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UX & Design

Wie Design-Crowdsourcing die Kreativbranche verändert

Ohne Zweifel: Kreativberufler haben es nicht leicht. Der Kampf um oftmals schlecht finanzierte Aufträge und verschleuderte Entwürfe bei Agentur-Pitches kosten Kraft, Zeit und bares Geld. Nun mischen auch noch Online-Plattformen mit, auf denen Auftraggeber Projekte ausschreiben und Dutzende Designer für sich pitchen lassen – Modell der Zukunft oder Zenit der Ausbeutung? Wir beschreiben aktuelle Entwicklungen in der Kreativbranche, die sich immer wieder um eine Sache drehen: das „Pitch-Problem“.

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Pitchen gehört zum Agenturgeschäft wie die Gurke auf den Burger. Manchen bereitet der Nervenkitzel und der Wettbewerbscharakter Freude, andere finden es einfach nur lästig. Fest steht: In den letzten Jahren hat sich in puncto Pitch vieles verändert. Während selbstständige Kreativberufler und Agenturen vor zehn Jahren noch gegen zwei bis drei Mitbewerber antraten, sind es heute oftmals zehn oder mehr. Frust macht sich breit und entlädt sich unter anderem in der Facebook-Gruppe „Pitch-Etiquette“, einer virtuellen Klagemauer „für das ewig leidige Thema ‚Unbezahlte Pitches – und andere Eigenarten von Kunden auf Agentursuche“. Gegründet im Herbst 2010 sind schon über 2.000 Leute beigetreten und erzählen verständnislos bis zutiefst erbost von ihren Erlebnissen mit Kunden, denen man die Entwürfe am liebsten auf den Rücken tackern würde. Dahinter steht die ernstgemeinte Forderung, auch als Kreative (das sind die mit dem Hobby als Beruf) respektvoll und unter Verwendung grundsätzlicher Benimmregeln behandelt zu werden. Doch welches Verhalten bringt die kreative Szene eigentlich so auf die Palme?

Mehr Leistung für weniger Geld

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Für Bärbel Boy, Geschäftsführerin der Kieler Agentur „boy | Strategie und Kommunikation“, sind es vor allem drei Entwicklungen:

  • Kunden bezahlen für die eingereichten Pitch-Entwürfe immer weniger bis gar kein Honorar mehr.
  • Kunden laden immer mehr Teilnehmer zum Pitch ein, die in immer kürzer werdenden Zeitspannen immer mehr Entwürfe einreichen sollen.
  • Kunden holen sich zunehmend Pitchberater mit ins Boot, anstatt mit einer Agentur einen langfristigen Weg im gegenseitigen Austausch einzugehen.

Pitch-Entwürfe für lau?

Die fehlende Honorierung für eingereichte Pitch-Entwürfe ist zu einem ernsthaften Problem geworden. In kleineren Agenturen bindet jeder Pitch einen Großteil der personellen und zeitlichen Kapazitäten. Ein verlorener Pitch bedeutet verbranntes Geld. Und verbrannte Motivation, da der kreative Einsatz dem Auftraggeber nicht einmal eine Aufwandsentschädigung wert ist. „An Pitches, die nicht honoriert werden, nehmen wir kaum noch teil – höchstens wenn wir uns wirklich gute Chancen ausrechnen oder es sich um ein soziales Projekt handelt“, berichtet Boy.

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Andere sind noch radikaler. Immer mehr Dienstleister, wie die Berliner Agentur wepublic oder die Kölner Agentur Kaune, Sudendorf, machen auf ihren Webseiten deutlich, dass unentgeltliche Pitches eine Frechheit sind. „Verschenken Sie gern ihr wertvollstes Hab und Gut, wir nicht. Deshalb sagen wir konsequent NEIN zu Pitches OHNE Honorar“, heißt es bei wepublic.

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Und bei Kaune, Sudendorf: „Geben Sie uns ein bisschen Geld für Schokolade, Zigaretten, Layoutfotos, Pizzaservice, Präsentationsmaterial und Espresso. (…) Wir fahren davon nicht in Urlaub oder zahlen damit unseren Deckel in der Bar nebenan.“ Damit folgen sie den Empfehlungen einschlägiger Agenturverbände wie GWA und GPRA, die von Pitches ohne jegliche Aufwandsentschädigung abraten.

