Social Media strategisch im Unternehmen einsetzen: Kundenkommunikation 2.0
Ein aktuelles Beispiel für die Schwierigkeiten in der Kundenkommunikation 2.0 liefert die Deutsche Bahn. Auf Twitter findet man zahlreiche Einträge von Bahnkunden, die ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck bringen – ohne dass sich das Unternehmen einer Diskussion stellen würde:
- „#Bahn: starke Nachfrage, bitte reservieren. – Dann setzt verdammt nochmal mehr Züge ein, Ihr geldgeilen, staatlich gedeckten Monopolisten.“
- „Was ist denn da los!? Kaum regnet es, bricht das Schienensystem im #Ruhrgebiet zusammen?! Herrje! #bahn #fail“
- „Die Bahn übt sich im Web2.0-Marketing. Die Kommunikation klappt aber auch nicht viel besser als bei #S21 #Bahn“
Vorsicht! Kunde
Es gibt durchaus sehr gute Social-Media-Ansätze der Deutschen Bahn im Bereich Human Resources unter DBKarriere. Doch einen Hauptkanal des Unternehmens vermisste man bisher. Seit Oktober gibt es auf Facebook als spezielles Angebot das so genannte Chefticket. Das Unternehmen richtete dafür eine entsprechende Facebook-Kampagnenseite ein, produzierte ein Video und integrierte sogar ein Spiel. Ein potenziell virales Video zeigt, was passiert, wenn der Chef in der alten Welt plötzlich unerwartet früh mit der Bahn kommt und nach dem Rechten schaut.
In einem bestimmten Zeitrahmen kann jeder, der den Gefällt-mir-Button gedrückt hat, ein einfaches Zugticket für 25 Euro erwerben. Trotz oder gerade wegen der schnell wachsenden Community, die bereits nach wenigen Tagen die Marke von 35.000 Mitgliedern überschritten hatte, mehrten sich zumindest in der Anfangszeit die negativen Kommentare und harsche Kritik auf der Seite. Insbesondere auch viele Stuttgart21-Gegner nutzten den neuen Vertriebskanal der Deutschen Bahn, um gegen das Großprojekt Stimmung zu machen. Auf die Kommentare reagierte die Bahn anfangs nur, wenn es einen direkten Bezug zum Chefticket gab. Die Bahn schien insgesamt mit dem Ansturm überfordert gewesen zu sein.
Das Unternehmen hat anscheinend bei seiner Chefticket-Kampagne nicht mit Kunden gerechnet, die nicht immer die beste Erfahrung mit der Deutschen Bahn gemacht haben und den neuen Kanal zur Kundenkommunikation nutzen wollen. Die Kampagne setzte zu Anfang eher auf Marketing und weniger auf Kommunikation. Nur gibt es bislang keinen alternativen Kanal, um den eigenen Unmut gegenüber der Bahn auszudrücken. So entlädt sich die teils harsche Kritik auf der neuen Facebook-Präsenz der Deutschen Bahn, mit der diese nun umgehen muss. Dieses Beispiel zeigt deutlich, wie wichtig es ist, auch personell auf den Kundendialog vorbereitet zu sein.
Denn kinderleicht ist die schöne neue Social-Media-Welt eben doch nicht. Wenn man sich naiv ins digitale Fahrwasser begibt, muss man damit rechnen, dass man auch all die Fehler macht, die heute vermeidbar sind. Gab es vor einigen Jahren noch First Mover wie Frosta, Daimler und andere, die erste Corporate Blogs ohne große Social-Media-Planung ins Leben riefen, wird inzwischen von Unternehmen eine richtige Strategie erwartet.
Obwohl viele Unternehmen Social Media durchaus für wichtig halten, betreibt die Mehrheit ihre Social-Media-Kommunikation noch immer ohne Strategie und investiert eher wenig Geld in diese Kanäle. Nur etwa ein Drittel der deutschen Unternehmen verfügt nach eigenen Angaben über eine Social-Media-Strategie. Das sind zumindest die Ergebnisse des kleinen PR-Trendmonitors, den News Aktuell im Juni 2010 publik machte. Dazu hat die DPA-Tochter mehr als 1.700 Pressesprecher und PR-Fachleute befragen lassen. Die Umfrage „Social Media in Unternehmen“ [1] ergab, dass jedes zweite befragte Unternehmen an einer Social-Media-Strategie arbeitet, aber nur ein gutes Viertel der Unternehmen auch tatsächlich ein Budget für die Social-Media-Kommunikation bereitstellt.
