Anzeige
Anzeige
How-To
Artikel merken

Agile Produktplanung: Eine Einführung ins Lean Roadmapping

Roadmaps können ein wichtiger Treiber für die Mitarbeitermotivation und den ­Unternehmenserfolg sein. Dazu müssen Produktmanager aber gerade in agilen, ­wachsenden Organisationen einige Prinzipien beachten. Eine Einführung in das Lean Roadmapping.

Von Maik Ludewig
8 Min. Lesezeit
Anzeige
Anzeige

(Abbildung:  Roadmunk, Madebyvadim)


Lange Zeit waren Roadmaps so etwas wie das ungeliebte Stiefkind der Unternehmensplanung: Inhaltlich vordefiniert und auf einen langen Zeitraum datiert, kollidierten ihre starren Vorgaben immer stärker mit den Anforderungen agiler Unternehmen und Startups an erhöhte Flexibilität. Traditionelle Roadmaps gleichen oftmals eher einem Projekt- oder Release-Plan. Ihre Versprechen können nur selten vollends eingehalten werden. Trotzdem sollten Roadmaps als Instrument zur Unternehmenssteuerung nicht unterschätzt werden. Vor allem, wenn es damit gelingt, Grundsätze des agilen Arbeitens systematisch zu verankern. Diesen Ansatz verfolgen Lean-Product-Roadmaps, die den Fokus auf Strategie und Ergebnisse statt auf Features und Deadlines legen. Sie rücken das strategische „Big Picture“ in den Vordergrund und fokussieren sich auf die Wertschöpfung für Kunden und das Unternehmen. Sie spiegeln eine flexible und lernende Organisation ­wider, die sich zugleich an klaren Zielen und Prioritäten orientiert.

Zwischen vision und Sprintlog: Funktion der Roadmap im ­Unternehmen

Eines haben alle Roadmaps gemeinsam: Sie zeichnen den Weg, der das Unternehmen auf Basis von ausgelieferten Produkten und Services näher an seine Vision bringt. Die Vision ist das langfristige Ziel, welches in einem Zeitraum von drei, fünf oder zehn Jahren anvisiert wird – ehrgeizig, aber nicht unerreichbar. Sie soll inspirieren, zugleich aber auch eine Herausforderung darstellen, und alle Mitarbeiter motivieren, an ihrem Erreichen mitzuwirken. Die Roadmap wiederum schlägt die Brücke zum operativen Geschäft: Sie verknüpft die aktuellen beziehungsweise geplanten Projekte und Produkte über messbare KPI mit den strategischen Unternehmenszielen, ist für jeden im Unternehmen einsehbar und fungiert so als strategisches Bindeglied zwischen langfristiger Vision einerseits und Tagesgeschäft andererseits. Ein wichtiger Motivationstreiber für einzelne Mitarbeiter: Sie können sich durch einen Blick auf die Roadmap rückversichern, dass ihre ­aktuelle Tätigkeit nicht nur auf ein Unternehmensprodukt, sondern darüber hinaus auf mittel- und langfristige Ziele und letztlich auch auf die Unternehmensvision einzahlt. Die Redewendung ­„Dream in years, plan in months, ship in days“ verdeutlicht diese Abstufung.

Eines haben alle Roadmaps ­gemeinsam: Sie zeichnen den Weg, der das Unternehmen auf Basis von ausgelieferten Produkten und ­Services näher an seine Vision bringt. (Abbildung: Maik Ludewig)

Anzeige
Anzeige

Roadmaps können dabei sowohl unternehmensübergreifend als auch für einzelne Abteilungen, etwa das Marketing oder das Software-Engineering, erstellt werden. Gerade für Startups ­bietet es sich ­allerdings an, die Produkt- und Tech-Roadmap nicht separat zu erfassen. Die künstliche Trennung von Product- und EngineeringTeams schafft neue Stolpersteine in der Zusammenarbeit, die dann wieder mühsam überwunden werden müssen. Außerdem bestehen meist hohe Abhängigkeiten zwischen den an die Kunden gerichteten Produkten einerseits und der zugrundeliegenden Architektur, den Backend-Systemen und den Investi­tionen in Tech-Debt, Performance oder Skalierbarkeit andererseits. Ein kritischer Pfad zu einem neuen Consumer-­Produkt be­inhaltet oftmals notwendige neue IT-Lösungen. Um von ­Anfang an das große Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, sollten also alle wichtigen Themen in einer einzigen Roadmap zusammengeführt werden.

Lerne jetzt in unserem Videokurs die Grundlagen der Agilität kennen!

Anzeige
Anzeige

Was wird erfasst – und von wem?

Die Frage, welche Projekte und Aufgaben sich auf der Roadmap wiederfinden sollen, müssen Unternehmen vor dem Hintergrund ihrer Vision und ihrer strategischen Ziele individuell beantworten. Als Grundsatz gilt dabei, dass die Roadmap überschaubar und verständlich bleiben sollte. Kleinteiligkeit ist zu vermeiden. Die Roadmap dient als Basis für den Austausch darüber, mit welchen Mitteln die Unternehmensziele erreicht werden – für das gesamte Unternehmen. Sie sollte also im Idealfall jedem ­Mitarbeiter zugänglich sein und nicht durch zu hohen Detailgrad oder Fachtermini abschrecken. Die Flughöhe zwischen ­Vision und Sprint-Backlog erfordert Verständlichkeit. Transparenz und ­Zugänglichkeit aller Stakeholder zur Roadmap sind dabei ­elementare Erfolgsfaktoren.
Für die detaillierte Planung lassen sich unterhalb der Roadmap zudem weitere Planungslevel anschließen. Produkte, die auf der Roadmap stehen, werden oft nicht in einem Block entwickelt, sondern im agilen Umfeld und nach Lean-Methodik in kleinere, überschaubare Inkremente aufgeteilt. Wer etwa mit Scrum als Entwicklungsmethodik arbeitet, erzeugt mit jedem Sprint ein Produktinkrement, welches in Summe auf das finale Gesamt­produkt einzahlt. Diese Abstufung lässt sich auch in eine Roadmap einbinden, indem die Basisinformationen auf oberster Ebene mit optionalen Detaillevels versehen werden.

