Die Entwicklung von Videospielen ist harte Arbeit – kann aber auch viel Spaß machen. Etwa wenn es in der Konzeptionsphase darum geht, an Spielideen, Charakteren oder Gameplay-Mechaniken zu arbeiten. Gerade da können Entwickler:innen ihrer Kreativität freien Lauf lassen und auch mal mit verrückteren Ideen spielen.
Dann gibt es aber auch Aufgaben im Laufe der Entwicklung, die einfach nur gemacht werden müssen. Den meisten Spieler:innen werden sie wahrscheinlich gar nicht auffallen. Aber für die Entwickler:innen sind sie mühsame Arbeit. Einige dieser Aufgaben stellen wir hier vor.
Ihr klickt euch bei Spielen ständig durch sie und beachtet dabei wahrscheinlich kaum die Arbeit, die drinsteckt: Menüs und Inventare wollen mit Texten und Icons befüllt werden – und davon gibt es wirklich sehr, sehr viele. Das kann ausgesprochen repetitive Arbeit sein, denn auf jeder Seite und zu jeder Zeit müssen diese Details genau stimmen, sonst herrscht absolutes Chaos für euch.
Dazu sagt uns der Entwickler Paul Lawitzki vom deutschen Studio Chasing Carrots: „Mich nerven oft Sachen, die sehr repetitiv sind, aber nicht aufwendig genug, um sie zu automatisieren. Beispielsweise Texte und Icons einpflegen in irgendwelchen Game-Element-Datensätzen wie Inventory-Items, Quests oder Achievements.“
Wenn ihr euch das nächste Mal in einem Menü oder Inventar gut zurechtfindet, denkt also vielleicht kurz daran, dass das nur möglich ist, weil sich Entwickler:innen die Zeit genommen haben, um diese repetitive Arbeit gut zu machen.
Es ist fast selbstverständlich, dass die meisten Spiele nicht nur auf dem PC, sondern auch auf einer oder auf mehreren Konsolen erscheinen. Damit habt ihr die Freiheit, euch für euer eigenes Gaming-Ökosystem zu entscheiden, ohne jede Hardware kaufen zu müssen. Gerade für kleinere Studios kann das jedoch eine sehr anstrengende Arbeit sein. Aber nicht nur, weil eine Nintendo Switch etwa andere Hardware hat als eine Playstation 5. Auch die Vorschriften der Hersteller können mühsam sein.
Benjamin Lochmann, CEO des Nürnberger Studios Pixel Maniacs, sagt dazu: „Das Hauptmenü zu bauen, Settings, Input-Mapping und die tausend Kleinigkeiten, die man machen muss, um auf eine Konsole ein Spiel zu portieren. Die Konsolenhersteller haben ewig lange Listen an Checks, die erfüllt werden müssen, damit ein Spiel releasen kann. Beispielsweise: ‚Was passiert, wenn man mitten beim Zocken einen Controller rauszieht?‘“
Eine andere Baustelle seien zudem die vielen Achievements, die es für Xbox und Playstation gibt. Diese sind verpflichtend, wenn ein Spiel auf den Plattformen erscheinen soll. Es steckt also viel Zeit und Geduld darin, sich zu überlegen, welche Aktionen im Spiel zu so einem Achievement führen könnten. Bei euch ploppen diese Erfolge einmal kurz auf – in den Studios kann es echt nervig sein, sie zu erstellen.
Je öfter es frei modellierbare Genitalien in Videospielen gibt, desto offensichtlicher wird, dass diese oftmals ziemlich verbuggt sind. Da bleiben Geschlechtsteile etwa nicht in der Kleidung, sondern hängen frei herum. Oder ihre Bewegungen sind nicht so, wie sie eigentlich sein sollten – wenn es nach den Gesetzen der Natur und ihrer Schwerkraft ginge. Kurzum, Genitalien machen oft Probleme. Und sie gehören damit vor allem nach dem Release eines Spiels zu den offensichtlichsten und peinlichsten Baustellen.