Wie viel Zeit verwenden Designer für die über die Plattform generierten Aufträge? (Umfrage: 12designer.com)

Wie viel Zeit verwenden Designer für die über die Plattform generierten Aufträge? (Umfrage: 12designer.com)

Die Agenturmanagement-Beratung cherrypicker veröffentlichte Anfang des Jahres eine Honorar-Empfehlung für Pitches, die für alle Agenturarten und Disziplinen gelten soll. Sie wurde vielfach mit viel Freude aufgenommen – natürlich auf Seite der Kreativen. Doch lassen sich auch Auftraggeber davon beeindrucken? Auch in den eigenen Reihen gibt es Gegenstimmen. Andreas Gruhl von der Pitchberatungs-Agentur ALLER ! BEST spricht sich zwar nicht grundsätzlich gegen Aufwandsentschädigungen für Pitches aus, will das Thema aber differenzierter sehen. Statt generelle Honorare zu vereinbaren sei es angemessener, spezielle Kosten wie technische Auslagen zu verhandeln und sich Copyright-Rechte vergüten zu lassen. „Man muss das doch mal realistisch sehen: Deutschland ist das einzige Land weltweit, wo Pitches überhaupt honoriert wurden. Internationale Firmen kennen dieses Thema gar nicht.“

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Ein Dutzend Mitbewerber pitchen mit

Neben fehlender Pitchvergütung stößt den Kreativen auch die wachsende Anzahl an Pitch-Mitbewerbern auf, zumal die Pitch-Teilnehmer nicht immer über die Konkurrenz informiert werden und sich wundern, warum sie wochenlang nichts vom Auftraggeber hören. Die Vielzahl an eingeladenen Agenturen ist ein Eigentor, findet Boy: „Viele Kunden verstehen nicht, dass eine größtmögliche Vielfalt von Entwürfen überhaupt nicht förderlich ist für die Entscheidungssituation. Ohne die strategische und beraterische Arbeit fehlt es den Kunden auch an Entscheidungsgrundlagen.“

Vielen Kunden gelinge es nicht mehr, sich im Vorfeld auf drei Agenturen festzulegen, die zu ihnen passen könnten, und lassen so viele wie möglich antanzen. „In dem Fall ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es dem Kunden auch nicht gelingt, einen passenden Entwurf auszuwählen. Viele tragen ihre interne Unentschiedenheit auf dem Rücken der Agenturen und Designer aus.“ Bei ihrem letzten Pitch habe sich herausgestellt – nachdem vier Agenturen insgesamt zwölf Entwürfe präsentiert hatten – dass im Unternehmen gar nicht geklärt war, ob man überhaupt etwas Neues wolle.

Die Lösung: der Pitchberater?

Bei so viel Unentschiedenheit hilft seit einiger Zeit nur einer weiter: der Pitch-Berater. Laut Boy, deren Agentur auf Strategieentwicklung spezialisiert ist, eine schlechte Entwicklung. Man werde als Agentur nun auf das reduziert, was hinterher den geringen Teil der eigentlichen Leistung ausmache: den Entwurf. Gute Pitchberater können allerdings auch etwas zur Verbesserung der Situation für Agenturen beitragen – dann nämlich, wenn sie als neutrale Instanz zwischen Agentur und Unternehmen fungieren und zum Beispiel dabei helfen, vorab passende Agenturen auszuwählen, um den Massen-Pitch zu verhindern – so zum Beispiel das Pitch-Consulting im Rahmen von Organized by iF, das mit dem International Forum Design Hannover als neutraler Instanz kooperiert. [1]

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Online-Marktplätze: Zukunftsmodell oder Ausbeute?

Während sich viele über die Entwicklungen im „normalen“ Agentur-Geschäft beklagen, gibt es längst eine neue Baustelle: Online-Marktplätze für Kreative Dienstleistungen. Dort schreiben Kunden ihre Aufträge (zum Beispiel Logos) aus und lassen sämtliche registrierten Designer darum pitchen. So wie bei designenlassen.de. Im Sommer 2009 öffnete der Marktplatz zeitgleich mit verschiedenen Mitstreitern seine Pforten. Der Aufschrei in Foren und Blogs war immens (ist aber mittlerweile ziemlich abgeebbt). Dabei hört sich das Konzept zunächst nett an: „Bei uns können die Kreativen einen Neukunden vor allem durch gute Arbeit gewinnen und müssen nicht durch ein schickes Büro oder eine aufwändige Präsentation bestechen. Und der Auftraggeber kauft nicht die Katze im Sack, sondern kann in einem transparenten und fairen Prozess die für ihn beste Lösung zum Festpreis erwerben“, erklärte Mitgründer Michael Kubens zum Start.

