Voice-over-IP-Telefonanlagen für Unternehmen: Das Telefon aus dem Web
Voice over IP (VoIP) ist heute längst in den Privathaushalten angekommen. Skype, FaceTime und selbst herkömmliche Telefonie läuft heute bevorzugt über das Internet. Kein Wunder: Neben Geld spart die doppelte Nutzung einer Leitung vor allem (Wartungs-) Arbeit.
Auch große Unternehmen setzen deshalb auf VoIP-Anlagen anstelle herkömmlicher Telekommunikationstechnologie. Für kleinere Firmen lohnte sich die Anschaffung einer neuen Telefonanlage indes kaum: Server, Wartung und nicht zuletzt die Telefone selbst sind meist zu teuer. Hier springen die IP-Centrex-Anbieter in die Bresche und bieten von Spezialisten gewartete, flexibel portionierbare Telefonanlagen.
Ein Beispiel: Die fiktive Sanitärfirma „Müller-Rohrfrei“ möchte als bundesweit tätiges Unternehmen mit mehren Standorten seine in die Jahre gekommene Telefonanlage ersetzen. Das Unternehmen beschäftigt neben Verwaltungsmitarbeitern an fünf Standorten auch rund zwei Dutzend Außendienstmitarbeiter, die häufig zu Hause arbeiten. Alle Standorte und Mitarbeiter sollen einfach und flexibel an die neue Telefonanlage angebunden werden, zusätzliche Kosten scheut der Geschäftsführer.
In der öffentlichen Diskussion, die vorwiegend durch die Bedürfnisse von Privatnutzern geprägt ist, wird VoIP oft mit kostenfreier Telefonie gleichgesetzt. Das ist bei Unternehmen, die ein gänzlich anderes Telefonverhalten an den Tag legen, zwar utopisch, dennoch sind auch im Geschäftsumfeld Kostensenkungen insbesondere bei Auslandsgesprächen möglich. Tatsächlich profitieren Firmen von VoIP aber an anderer Stelle.
Entscheidungshilfe
Bei internen Gesprächen beispielsweise: Hier lassen sich gegenüber herkömmlicher ISDN-Telefonie Kosten sparen, sowie – auch komplexe – Organisationen und Abläufe abbilden und verwalten. Eine höhere Flexibilität was die Integration bestehender Geräte in die Infrastruktur betrifft erlaubt darüber hinaus eine nahtlose Schnittstelle zu Außendienstmitarbeitern. Und sogar Groupware-Lösungen profitieren von einer IP-Telefonanlage, da über Click-to-Call-Erweiterungen Kontakte direkt aus Outlook oder Lotus Notes heraus angerufen werden können.
Risiken hingegen liegen in der Überschätzung der Kostensenkungspotenziale, mitunter in Einbußen bei der Sprachqualität und in Sicherheitsproblemen. Letztere werden zwar stark diskutiert, aber teils überschätzt. Denn die meisten Sicherheitsprobleme lassen sich mit ähnlichen Maßnahmen wie jenen für reine Datennetze (LAN, WLAN, etc.) gut in den Griff bekommen.
Werner Müller, Geschäftsführer von „Müller-Rohrfrei“, ist überzeugt. Internetanschlüsse haben alle seine Außenstellen und auch die Mitarbeiter, die bei sich zuhause arbeiten, sind (gezwungenermaßen) an das Internet angebunden. Von befreundeten Unternehmern hat er jedoch erfahren, dass es mehrere Arten von VoIP gibt. Welche eignet sich also für ihn?
Bezeichnung | Definition |
Internettelefonie | Unter diesem Begriff versteht man Gespräche, die zwischen einzelnen Teilnehmern über das Internet getätigt werden. Internettelefonie wird vorwiegend von Privatanwendern genutzt. |
IP-Centrex | Als IP-Centrex (Internet Protocol Central Office Exchange) bezeichnet man in ein Rechenzentrum ausgelagerte IP-Telefonanlagen, die über das Internet angebunden sind. IP-Centrex wird auch als virtuelle Telefonanlage, Hosted PBX oder NetPBX bezeichnet. |
Lokales VoIP | Lokales VoIP bezeichnet eine IP-basierte Telefonanlage. Die Sprachdaten werden nicht analog, sondern als Datenpakete über das lokale Netzwerk (LAN) übertragen. Eine Internetanbindung ist hierbei nicht erforderlich. |
Einsatzgebiet
Die bevorzugte Nutzungsvariante von VoIP im Unternehmen stellt derzeit das lokale Netzwerk (LAN) dar. Das kann sich aber in Zukunft mehr und mehr ändern, da lokale Telefonanlagen mit hohen Anschaffungs- und Betriebskosten verbunden sind.