Paul Lawitzki ist Game-Designer und Programmierer beim Stuttgarter Studio Chasing Carrots und hat sich zu dieser Frage ein paar Gedanken gemacht. „Zunächst muss man beachten, dass so ein verbuggter Penis sehr viel mehr ins Auge fällt als andere Bugs“, sagt er. Soll heißen: In Videospielen gibt es etliche Bugs. Viele davon bleiben unerkannt. Wenn aber ein Genital sich sonderbar verhält, dann wird das allen Spielenden direkt ins Auge springen.“
Aber das ist nicht der einzige Grund. Denn Genitalien gehören zu den beweglichen Objekten in einem Videospiel. „Wenn beispielsweise Haare oder flatternde Kleidungsstücke an- und ausgeschaltet werden und diese das Physiksystem für ihre Bewegung nutzen, kann sich das, je nach Physiksimulation, seltsam verhalten“, sagt Paul Lawitzki. Oft sollen sich Genitalien „realistisch“ bewegen. Dafür existieren in Videospielen Physiksysteme, die berechnen, wie so eine Bewegung aussieht.
„Solche Simulationen mögen es oft nicht, wenn man Dinge instantan teleportiert, hinzufügt oder entfernt. Als Programmierer muss man dann zusätzliche Behandlungen für solche Fälle einbauen. Das bedeutet mehr Code und mehr Code bedeutet mehr Raum für Bugs“, so Lawitzki. Das heißt: Je dynamischer sich ein Objekt in einem Game bewegt, desto mehr Fehler können entstehen.
Ihr öffnet sie in den meisten Spielen, ohne jemals darüber nachzudenken: Türen. Für viele Entwickler:innen aber können sie zu einem Albtraum werden.
„Türen sind an sich schon mal komplexere Objekte, weil sie je nach Spiel auf- und zugehen, verschließbar oder zerstörbar sind, möglicherweise sehr spezielles Animations- und Kameraverhalten brauchen. Das größere Problem an Türen in Games ist aber, dass diese überall dazwischensitzen und die Wegfindung beeinflussen“, erklärt uns der Berliner Game-Entwickler Stephan Hövelbrinks, der an seinem Indie-Spiel Death Trash arbeitet.
Je komplexer das Spiel sei und je mehr Aktionen es beinhalte, desto mehr Probleme könne es machen, ein dynamisches Objekt dazwischenzuschieben, etwa eine Tür. Das betrifft alles Mögliche: Sicht, Licht und Schatten, Audio, Physikobjekte und komplexere Situationen wie Dialoge und Kämpfe.
Da die Komplexität von Türen sich also mehr daraus ergibt, dass sie andere Situationen noch komplexer machen oder zumindest Sonderfälle bescheren können, löse man das Türproblem nicht einmal, sondern es könne mit jeder Änderung oder jedem neuen Feature ein weiteres Problem hinzukommen. Mehr dazu könnt ihr hier lesen.
Mit jedem neuen Videospiel müsst ihr auch lernen, wie es eigentlich funktioniert. Die Steuerung in Kombination mit wichtigen Spielmechaniken muss beherrscht werden, um erfolgreich durch ein Game zu kommen. Doch wer die Spieler:innen direkt zum Beginn mit einer Ladung an Informationen überhäuft, wird viele direkt verlieren. Ein gelungenes, ausbalanciertes, nicht zu aufdringliches, aber doch lehrreiches Tutorial ist also vonnöten. Zum Leidwesen vieler Entwickler:innen.
Tim Rachor, Senior Incubation Manager bei Cipsoft, sagt: „Ein Thema, das mich bei der Entwicklung regelmäßig zum Wahnsinn treibt, sind Tutorials. Du hast da diesen wunderschönen, aufgeräumten Code geschrieben, bei dem jeder Abschnitt genau eine Funktion erfüllt und alles komplett logisch in seine Bereiche unterteilt ist. Und dann fängst du an, überall Sonderfälle für das Tutorial einzufügen und Funktionen müssen sich plötzlich ganz anders verhalten als ursprünglich konzipiert. Da wächst das Tutorial wie ein Geschwür und nistet sich an Hunderten Stellen in deinem Code ein, und es fühlt sich jedes Mal so an, als hättest du irgendetwas grundlegend falsch gemacht. Du nimmst dir vor, das beim nächsten Projekt viel besser einzuplanen, damit sich alles organischer in den Code einfügt, was dann aber daran scheitert, dass das Tutorial dort plötzlich wieder ganz andere Anpassungen erfordert.