Der offene Brief des Kölner Designer Stefan Maas verbreitete sich in Windeseile. Dort schreibt er an die Plattformbetreiber:

„Sehr geehrter Herr Kubens, sehr geehrter Herr Sobolewski,

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auf diesem Wege muss ich Ihnen zu Ihrer Internetseite www.designenlassen.de gratulieren. Ihr zweifellos kreatives und neuartiges Geschäftsmodell könnte tatsächlich eine neue Zeit in der Designbranche anbrechen lassen, allerdings meiner Meinung nach eher eine Endzeit. Das von Ihnen praktizierte Designverständnis wirft diesen Beruf in seiner öffentlichen Wahrnehmung locker um 20 Jahre zurück und ist Rufschädigung pur.“

In seinem Schreiben kritisiert Maas, dass Projekte nun „mit Minimalbriefing als Lotterie“ ausgeschrieben werden; dabei entstünden kreative Konzepte doch eigentlich in einem gemeinsamen Prozess zwischen Auftraggeber und Designer. Auch die Höhe der durchschnittlichen Projekt-Budgets von (damals) 350 Euro sind ihm ein Dorn im Auge. „Wenn ich die oben genannten Zahlen zum Beispiel mit den Honorarempfehlungen der Berufsverbände vergleiche, dann wird deutlich, dass es sich hier um den Sachverhalt der „Liebhaberei“ handelt, wie es das Finanzamt ausdrücken würde.“ Mitmachende Designer seien spätere HartzIV-Fälle. Das Fazit: „Es ist durchaus beeindruckend zu sehen, dass man mit den heutigen Marketingmitteln sogar moderne Formen von Sklaverei so schick verpacken kann, dass sie attraktiv wirken. Und man bekommt sogar Förderpreise für diesen Unfug.“

Vorteile der Online-Marktplätze: keine Aquisekosten

Eva Missling, selbst Geschäftsführerin einer „solchen“ Plattform, ist genervt von Diskussionen dieser Art. Ihr Design-Marktplatz 12designer (www.12designer.com) ging ebenfalls 2009 an den Start.

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Projektausschreibungen beim Design-Marktplatz 12designer.com.

Projektausschreibungen beim Design-Marktplatz 12designer.com.

Den Vorwurf der Dumping-Preise findet sie undurchdacht und legt das durchschnittliche Auftragsvolumen bei 12designer offen dar: 271 Euro für die Erstellung eines Flyers, 284 Euro für ein Logo und 724 Euro für ein Webdesign-Projekt. „Aber man muss gegenrechnen, wie viel Zeit man als Designer investiert um sich zu vermarkten, die Webseite zu erstellen, Unternehmen anzuschreiben – alles Dinge, die bei uns wegfallen“, erklärt sie. Dabei stimmt sie mit vielen Branchenkennern überein, dass die Vergütungen für Design derzeit im Keller liegen – online wie offline. Deshalb ist ihr Credo: Je mehr Leute mitmachen, desto mehr bestimmen sie selbst die Preispolitik. Das Wachstum von Plattformen wie 12designer müsse nicht zunehmendes Preisdumping bedeuten, sondern ermögliche den Designern, die Preispolitik selbst zu regulieren.

Missling kommt selbst aus dem Agenturgeschäft und hat immer wieder festgestellt, dass Kunden gerade bei „kleinen“ Dingen wie der Gestaltung eines Logos den direkten Kontakt mit dem Designer wünschen und keine Lust auf die komplexen Agentur-Strukturen haben. Bei 12designer können sie ihr Projekt einfach ausschreiben und sich für den besten Entwurf entscheiden. Die Frage ist auch: Werden hier wirklich Aufträge vergeben, die ansonsten zu einem höheren Preis bei einer Agentur gelandet wären? Oder nehmen die Dienste vor allem kleine Ein-Mann-Unternehmen in Anspruch, die ansonsten darauf verzichtet hätten? Vermutlich beides. In den Referenzen der Plattformbetreiber finden sich zahlreiche Rückmeldungen von Startups und Selbständigen, die bisher mit Selbstgebasteltem hantiert haben. Daneben aber auch größere Firmen bis hin zu renommierten Unternehmen, die anscheinend eher die neue Form des Pitchens reizt als die Möglichkeit, unschlagbar günstig an ein Logo zu kommen. Die Crowdsourcing-Projekte eignen sich darüber hinaus wunderbar, um mit Facebook und anderen Sozialen Netzwerken zu einer Promotion Kampagne verknüpft zu werden.

