Zug verpasst: Wie die Bahn ihre Zukunft verspielt und der Verkehrswende schadet

Es gibt gerade einige Weichen für die Zukunft zu stellen, das betrifft auch Nicht-Bahnfahrer:innen. (Foto: ON-Photography Germany/Shutterstuck)
Die Fahrt in die Zukunft fällt erst einmal aus oder hat zumindest deutlich Verspätung – zumindest was den Schienenverkehr betrifft. Diesen Eindruck muss man gewinnen, wenn man sich die aktuellen Pläne der Bahn ansieht. Demnach sollen einige der ehrgeizig angekündigten Zukunftsprojekte zusammengestrichen werden. Vor allem aber wird vieles eingespart, was die dringend notwendige Digitalisierung der Bahn betrifft.
Als Beispiele nennt die Wirtschaftswoche, die die Pläne aus dem Konzern zuerst leakte, insbesondere Technologien wie Advanced Digital Infrastructure, den intelligenten Fahrplan sowie die Kapazitätssteuerung CMTS. All das sind Themen, die ganz sicher nicht unter „nice to have“ oder Technikspielerei fallen.
Autonome Züge hätten Befreiungsschlag werden können
Ganz vor dem Aus steht offenbar das Projekt der fahrerlosen Nahverkehrszüge, das unter dem Projektnamen Automated Trains bekannt wurde und über das wir vor zwei Jahren berichteten. Sollte sich all das bewahrheiten und es sich nicht nur um Säbelrasseln im Vorfeld der Koalitionsverhandlungen handeln, macht die Bahn (und vor allem ihr Alleinaktionär, der Bund) dieselben Fehler, für die sie und nicht zuletzt ihre Kund:innen bereits in den letzten Jahrzehnten im Nachhinein teuer bezahlen mussten.
Denn gerade das Projekt der autonom fahrenden Züge, in das zwischenzeitlich dem Vernehmen nach gut 42 Millionen Euro investiert wurden, hätte einen Befreiungsschlag angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels bedeutet. Und dass autonomer Schienenverkehr funktionieren kann, zeigen zahlreiche Beispiele aus anderen Ländern.
Es geht dabei aber noch um mehr: Schon heute suchen die Bahn und ihre regionalen Mitbewerber:innen händeringend nach Lokführer:innen und anderem Fachpersonal, und schon heute fallen immer wieder Fahrten aufgrund von Engpässen aus. Die Leidtragenden sind stets die Fahrgäste, die sich immer weniger auf das Verkehrsmittel verlassen können, das einst „kein Wetter kannte“ und als sprichwörtlich zuverlässig galt.
Bahn darf nicht kaputtgespart werden
Ein falsches Signal sind Einsparungen bei Zukunfts- und Digitalisierungsprojekten aber auch noch aus einem anderen Grund: Eine leistungsfähige, effiziente und berechenbare (wenn auch nicht immer pünktliche) Bahn kann die verkehrs- und umweltpolitischen Herausforderungen der kommenden Jahre mittragen. Denn ein verkehrspolitischer Mix setzt immer ein Gleichgewicht voraus – und das erwartbare Übergewicht in Richtung Straße und Autobahn endet ebenfalls in der Sackgasse. Darunter leiden dann übrigens auch all jene, die sich stets für die Vorfahrt des individuellen Autoverkehrs stark machen. Sie werden umso mehr im Stau stehen, wenn die Alternative auf der Schiene und im ÖPNV eben keine solche ist.
Dabei passt das Abschlusspapier der Koalitionsverhandlungen erschreckend gut in diese Reihe: Union und SPD haben zwar im Hinblick auf die Verkehrspolitik offenbar ehrgeizige Pläne, doch die betreffen nicht in erster Linie und in überschaubarem Umfang die Schiene. Wenn es um die Sanierung der vorhandenen Infrastruktur geht, müssen die entsprechenden Digitalisierungsthemen nicht nur mitgedacht werden, sondern auch umgesetzt werden. Ansonsten geht es der Bahn wie seinerzeit der Deutschen Post respektive Deutschen Telekom im Hinblick auf die Kupferkabeltechnik.
Mit schwindelerregenden 150 Milliarden Euro beziffert die Bahn bereits jetzt ihren Sanierungsbedarf für die nächsten zehn Jahre, wobei ein Teil des Geldes aus dem Sondervermögen für Infrastruktur stammen soll. Klar ist aber auch, dass der Renovierungsstau hier immer größer wird und die Bahn nicht kaputtgespart werden darf. Sonst wird es langfristig zwar ähnlich teuer, aber bei schlechterem Output und mehr Unsicherheit.