Tutorials werden in der Regel erst relativ spät in der Entwicklung implementiert und ihr Inhalt und Ablauf ändern sich stetig aufgrund von Feedback und Playtests oder Last-minute-Gamedesign-Änderungen. Und da sie im Gegensatz zu statischen Hilfeseiten in der Regel nur einmalig zum Start auftauchen und häufig die Interaktionsmöglichkeiten der Spieler:innen einschränken, um sie nicht zu überfordern oder zu frustrieren, ist es ganz natürlich, dass hier Sonderfälle im Spielablauf entstehen, die im weiteren Verlauf so nie wieder auftauchen. Gerade in Spielen, die eine große Zielgruppe ansprechen sollen – zum Beispiel im Mobile- und Free-to-play-Bereich –, ist es besonders wichtig, einen perfekten Spieleinstieg zu orchestrieren, da die Spieler:innen sonst direkt wieder weg sind. Dann kann ein Tutorial schnell so komplex werden, dass es mehr Zeilen im Quellcode ausmacht als die eigentliche Spielfunktion, die es gerade erklären soll.“
Ihr kennt es sicherlich selbst: Ihr spielt ein Videospiel, in dem ihr einen Begleiter habt, der vom Computer, also von künstlicher Intelligenz, gesteuert wird. Und dieser Begleiter benimmt sich so, dass es euch den letzten Nerv raubt. Ihr könnt euch ziemlich sicher sein, dass die Entwickler:innen in der Produktion des Spiels noch genervter waren. Denn egal, ob Begleiter oder Feind: KI in einem Spiel zu implementieren und computergesteuerte Charaktere problemlos mit der Spielwelt interagieren zu lassen, ist eine unfassbar komplizierte und mühsame Aufgabe.
Das wussten auch die Entwickler:innen von Twisted Ramble Games, als sie sich dazu entschlossen, der Protagonistin ihres Spiels Duru einen antagonistischen Begleiter an die Seite zu stellen. Jedoch stellte sich heraus, dass nicht etwa die Reaktion auf oder die Interaktion mit Spieler:innen die größte Hürde ist, sondern das Springen des Begleitcharakters.
Sie erklären uns: „Um eine Figur in einem Spiel autonom zu bewegen, braucht man im Prinzip zwei Dinge: ein Navmesh und einen Pathfinding-Algorithmus. Das Navmesh kann man sich als Netz gleichmäßig auf der Spielwelt verteilter Knotenpunkte vorstellen, die mit ihren jeweiligen Nachbarn verbunden sind. Diese Knoten enthalten Informationen über die Welt: Ist dies ein betretbarer Punkt oder blockiert ein Hindernis wie eine Wand oder Plattform? Je nach Ansprüchen des Spiels lassen sich auch weitere Dinge speichern.
Der Pathfinding-Algorithmus nutzt die Knotenpunkte, um einen Weg zu finden, im Prinzip eine Kette von Knotenpunkten, die Start und Ziel miteinander verbinden. Bei einem fliegenden Monster in einem 2D-Spiel ist diese Wegfindung einfach: Solange der Knoten nicht als blockiert gilt, kann er für die Kette von Start zu Ziel genutzt werden.
Soll der Charakter springen, wird das Ganze deutlich komplizierter: Wie viele Knoten können übersprungen werden? Ist die Decke am Sprungziel hoch genug? Wenn sich das Ziel auf einer bewegten Plattform befindet, kann noch gesprungen werden, wenn der Charakter sich nah genug befindet, oder ist die Plattform schon weg? In das Lösen dieser Probleme fließt viel mehr Zeit, Arbeit und Nerven, als das Resultat am Ende vermuten lässt. Währenddessen hat man dafür aber sehr viel Freude an merkwürdigen Bugs der KI.“
Achtet im nächsten Spiel mal darauf, was ihr alles so auf dem Bildschirm an Anzeigen seht. Vielleicht einen Kompass, eine Minimap, die Gesundheitsanzeige und in der Ecke steht, wie viel Geld ihr habt. Videospiele haben euch stets viel mitzuteilen. Doch wohin mit den ganzen Anzeigen in einem Kampf? Oder wenn ihr ein Menü öffnet? Ein intuitives, raumsparendes und dynamisch reagierendes User-Interface ist in einem Spiel sehr viel wert – und es braucht sehr viel Arbeit.
Die Entwickler:innen von Innogames kennen dieses Leid: „In einem UI-lastigen Spiel wie Rise of Cultures kommt schnell das Problem auf, dass man die einzelnen Screens, Pop-ups und View-Elemente untereinander so sortieren muss, dass diese sich nicht unkontrolliert in die Quere kommen oder überlagern. Zum Beispiel haben wir Elemente in unserem Head-up-Display (HUD), die auch sichtbar bleiben sollen, wenn ein Screen geöffnet wird. Andere Elemente im HUD allerdings nicht.