Immer wieder taucht in Foren auch die Annahme auf, dass sich auf den Plattformen doch eh keine „Profis“ tummeln, sondern Hobby-Kreative und Jungdesigner, die einen Fuß in die Tür bekommen wollen: „Für letztere ist DesignenLassen.de sicherlich besser, als ein Jahr unbezahltes Praktikum in einer pseudo-hippen Werbeagentur“, schreibt ein Kommentator auf einen Blogbeitrag von Emanuel Kluge hin. [2] Dies ist jedoch – zumindest zwei Jahre nach dem Start – eine falsche Annahme. Neben den tatsächlich existierenden Designstudenten und Hobby-Grafikern gibt es zahlreiche ausgebildete Designer mit zum Teil bachtlicher Berufserfahrung. Warum lassen sich so viele widerstandslos „ausbeuten“? Drei Gründe stehen im Vordergrund:

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  • Zwischenzeiten sinnvoll ausnutzen
  • Sich in der Community weiterentwickeln
  • Premium-Projekte und längerfristige Auftraggeber abgreifen

Online-Pitches als „Zwischendurch-Lösung“

„Viele Designer nutzen die Lücke zwischen zwei Aufträgen, um bei einem Online-Pitch mitzumachen. So ist die Zeit sinnvoll genutzt und man kann sich endlich mal an Projekte machen, die dem eigenen Interessengebiet entspringen“, erklärt Missling, deren Plattform aktuell europaweit expandiert. Wohl deshalb sind bei 12designer Aufträge, in denen es inhaltlich um Kinder oder „Bio“ geht, besonders begehrt. Für den Aspekt des „Lückenfüllers“ spricht außerdem, dass besonders häufig um Logos (durchschnittlich 102 Entwürfe) und Namensfindungen (durchschnittlich 144 Entwürfe) gepitcht wird – Aufträge mit verhältnismäßig geringem zeitlichem Aufwand.

Ideenklau oder Möglichkeit zum Feedback?

Ein weiterer Grund für den starken Zulauf sei die Lust an der eigenen Weiterentwicklung. Bei der häufigsten Auftragsart „12plus“, bei der alle interessierten Designer mitpitchen dürfen, sehen die Mitmachenden gegenseitig die Entwürfe ein. Dies wird in der Branche stark bemängelt, da es den Ideenklau untereinander fördere. Missling sieht es anders: „Natürlich gibt es Einzelfälle, aber die Gesetze zu Markenrecht existieren bei uns ja auch. Im Gegenteil ist es so, dass diese Auftragsform besonders beliebt ist. Man kommentiert sich gegenseitig und erhält somit wertvolles Feedback für die eigene Weiterentwicklung.“ Außerdem hätten die Designer selbst darauf gedrängt, die anfängliche Auftragsart „12basic“, bei der nur 12 Designer pro Pitch zugelassen werden, aufzusprengen.

Folgeaufträge generieren

Für talentierte Designer ist auch die Auftragsart „12pro“ interessant. Bei dieser Form werden nur Designer zugelassen, die sehr gute Bewertungen haben und bereits Pitches gewonnen haben. Entsprechend höher ist das erforderliche Preisgeld und die Gebühren für die Auftraggeber. Diese können bei allen Auftragsformen zusätzlich einstellen, ob die Entwürfe untereinander einsehbar sind. Interessanterweise sind die offenen Pitches laut Missling bei den Designern beliebter als die privaten. „Offene Pitches sind meist dynamischer und kommunikativer, man bekommt Rückmeldung von den anderen Teilnehmern, weiß wann man sich rausziehen muss und bekommt meist mehr Feedback vom Auftraggeber.“

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Überhaupt sei die Rolle des Auftraggebers der entscheidende Motivationsfaktor für die Designer, wie eine Umfrage unter 12.000 registrierten Designern (718 eingegangene Antworten) ergab. Wichtig sei, dass er die Abnahme eines der eingereichten Entwürfe garantiere und sich nicht vorbehalte, am Ende keinen der Entwürfe zu nehmen. Zusätzlich käme es auf den persönlichen Dialog an: fehlende Rückmeldung vom Kunden verunsichere.

Letztlich diene so ein Auftrag auch häufig als Sprungbrett, um mit einem Kunden in Kontakt zu treten und bei Gefallen längerfristig zusammen zu arbeiten. Dass man solche Türöffner nicht mit einem saftigen Honorar aufwiegen kann, ist in jeder Branche bekannt.

Umfrage von 12designer.com: Ab welchem Honorar (für den Gewinner-Entwurf) lassen sich die registrierten Designer auf Pitches ein?

Umfrage von 12designer.com: Ab welchem Honorar (für den Gewinner-Entwurf) lassen sich die registrierten Designer auf Pitches ein?

„Zielgruppenaffines“ Design?

