Cannabis auf Rezept und Mode for free: 6 Startups, die man jetzt kennen muss

Algea Care ist Deutschlands erste Telemedizin-Plattform für die unterstützte ärztliche Behandlung mit medizinischem Cannabis – und Teil unseres Startup-Checks. (Bild: Algea Care)
Von einer Plattform für Medizinal-Cannabis bis hin zu Mode, die per App verschenkt wird – folgende sechs Startups haben es in den Startup-Check des t3n-Magazins #71 geschafft.
Algea Care: Plattform für medizinisches Cannabis
Das 2020 von dem Radiologen Julian Wichmann gegründete Startup Algea Care ist Deutschlands erste Telemedizin-Plattform für die unterstützte ärztliche Behandlung mit medizinischem Cannabis. Zielgruppe von Algea Care sind Patient:innen, die zur Behandlung oder begleitenden Therapie ihrer chronischen Erkrankungen und Beschwerden auf natürliche Arzneimittel auf THC- und CBD-Basis setzen wollen.
Laut Algea Care sollen bereits 15.000 Patient:innen an 16 bundesweiten Standorten von einem wachsenden Team aus rund 100 Kooperationsärzt:innen versorgt worden sein. Zu den Anwendungsfällen gehören Depressionen, Epilepsie, ADHS oder Multiple Sklerose. Das Algea-Care-Team selbst umfasst 130 Mitarbeitende. Das Startup ist Teil der Bloomwell Group, einer auf Cannabis spezialisierten deutschen Unternehmensgruppe, die Ende 2021 eine Seed-Finanzierungsrunde in Höhe von zehn Millionen US-Dollar abgeschlossen hat.
Unser Urteil: Laut eigenen Angaben hat Algea Care nach wie vor mit der Stigmatisierung von Medizinal-Cannabis in Deutschland zu kämpfen. Aufgrund der Einstufung als Betäubungsmittel sind auch weiterhin keine E-Rezept-Ausstellungen für Cannabis-Behandlungen möglich. Das sollte sich aber spätestens mit der geplanten Legalisierung von Cannabis ändern – was gleichzeitig neue Marktpotenziale für das Unternehmen bedeuten dürfte.
Giftd: Mode als Geschenk
Kleidung wegzuschmeißen, sei ein kulturelles Tabu, sagt Giftd-Gründerin Hannah Kromminga. Das im Jahr 2020 als Coronaprojekt gegründete Startup hilft dabei, Kleidung, die zu gut zum Wegschmeißen ist, kostenlos an Freund:innen und Bekannte weiterzureichen. So sollen Nutzer:innen ihre ausgedienten Dinge nicht nur sinnvoll weitergeben, sondern auch Beziehungen zu anderen Menschen aus der Giftd-Community aufbauen können. Das scheint anzukommen: Organisch konnten die iOS- und Android-Apps laut Kromminga im Jahr 2022 bereits auf 6.000 Downloads und 1.000 monatlich aktive Nutzer:innen in Berlin anwachsen.

(Bild: Giftd)
Finanziert wird das Startup durch private Business-Angels – bislang sei es schwer, die deutsche Investment-Szene von ihrer Consumer-App zu überzeugen, erklärt die Gründerin. Sie hofft jetzt auf Geldgeber:innen aus den USA. Trotz des limitierten Budgets beschäftigt Giftd am Standort Berlin zwölf Mitarbeiter:innen in Voll- und Teilzeit.
Unser Urteil: Es gibt kaum eine Industrie, die problematischer für die Umwelt ist als die Modeindustrie. Jede Initiative, die dazu beiträgt, dass Menschen weniger Fast Fashion konsumieren und getragene Kleidung gedankenlos wegwerfen, ist daher begrüßenswert. Das organische Wachstum zeigt, dass Giftd bei Konsument:innen einen Nerv trifft. Zeit, dass mehr Investor:innen auf den Secondhand-Zug aufspringen!
Project Bcause: Die digitale Stiftung
Über die 2020 gegründete Fintech-Plattform Project Bcause sollen Menschen einfach mit Geld Gutes tun können. Kund:innen können in wenigen Minuten ein Depot erstellen und Geld einzahlen. Daraus können sie dann flexibel spenden, Darlehen gewähren oder Impact-Investitionen tätigen – und zwar genau in die Projekte, die ihnen am Herzen liegen. Eine passende Steuerbescheinigung fürs Finanzamt gibt es auf Wunsch dazu.
In der Startphase haben rund 20 Investor:innen in Project Bcause investiert, darunter bekannte Namen wie der Ex-Zalando-Chef Rubin Ritter oder der Nebenan.de-Gründer Christian Vollmann. Insgesamt 2,4 Millionen Euro sollen so zusammengekommen sein. Derzeit befindet sich Project Bcause noch in der Betaversion, die „kostenlos und ohne Mindestgebühren“ ist, wie Mitgründer Felix Oldenbourg erklärt. Um dabei zu sein, muss man sich allerdings zunächst als Mitglied qualifizieren.
Unser Urteil: Das Berliner Startup verspricht „eine digitale Stiftung ohne Zugangshürden. Mit Community“. Die Invite-Only-Plattform impliziert allerdings noch etwas anderes. Die Idee, Spenden und Impact-Investitionen zugänglicher zu machen, ist aber in jedem Fall begrüßenswert.
Wependio: Das soziale Reisenetzwerk
Nicht weniger als eine Revolution im Tourismusmarkt will die Wependio-Gründerin Desiree Schier mit ihrer App auslösen: „Wir haben erkannt, dass es keine zentrale Plattform gibt, die alle Touchpoints der Customer-Journey in Bezug auf Reisen und Erlebnisse abbildet.“ Das im April 2022 ins Leben gerufene soziale Reisenetzwerk will von Südtirol aus die Inspiration von Instagram mit den Vorteilen einer Suchmaschine verbinden. Dafür können Nutzer:innen ihre Reise auf einer digitalen Weltkarte speichern und mit Fotos versehen. Wettbewerbe sollen sie dazu motivieren, qualitativ hochwertigen Content zu teilen.