Während immerhin zwei Drittel der Mitarbeiter von Pressestellen Social Media grundsätzlich für wichtig erachten und als Mainstream ansehen, scheinen die PR-Agenturen wesentlich skeptischer zu sein, was die tatsächliche Implementierung einer Social-Media-Strategie angeht. Aufgrund ihrer Erfahrungen gaben die Agenturfachleute in der Befragung an, dass nur etwa jedes zwanzigste Unternehmen über eine echte Kommunikationsstrategie im Social Web verfügt.
Große Erwartungen an Social Media
Es reicht nicht mehr aus, einfach nur überall dabei zu sein, um wirklich mitspielen zu können. Zu diesem Ergebnis kam auch eine Umfrage unter den Dax-Unternehmen der Münchner PR-Agentur PR-COM im Oktober 2009 [2]. Obwohl die meisten der Befragten auf den bekannten Social-Media-Plattformen vertreten waren, konnte von einer strategischen Nutzung innerhalb der Unternehmenskommunikation überhaupt keine Rede sein.
Damals wiesen nur die Deutsche Bank und die Daimler AG – somit zwei von 30 Dax-Unternehmen – auf ihrer Homepage auf ihre eigenen Social-Media-Aktivitäten hin. Ende 2009 waren YouTube und Twitter die wichtigsten Social-Media-Plattformen: 48 Prozent der befragten Dax-Unternehmen verfügten dort über Accounts in deutscher Sprache. Bei Facebook waren es erst 19 Prozent, bei Xing, LinkedIn und StudiVZ jeweils nur zehn Prozent. Immerhin erwarteten 67 Prozent von einer Präsenz in Social Media eine Intensivierung des Dialogs mit der Öffentlichkeit, 57 Prozent mit Mitarbeitern, 52 Prozent mit Kunden und 38 Prozent mit Geschäftspartnern. Etwa die Hälfte der Befragten erhoffte sich eine Verbesserung des Unternehmens-Image durch Social-Media-Initiativen.
Mit der richtigen Strategie zum Erfolg
Zu einer Social-Media-Strategie gehören neben einer intensiven Planung und Konzeptionierung aller Aktivitäten ein klarer Zeitplan, ein definierter Workflow und Verantwortlichkeiten:
- Wen will man über Facebook, Xing, Twitter oder ein Blog ansprechen?
- Will man neue Arbeitnehmer gewinnen und alte stärker an sich binden?
- Ist man an Marktforschung interessiert und will man letztlich mehr über die Interessen der Stakeholder erfahren?
- Will man in erster Linie seine Markenbekanntheit steigern?
- Wie wichtig sind einem das Agenda-Setting und die Meinungshoheit in einem Themenfeld?
- Wie wichtig sind einem Suchmaschinenergebnisse?
- Kennt man alle wichtigen Influencer oder will man lieber neue hinzugewinnen? Wie baut man die Beziehung zu diesen Meinungsmachern aus?
- Wie zufrieden ist man mit dem Image seiner Marke? Will man es weiter verbessern?
- Wieviel Vertrauen schenken einem die Kunden? Lässt sich dieses noch steigern?
- Kann man sich vorstellen, seine Mitarbeiter stärker in der Öffentlichkeit wirken zu lassen?
- Oder will man weniger kommunizieren, sondern doch einfach nur den Verkauf stärken?
- Wer sind die Markenbotschafter im eigenen Unternehmen?
- Wer antwortet auf Kundenanfragen auf Facebook, Twitter und in Blogs?
Abhängig von den Zielvorstellungen kann man dezidierte Erfolge in Social Media erreichen. Das setzt allerdings eine gute Planung und realistische Einschätzungen der Möglichkeiten voraus. Es bedarf viel Zeit und guter Prozesse, um erfolgreich zu sein. Wunder kann Social Media nicht vollbringen, und es reicht nicht aus, hin und wieder ein Bild, Text oder Video online zu stellen. Unternehmen müssen sich die Frage gefallen lassen, warum sie bestimmte Sachen tun und wie sie auf das Feedback ihrer Kunden in Social Media reagieren. Im besten Fall hat man längst ein Social-Media-Monitoring aufgesetzt und gelernt, seinen Kunden zuzuhören. Damit beginnt jede strategische Auseinandersetzung mit dem Thema. Doch Unternehmen müssen ihre Monitoring-Ergebnisse auch für die Produkt- und Service-Entwicklung nutzen sowie ihren Kritikern und Fans online antworten. Es darf nicht passieren, dass die Ergebnisse wie ein Presseclipping in der digitalen Schublade verschwinden.
