährungsform ist. Aus ethischer und ökologischer Perspektive sicherlich, aber nicht unbedingt aus gesundheitlicher. Dennoch finde ich Awareness bei dem Thema wichtig und deswegen ist auch die „Veganuary“-Initiative begrüßenswert. Viele von uns – besonders die älteren Generationen – sind mit Wurst und Fleisch zu Hause aufgewachsen und nehmen tierische Lebensmittel als Selbstverständlichkeit hin. Durch vegan-Challenges wie den Veganuary können auch hartgesottene Fleischfreund:innen einmal für sich erleben, dass es a) auch ohne Fleisch geht und b) wie viel Fleisch sie sonst einfach wie eine Selbstverständlichkeit essen. Wenn wir alle viel bewusster und weniger, dafür besseres Fleisch konsumieren würden, wäre uns und dem Planeten bereits viel geholfen.