(Bild: Wependio)
Geld verdienen will Wependio in erster Linie über Affiliate-Links und Werbeeinnahmen. Im November 2022 gab das Startup eine Finanzierung über einen mittleren sechsstelligen Betrag bekannt. Vorher wurde Wependio eigenfinanziert. Nach erfolgreichem Abschluss der Betaphase soll die App offiziell im ersten Quartal 2023 an den Start gehen. Den Gründer:innen zufolge liegt die Umsatzprognose für 2023 im hohen sechs- bis siebenstelligen Bereich.
Unser Urteil: Die Gründer:innen scheinen zu wissen, was sie tun. Über Reiseblogger:innen, Influencer:innen und Presseartikel konnte das junge Team bereits vor dem Launch rund 96.000 Instagram-Follower:innen generieren. Ausschlaggebend für den Erfolg von Wependio wird allerdings die Frage sein, ob diese auch die App herunterladen und nutzen werden.
Retury: Gegen den Retourenwahnsinn
Im Jahr 2021 sollen laut einer Studie der Universität Bamberg allein in Deutschland 530 Millionen Pakete zurückgeschickt worden sein, deren Ware online bestellt wurde – das ist jedes vierte Paket. Diese Rücksendungen belasten nicht nur das Klima, sondern schaffen auch ein großes Müllproblem. Das Regensburger Startup Retury möchte das ändern, indem es E-Commerce-Retouren direkt an eine:n neue:n Besitzer:in weitervermittelt. So sollen Verpackungsmüll und Versandwege eingespart werden. Verbraucher:innen profitieren gleichzeitig über die Retury-Plattform von günstigeren Einkaufspreisen.
Bislang finanziert sich das junge Team durch eigene Mittel und das Exist-Gründerstipendium, das ihnen im April 2022 gewährt wurde. Noch dieses Jahr soll die erste Finanzierungsrunde abgeschlossen werden.
Unser Urteil: Mit seiner Idee geht Retury ein großes, bislang ungelöstes Umweltproblem an. Dafür wurde das Startup unter anderem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Jahr 2021 mit dem 32.000 Euro schweren Gründungspreis ausgezeichnet und als eines der sechs besten Konzepte unter fast 400 Startups geehrt. Die größte Herausforderung für Retury dürfte sein, das entsprechende Bewusstsein und die Akzeptanz unter Konsument:innen aufzubauen.
Goodcarbon: Nature-as-a-Service
2021 gegründet, bietet das Startup Goodcarbon eine Vermittlungsplattform zwischen Unternehmen, die ihre Emissionen kompensieren wollen, und Nachhaltigkeitsprojekten aus aller Welt. Für die Vermittlung berechnet Goodcarbon einen prozentualen Anteil der Unternehmensinvestments. Ein Beispiel für eines der aktuell fünf Projekte, in die Kund:innen investieren können, ist das „Generation Forest-Projekt“ für Aufforstung in Panama.
Zu Goodcarbons insgesamt fünf bestätigten Unternehmenskunden gehören nach eigenen Angaben sowohl Dax-Konzerne als auch Mittelständler und Startups. Für die weitere Skalierung konnte die Investitionsplattform im Mai 2022 eine Preseed-Runde über 5,5 Millionen Euro abschließen. Investor:innen sind das Impact-Investment-Unternehmen Planet A, 468 Capital und Greenfield One. Derzeit beschäftigt Goodcarbon ein Team von rund 30 Personen am Standort Berlin.
Unser Urteil: Das Ziel von Goodcarbon, Unternehmen dabei zu helfen, ihre CO2-Emissionen auszugleichen, ist nobel und notwendig. Doch das allein wird nicht ausreichen, um die Klimaziele zu erreichen. Unternehmen sollten in erster Linie Anreize dafür erhalten, ihre CO2-Emissionen einzuschränken oder – noch besser – ganz zu verhindern.