Pop-ups sollen wiederum über dem HUD und den Screens erscheinen, allerdings nicht über dem Ladebildschirm. Und so geht das immer weiter. Aktuell haben wir daher 15 UI-Layer definiert, die wir für unsere UI-Elemente nutzen, und die Tiefensortierung (auch Z‑Sorting genannt) dafür vorgeben.“
Einen Charakter zum Laufen zu bringen, das gehört so ziemlich zum Grundsätzlichsten eines Videospiels. Am besten sieht das dann aber sogar glaubhaft aus und der Charakter bewegt sich auf einer Treppe anders als auf einer geraden Strecke. Sogenannte Animationsbäume, in denen eine Bewegung mit der nächsten zusammenhängt, sind oft die Grundlage dieser Abläufe. Und die können wirklich viel Geduld kosten.
Die Entwicklerinnen von Twisted Ramble Games kennen diese „Animationsbäume aus der Hölle“: „Man fügt nach und nach die einzelnen Animation-States ein: laufen, springen, angreifen – alles kein Problem. Anschließend werden die Verbindungen zwischen diesen Stadien gesetzt: Was ist die Bedingung, um vom Laufen ins Stehen überzugehen? Wann muss die Angriffsanimation ausgeführt werden? Platziert werden die States mit ordentlich viel Platz dazwischen und ein paar Verbindungen später bildet sich auf unerklärliche Weise ein Pentagramm auf dem Bildschirm. Hier offenbart sich jedoch erst das eigentliche Problem an der Sache. Während fünf Animationen noch einfach zu handhaben wären, wird es bei ganzen Spielen schnell deutlich komplexer, insbesondere im 2D-Genre.
In unserem 2D-Puzzle-Adventure Duru nutzen wir über 20 Animationsstadien für unseren Hauptcharakter. Und auch uns ist es passiert, dass wir den ‚Animationsbaum aus der Hölle‘ beschworen haben – ein undurchschaubares Gewirr, wie von einer talentlosen Spinne geschaffen.
Eine optimale Lösung für dieses heiß diskutierte Problem ist noch nicht gefunden. Wir haben uns für die Nutzung sogenannter Sub-State-Machines entschieden. Diese können mehrere Animationen zusammenfassen, zum Beispiel den Anfang, den Mittelteil und das Ende einer Sprunganimation. Allerdings verliert auch dieser Ansatz irgendwann seinen Charme: Man kann sich das Ganze vorstellen wie ein Ordnersystem, bei dem man sich durch zehn Unterordner klicken muss, um an die gewünschte Datei zu kommen. Nicht gerade optimal, aber immerhin besser als der unheilige Beschwörungszirkel!“
Ihr werdet sicherlich sofort erkennen, was auf diesem Screenshot nicht stimmt. Richtig: Das Pferd soll eigentlich nicht in der Luft schweben, sondern auf dem Boden stehen. So offensichtlich, so gut. Aber sehr oft sind Bugs in Videospielen sehr viel schwerer zu erkennen – vor allem aber sind sie manchmal kaum zu rekonstruieren.
Denn genau das passiert, wenn ihr einen Bug meldet: Die Entwickler:innen versuchen, diesen Fehler selbst zu produzieren, um dann zu erkennen, wieso der Bug auftritt und wie man ihn beseitigen kann. Doch oft sind Fehler in Videospielen von den Kontexten abhängig. Wo im Level seid ihr? In welcher Mission? Wie ist euer Charakter ausgerüstet? Welche Bewegung habt ihr genau ausgeführt? So kommt es vor, dass sehr rare und obskure Bugs in einem Spiel auftreten, die kaum nachzustellen und damit auch kaum zu beseitigen sind. Es folgt eine stundenlange Spurensuche ohne Erfolg.
Mehrere Entwickler:innen haben uns im Gespräch verraten, dass diese Suche nach obskuren Bugs ziemlich mühsam sein kann. Dass es auch durchaus vorkommen kann, dass sie im Spiel bleiben, weil eine Lösung einfach nicht gefunden wird – oder so ein Rattenschwanz an der Beseitigung hängen würde, dass es sich schlicht nicht lohnt. Und, so sagen viele, es kann manchmal sogar amüsant sein, so einen Bug im Spiel zu erleben. Solang er nicht zu einem Absturz führt oder das Spielerlebnis negativ beeinflussen kann, versteht sich.