Ein Problem, das sich auch im Offline-Agenturgeschäft abzeichnet, zeigt sich allerdings auch hier: Designer werden auf das Produzieren von Entwürfen reduziert und treten nicht in den vertieften Austausch mit einem Auftraggeber (zumindest nicht von Anfang an). Dieser kommentiert nach eigenem Gutdünken und entscheidet, welcher Entwurf der „schönste“ (passendste? stylischste?) ist. Doch indem der Austausch mit den eigentlichen Experten, nämlich den Designern, entfällt oder auf Punktevergabe reduziert wird – wie soll es auch anders gehen bei Dutzenden von teilnehmenden Pitchern? – entstehen zwei Gefahren:

Statt mit dem Kunden im ständigen Dialog um einen guten Entwurf zu ringen, müssen die Designer versuchen, schon vorab möglichst den subjektiven Geschmack des Auftraggebers zu treffen. In den Worten eines Kommentators: „Das Ergebnis ist «bauherrenfreundliche» Architektur oder «zielgruppenaffines» Design, kurzum gequirlter Mist“. [3]

Die Vielzahl der Entwürfe überfordert jeden Kunden. Nach welchen Kriterien soll er noch entscheiden? Die Masse verzerrt den Blick und die Entscheidungsfähigkeit. Um Kunden das selbstgeschaffene Problem der Überforderung abzunehmen bietet 12designer eine interne „Design-Jury“ an. Das Gremium hilft Auftraggebern, aus ihren Favoriten das unter professionellen Gesichtspunkten beste Design auszuwählen. Die Design-Jury ist damit eine Entsprechung zum externen Pitch-Berater im Offline-Agenturgeschäft.

Chancen und Grenzen

Im Kreativbereich hat sich in den letzten zehn Jahren vieles verändert. Manche Arbeitsbedingungen haben sich erschwert, bieten aber auch neue Möglichkeiten. Noch sind Kreativmarktplätze wie 12designer und 99designs.com keine echte Konkurrenz zum Offline-Agenturgeschäft, sondern machen nur einen geringen Marktanteil aus. Dies wird sich aber langfristig ändern, auch wenn die Designpitch-Plattformen ihre Grenzen haben: Sinn machen sie nur für Kunden, die schon wissen was sie wollen und entsprechende Vorkenntnisse mitbringen. Auftraggeber müssen angeben können, in welchem Format sie ihre Designs benötigen, und müssen ebenso mit den Formaten umgehen können, in denen die Designer ihre Entwürfe zuschicken. Unternehmen, die in Bezug auf Design und Web völlig unbedarft sind, werden sich auch weiterhin von Agenturen beraten lassen. Und auch wer in langfristigen Strategien denkt, braucht die Zusammenarbeit mit einer Agentur. Denn, so die schlaue Aussage von Uli Meyer-Johanssen, einer der Vorsitzenden bei der Brandingagentur MetaDesign: „Design lässt sich vielleicht pitchen, Identität nicht.“

Insgesamt bedenklich an den neueren Entwicklungen ist, dass die Schere weiter aufklafft: Mehr Leistung für weniger Geld heißt immer auch mehr schlechte Leistung. Dienstleister sind mehr und mehr gezwungen, sich zu positionieren: Sich an die aktuelle Preispolitik anpassen oder bewusst im Profi-Sektor bleiben und dementsprechend von zahlreichen Pitches ausgeschlossen sein? Die Agentur Boy hat sich für zweites entschieden und reicht auch dann, wenn nach drei Entwürfen verlangt wird, meist nur einen ein – dieser beinhaltet dann aber ein tief durchdachtes und auf das Unternehmen abgestimmtes Konzept. Trotz der vergleichsweise hohen Honorarvorstellungen fährt das kleine Unternehmen bisher gut damit. Und baut sich nebenbei ein zweites Standbein auf: Durch die strategische Ausrichtung und Erfahrungen in der Unternehmensberatung wird die Agentur bald auch Pitch-Beratung anbieten.

Letztendlich geht es Deutschlands Kreativen nicht anders als den Programmierern, Handwerkern und Dienstleistungsunternehmen, die sich ebenfalls positionieren müssen zwischen den Preisstrukturen von Online-Marktplätzen und ihrem Berufsethos. Bei freelancermap.de werden Aufträge für ITler vergeben, bei myhammer.de und blauarbeit.de Aufträge für Handwerker – nicht zu vergessen Foto-Plattformen wie iStock, auf denen Künstler und Laien ihre Fotos verkaufen. Jammern hilft da nicht, stattdessen braucht die Branche „interne Loyalität und einen Zusammenschluss, für den alle Mitglieder aktiv eintreten.“

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