Streit um ESG-Fonds: Warum Nachhaltigkeit in den USA zum Zankapfel wird

Faire Investments sind eine gute Möglichkeit, Geld mit gutem Gewissen anzulegen – oder? In den USA läuft derzeit eine politische Kampagne gegen grüne Geldanlagen. Aber auch in Europa nimmt die Euphorie bei ESG-Investments ab. Wenn in Deutschland über grüne Investments diskutiert wird, geht es oft um den Vorwurf des Greenwashings, also darum, dass manche Fondsgesellschaften ihre Produkte als nachhaltiger darstellen, als sie es eigentlich sind. Auch in den USA sind ESG-Investments zum Politikum geworden - allerdings aus einem ganz anderen Grund. Das Kürzel ESG steht für Prinzipien der Umweltverträglichkeit (Environmental), der sozialen Verantwortung (Social) und der Unternehmensführung (Governance). Viele große Vermögensverwalter haben spezielle Fonds aufgelegt, die ihr Geld nur in Unternehmen stecken, die in diesen Kategorien gut abschneiden. Institutionelle Anleger ziehen nun aber in großem Stil Geld aus diesen Fonds ab. Jüngstes Beispiel: Der Texas Permanent School Fund will Ende April 8,5 Milliarden US-Dollar beim Branchenriesen Blackrock abziehen, um damit ein Zeichen gegen „anti-texanische Praktiken“ und eine „woke Indoktrinierung“ zu setzen, wie der Vorsitzende des Schulfonds, Aaron Kinsey, sagte. Deine Meinung ist gefragt! Wir wollen t3n Pro passend zu deinen Bedürfnissen optimieren und benötigen dafür dein Feedback.Hilf uns, die Inhalte von t3n Pro noch besser zu machen, indem du kurz an unserer Umfrage teilnimmst. Es dauert nur 3 Minuten. Zur Umfrage. Hintergrund ist ein texanisches Gesetz aus dem Jahr 2021, das Investitionen in Unternehmen einschränkt, die ihrerseits kein Geld mehr in die Kohle- oder Ölindustrie investieren wollen. Zusammen mit 350 anderen Fonds steht Blackrock auf einer Liste von Unternehmen, die nach Ansicht des Staates Texas fossile Energieunternehmen boykottieren. Der texanische Rechnungsprüfer hatte die staatlichen Pensionsfonds aufgefordert, kein Geld mehr in deren Anlagevehikel zu stecken. Kampagne gegen grüne Fonds Befeuert wird der Kampf gegen die ESG-Investments von der politischen Rechten in den USA. Ihre Kritik: Die Werte, die Unternehmen mit ihren ESG-Fonds vertreten, repräsentieren nicht die Wähler:innen. Deshalb entziehen sie Vermögensverwaltern wie Blackrock, die auf ESG-Kriterien setzen, die Verwaltung ihrer großen Pensionsfonds. [crosslinks ids="1549046,1396768,1589253"] Texas ist mit seiner Anti-ESG-Kampagne nicht allein. Auch West Virginia, Florida, Missouri und andere republikanisch regierte Staaten haben entsprechende Initiativen gestartet und fordern Divestments bei Vermögensverwaltern, die an nachhaltigen Investitionsregeln festhalten. Der Staat Florida hat bereits angekündigt, zwei Milliarden Dollar von Blackrock abzuziehen. Auf Bundesebene gibt es mehr als 160 weitere Gesetzesentwürfe, die es Unternehmen verbieten sollen, ESG-Kriterien bei Investitionsentscheidungen zu berücksichtigen. Die meisten stammen von republikanischen Abgeordneten. Die Kampagne scheint Wirkung zu zeigen: Laut dem Analysedienst Morningstar haben US-Investoren bis 2023 rund 13 Milliarden Dollar aus nachhaltigen Anlageprodukten abgezogen. So kontert Blackrock die Anti-ESG-Kampagne Blackrock selbst hat in den vergangenen zwei Jahren mit verschiedenen Mitteln versucht, sich gegen die Anti-ESG-Kampagne zur Wehr zu setzen. Unter anderem ehat der Vermögensverwalter einen hochrangigen Lobbyisten mit Verbindungen zu den Republikanern in Washington engagiert. Zudem wurde das Engagement in der Brancheninitiative „Climate Action 100 Plus“ zurückgefahren. Blackrock-Chef Larry Fink hat des Weiteren angekündigt, den Begriff „ESG“ nicht mehr verwenden zu wollen, da er von Politikern als „Waffe“ eingesetzt werde. Auch politisch gibt es eine Gegenbewegung: US-Präsident Joe Biden treibt mit dem „Inflation Reduction Act“ den Umbau zu einer grüneren Wirtschaft voran. Die Fondsanbieter passen sich diesem veränderten Marktumfeld an: Im Jahr 2023 wurden mehr nachhaltige US-Fonds geschlossen als in den drei Jahren zuvor zusammen. ESG-Investments auch in Europa auf dem Rückzug Abseits der politischen Diskussion in den USA sind ESG-Fonds auch in Europa nicht mehr so beliebt wie noch vor zwei Jahren. Zahlen von Morningstar belegen das nachlassende Interesse an Fonds, die ESG-Kriterien berücksichtigen: Im vierten Quartal 2023 verzeichneten die sogenannten Artikel-8-Fonds die größten Abflüsse jemals, Anleger:innen zogen 26,7 Milliarden Euro ab. Erstmals mussten auch Fonds, die noch strenger nach ESG-Regeln investieren, Abflüsse in Höhe von 4,7 Milliarden Euro hinnehmen. Die sinkende Nachfrage nach grünen Fonds führt Morningstar unter anderem auf das makroökonomische Umfeld mit hohen Zinsen, Inflation und Rezessionsängsten zurück, das andere Anlagen wie Anleihen wieder attraktiver macht. Außerdem führen die Greenwashing-Bedenken von Anleger:innen zu mehr Vorsicht bei grünen Anlageprodukten. So musste die Deutsche-Bank-Tochter DWS in den USA 25 Millionen Dollar Strafe zahlen, weil sie ihre Fonds als nachhaltiger beworben hatte, als sie waren. Hinzu kommt, dass nachhaltige Strategien seit 2022 schlecht abgeschnitten haben: Investitionen in erneuerbare Energien liefen eher schlecht, während Anleger:innen mit Investments in fossile Energieträger wieder Geld verdient haben.