Mit dem Einsatz von IP-Centrex lassen sich die Kosten deutlich senken, da hierbei die kostspielige Anschaffung teurer Telefonanlagen eingespart werden kann. Im Unternehmen selbst werden lediglich die vom Anbieter lizenzierten Endgeräte über das Netzwerk an das Internet angeschlossen, je nach Arbeitsplatzanforderung stehen dabei unterschiedliche Modelle zur Verfügung.
Auch PC-basierte Software-Telefone – so genannte Softphones – stehen zur Verfügung. In den meisten Fällen kommen hierzulande immer noch physische Tischtelefone zum Einsatz, die über das Netzwerkkabel an das LAN gekoppelt werden. Bei modernen Power-over-Ethernet-Netzen (PoE) entfällt bei vielen IP-Telefonen das separate Netzteil für die Stromversorgung. Der Strom für den Betrieb des Geräts wird dann vom Netzwerk geliefert.
Das Handy als Nebenstelle
In Deutschland ist IP-Centrex noch nicht wirklich angekommen. Der IP-Centrex–Anteil an Telefon-Lösungen in Unternehmen liegt hierzulande noch unter einem Prozent. Doch das rasante Entwicklungstempo auf dem Telekommunikationsmarkt sorgt für große Umbrüche. Beispiele dafür sind immer vielfältigere Fähigkeiten, etwa Parallelrufe, bei denen mehrere Geräte klingeln (beispielsweise das Telefon im Büro und das Smartphone). Wer dann zuerst abnimmt, hat eben das Gespräch. Ebenso interessant sind Konferenzschaltungen oder das bereits erwähnte Click-to-Call-Prinzip (auch „Click2Dial“ genannt).
Auch der Zugang zum Telekommunikationsnetz ändert sich rapide. War bis vor ein paar Jahren der ISDN-Primär-Multiplex mit 30 Sprachkanälen das Maß der Dinge, so setzen viele Unternehmen heute auf IP-basierte Dienste, die nur noch halb so viel kosten. Hier setzt auch das IP-Centrex-Konzept an: Die Funktionen einer Telefonanlage werden von einem Serviceprovider in einem Rechenzentrum bereitgestellt. Dies eröffnet völlig neue Möglichkeiten in Bezug auf die Flexibilität. So bietet IP-Centrex auch den Einsatz von Außendienstmitarbeitern oder Heimarbeitsplätze an, einzige Vorraussetzung dafür ist ein schneller Internetanschluss.
Für Werner Müller ist der Fall klar: Außendienstmitarbeiter, die auf einer Messe oder im Hotel mit dem Notebook oder Smartphone im Internet sind, können sich künftig auch bei der gehosteten Telefonanlage des Unternehmens anmelden. So ist der Mitarbeiter über seine gewöhnliche Durchwahl erreichbar, was die Kosten für eine teure Rufumleitung auf das Mobiltelefon spart. Ebenso kostengünstig können Heimarbeitsplätze für die Mitarbeiter geschaffen werden.
Und noch ein Vorteil der virtuellen Telefonanlage: Sie ist skalierbar und Müller zahlt immer nur die benötigte Anzahl an Nebenstellen. Kommen neue Mitarbeiter hinzu, bucht er ganz bequem über die Web-Oberfläche des IP-Centrex-Anbieters eine weitere Nebenstelle hinzu. Somit wächst und schrumpft die Telefonanlage im Web mit dem Unternehmen.
Eine Nummer pro Mitarbeiter
Die Anbieter setzen durchgängig auf das One-Number-Concept, das genau eine Durchwahl je Mitarbeiter vorsieht. Mobiltelefone werden dabei lediglich als Endgerät angesehen, die ebenso in das Netz eingebunden sind wie DECT- oder Tisch-Telefone. Somit können Anrufe auf dem bevorzugten Weg angenommen werden, der Anrufer erreicht aber in jedem Fall den gewünschten Gesprächspartner.
Werner Müller hat bei „Müller-Rohrfrei“ inzwischen auf IP-Centrex umgestellt. Fortan erreicht er seinen besten Techniker Meier deshalb unter der Durchwahl 123, ganz egal, ob dieser gerade im „Home-Office“ arbeitet und den Anruf per Softphone oder Tischtelefon entgegennimmt oder auf dem Weg zum Kunden sein Smartphone bedient. Auch der umgekehrte Weg ist übrigens möglich: Meier taucht immer mit der internen Anruferkennung im Display des Chefs auf, ganz gleich, welches Endgerät er gerade bemüht.
In Strukturen einbinden
Das wirkt sich auch auf die Arbeitseffizienz der Angestellten aus. Dank IP-basierter Kommunikation kann direkt vom Computer aus ein Gespräch gestartet werden. Das Zauberwort heißt „Click2Dial“. Bei bekannten Kontakten entfällt das manuelle Eingeben von Nummern sogar zur Gänze, ein Name reicht und das System sucht die passende Nummer und wählt diese automatisch.