Stattdessen sollte man alle Kunden-Feedbacks für die Verbesserung des Unternehmens nutzen und darüber Innovationen anstoßen sowie alles tun, um Kunden zufriedener zu machen. Deshalb ist das Antworten wichtiger geworden – darauf müssen Unternehmen heute vorbereitet sein. Langwierige Freigabeprozesse oder eine mangelhafte Abstimmung zwischen den unterschiedlichen Abteilungen erschweren eine erfolgreiche Social-Media-Kommunikation. Hier ist schnelle Vorsorge Pflicht, wenn man lautstarke Beschwerden oder gar Krisen vermeiden will.
Unternehmen müssen Verantwortlichkeiten definieren, damit auch die richtigen Ansprechpartner auf die Kunden- und Influencer-Anfragen reagieren. Dazu sind Mitarbeiter gefragt, die ihr Unternehmen gut kennen und ein ausgeprägtes Verständnis von Social Media und den Kommunikationsgepflogenheiten mitbringen. Sollten sich intern keine Personen finden, die bereits über ausgeprägte eigene Erfahrungen verfügen, kann man entweder die neue Stelle eines Social Media Managers schaffen oder die Kompetenz mit Hilfe externer Beratung aufbauen.
Persönliche Ansprechpartner sorgen für Vertrauen
Mit Social Media erhalten die Bereiche Marketing, Öffentlichkeitsarbeit, Human Resources, Kundenservice und Vertrieb neue technische Kommunikationsinstrumente an die Hand. Sie können beispielsweise in kürzester Zeit ein eigenes Corporate Blog kostenlos anlegen lassen, sich selbst in einem der zahlreichen Netzwerke darstellen und darüber Kontakte zu potenziellen Kunden aufbauen. Dabei sind große und kleine Unternehmen in Social Media gleichgestellt.
Die Funktionalitäten in den Social Networks und auf Social-Media-Plattformen wie YouTube und Flickr sind in der Regel überschaubar, und Geld ist nicht ausschlaggebend für den Erfolg in Social Media. Es kommt vielmehr auf kreative Ideen und auf das Community-Management an. Wer gezielt den Dialog verbessert, kann seine Kundenbasis effektiv pflegen und ausbauen. Je stärker man dabei auf persönliche Beziehungen der eigenen Mitarbeiter online setzen kann, desto positiver wirkt sich das auf die Glaubwürdigkeit aus. Man sollte den Kundenkontakt weniger abstrakt, sondern so persönlich wie möglich gestalten.
Gelungene Beispiele für die Kundenkommunikation 2.0 gibt es hierzulande nur vereinzelt. So ist die Deutsche Telekom seit einiger Zeit mit einem Team auf Twitter (@Telekom_hilft) unterwegs, um unter dem Account auf Kundenanfragen zu reagieren. Erst kürzlich hat sie ihr Social-Media-Engagement nun auch auf Facebook ausgeweitet. Auch die Deutsche Lufthansa reagiert insbesondere in Bezug auf aktuelle Entwicklungen wie die Aschewolke im Frühjahr 2010 sehr zeitnah und kompetent.
Strategie statt Aktionismus
Wer sich mit Social Media im Unternehmensumfeld auseinandersetzt, stellt schnell fest, dass klassische Gatekeeper nicht mehr ganz so wichtig für die Kommunikation sind. Die alten Spielregeln in der Kommunikation waren im Vergleich noch überschaubar.
Heute kann jeder jeden noch so kleinen Fehler per Suchmaschinen aufspüren, der immer dann wieder an der Online-Reputation des Unternehmens kratzt, wenn Influencer in einem neuen, passenden Kontext damit Aufmerksamkeit erregen. Man sollte daher niemals die mediale Reichweite der Twitterer, Blogger und Networker unterschätzen.
Die Experimentierphase neigt sich langsam dem Ende zu. Heute stellt sich nicht mehr die Frage, ob Unternehmen in Social Media präsent sein sollten, sondern vielmehr wie dieses Engagement aussehen sollte, um erfolgreich zu sein. Dabei gilt es zum einen, die Weichen intern zu stellen und Strukturen, Prozesse und Verantwortlichkeiten zu definieren. Zum anderen sollten Unternehmen eine Social-Media-Strategie entwickeln, um sich langfristig eine positive Online-Reputation aufzubauen. Jedes Unternehmen, das sich gut informiert, kann erfolgreich sein!
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