Eine weiter nützliche Integrationsmöglichkeit ist die Präsenzanzeige: In die Groupware eingebunden liest die Software den aktuellen Kalender eines Mitarbeiters aus und zeigt an, ob es aktuell überhaupt Sinn macht, den Kollegen anzurufen oder ob dieser sich gerade in einem Meeting befindet. Das spart Zeit und damit bekanntlich Geld. Wenn zehn Mitarbeiter täglich jeweils fünf Minuten ihrer Arbeitszeit aufwenden, um Telefonnummern zu suchen und anschließend manuell zu wählen, dann entspricht das der Arbeitszeit einer Zehn-Prozent-Stelle. Also eine echte Kostenreduktion für das Unternehmen.
Abhängigkeit geschaffen
Müller ist beeindruckt von den Vorteilen, die so eine Anlage bietet und fragt sich, ob es nicht doch einen Haken an der Sache gibt. Immerhin muss er keine Wartungsgebühren für Server-Hardware mehr bezahlen und auch die fachliche Kompetenz stellt künftig der IP-Centrex-Anbieter.
Doch genau hier liegt auch der große Nachteil: Das Unternehmen ist vom Provider und vor allem der Schnittstelle zu selbigem künftig abhängig. Eine Störung der Leitungen führt zum Stillstand, sowohl der internen als auch der externen Kommunikation. Bei diesen extern gehosteten Lösungen ist Müller also gut beraten, die Verbindung zum Hosting-Anbieter
redundant auszulegen.
Fazit
Endlich scheinen große digitale Telefonanlagen auch in kleine und mittelständische Unternehmen Einzug zu halten. Wer bisher auf Cisco und Asterisk verzichtete, sich aber von den lästigen Analog-Telefonen verabschieden möchte, erhält mit der Cloud-Lösung „IP-Centrex“ einen sehr guten Mittelweg.
Doch die IP-Centrex-Anbieter müssen sich ins Zeug legen, um endlich ihre deutsche Zielgruppe zu erreichen. Die virtuellen Telefonanlagen leiden noch unter mangelnder Bekanntheit und auch ihre Zuverlässigkeit wurde hierzulande entsprechend noch nicht auf die harte Probe gestellt.
Dennoch spricht für den Bezug von VoIP als Dienstleistung („Software as a Service“, SaaS) unter anderem, dass der Kunde, in diesem Fall die Unternehmen, weder mehrjährige Verpflichtungen noch eine langfristige Kapitalbindung eingehen muss.
Verrechnet wird auf Basis der Durchwahlen, man zahlt also pro Monat und Nebenstelle. Ist ein Praktikant für ein paar Monate im Betrieb, kann für diesen Zeitraum also einfach um eine Nebenstelle aufgestockt werden. In Kombination mit Pauschal-Angeboten für die fixen Mitarbeiter ergibt das sowohl eine erhöhte Flexibilität als auch eine Kostenkontrolle für Unternehmen. Ein Service-Level-Agreement (SLA) sorgt zudem für die nötige Verfügbarkeit der IP-Centrex-Dienste seitens des Anbieters.
Anbieter | Produkt | Preis* | Laufzeit |
Deutsche Telefon Standard AG [1] | CentrexX 25 | 6,90 € | – |
finocom AG [2] | Placetel Profi | 3,45 € | – |
nfon AG [3] | nfon Standard | 8,09 € | – |
QSC AG [4] | IPfonie centraflex | 9,52 € | 12 Monate |
reventix GmbH [5] | SIPbase vTK easy mini | 3,45 € | – |
sipgate GmbH [6] | sipgate Team | 4,98 € | – |
TeamFon GmbH [7] | TeamFon | 8,21 € | – |
toplink GmbH [8] | vPBX | 9,28 € | 12 Monate |
Vodafone D2 GmbH [9] | OfficeNet | 7,08 € | 24 Monate |
* = Kosten pro Monat je Nebenstelle |
Die Lösung rentiert sich aber nicht nur aus finanzieller Sicht, sondern leistet darüber hinaus auch einen wichtigen Beitrag zum Kundenservice: Mitarbeiter sind fortan nicht mehr unterwegs und deshalb nicht erreichbar, sondern dank ihrer einheitlichen Nummer ständig kontaktierbar. Das stärkt nicht nur die Kundenbindung, sondern bringt womöglich so den entscheidenden kleinen Wettbewerbsvorteil.
Hallo Thorsten,
toller Artikel, wertvolle Insights und eine ausgereifte Analyse. Leider sind die Inhalte jedoch von 2011 und in einer Branche, die sich so schnell verändert wäre ein Update in 2020 wirklich bitter nötig. Mir ist außerdem aufgefallen, dass Placetel und fonial in der Liste der Anbieter fehlen. Sollte die URL noch Traffic bekommen, könnt ihr ja vielleicht ein Revival machen. Ich würde mich freuen!
Lieben Gruß