Anzeige
Anzeige

(Quelle: Webseiten der jeweiligen Anbieter, Stand: Juli 2018, Alle Angaben ohne Gewähr)

Bei der Frage, wer die Roadmap bearbeiten und verändern kann, ist ebenfalls Fingerspitzengefühl gefragt. Eine rein ­zen­trale Top-down-Planung führt vor allem bei Mitarbeitern, die agiles Arbeiten in autonomen, crossfunktionalen Teams und den frühen Einbezug in Strategie und Konzeption gewöhnt sind, schnell zu Frust. Die Frage, welche Priorität einer Produktidee eingeräumt wird und wo sie ihren Platz in der Roadmap findet, kann ohnehin meist nicht mehr allein von einer Person definiert werden. Viele Faktoren spielen bei der ­Priorisierung eine Rolle: Konkrete Kundenanforderungen, ­veränderte Markt- und Wett­bewerbsbedingungen, technologische Neuerungen oder sogar neue gesetzliche Anforderungen wie beispielsweise das Inkrafttreten der DSGVO in diesem Mai. Ganz allein „Bottom up“ funktioniert das Pflegen der Roadmap allerdings auch nicht. Es braucht einen Product Lead, der die Koordination übernimmt und als Kurator bei Bedarf auch Entscheidungen trifft, die der Planung des Teams oder des einzelnen Productmanagers gegebenenfalls widersprechen, dafür aber Kohärenz herstellen und das Gesamtprodukt und -ergebnis positiv beeinflussen.

Zeitplanung: Make it lean!

Den meisten erfolgreichen Produkt-Roadmaps liegt ein ähnlicher Planungshorizont von etwa drei bis zwölf Monaten zugrunde. Vor allem in Startups hat sich dieser Zeitraum als sinnvoll erwiesen, da die hohe Dynamik im Marktumfeld, etwa durch neue Technologien, Wettbewerber oder sich verändernde Kundenanforderungen die Unternehmen dazu zwingt, sich auf einen mittelfristigen Planungszeitraum zu beschränken. Eine Roadmap muss auf neue Informationen reagieren können: Die Vision ist klar definiert, aber der Weg dorthin muss flexibel bleiben.

Anzeige
Anzeige

Hier liegt der wesentliche Unterschied zur traditionellen ­Roadmap, die mit festen Release-Daten auch über längere Zeiträume hinweg arbeitet. Für einen kurzfristigen Planungshorizont von mehreren Sprints mag dies noch möglich sein. Darüber ­hinaus aber, vor allem mit Blick auf mehrere Monate, wird es quasi unmöglich, verlässliche Aussagen zu treffen: Zu viele unkalkulierbare Faktoren zahlen auf die Entwicklungszeit ein und machen die Beantwortung der Frage „Wann geht das live?“ zu einem Blick in die Glaskugel. Entgegen dem menschlichen Drang nach ­Kalkulierbarkeit und Planungssicherheit sollten ­Unternehmen sich also davon verabschieden, die Roadmap mit einem Release-Plan gleichzusetzen.

Da sich selbst bei einem überschaubaren zeitlichen Horizont von maximal zwölf Monaten selten wochen- oder gar tagesgenau planen lässt, bietet es sich an, ganz auf feste Termine zu verzichten und stattdessen nach den Prioritäten und Abfolgen der Produkte zu differenzieren. Eine mögliche Aufteilung besteht etwa in den Bereichen Current, Near-Term und Future: Der Bereich ­Current zeigt alle Produkte, die bereits in Implementierung sind. Hier werden kurzfristige Änderungen oder Entwicklungspausen vermieden, um vollen Fokus auf die Fertigstellung zu geben. In der „Near-Term“-Pipeline finden sich die anschließenden ­Produkte, die in einem Zeitraum von rund drei Monaten umgesetzt werden sollen. Sie sind schon ausreichend geplant und geschätzt. In der „Future“-Pipeline finden sich alle weiteren Pro­dukte, die zwar bereits priorisiert, aber noch nicht mit Aussagen zum zeitlichen Aufwand oder Ressourcen versehen sind. Der Fokus auf ­Prioritäten und Abfolgen an Stelle von Time- und Deadlines auf längere Sicht reduziert unrealistische Erwartungshaltungen und ermöglicht zugleich die notwendige Flexibilität in der mittel- und längerfristigen Planung.

Aufteilung in Buckets

Die Frage zur Aufnahme und Priorisierung von Produktideen in der Roadmap fällt leichter, wenn unternehmensintern Entscheidungsgrundlagen wie Product Buckets zur Anwendung kommen. Hier kann schon vorab festgelegt werden, in welche „Töpfe“ investiert wird, wo also zu welchen Anteilen Entwicklungszeit ein­fließen soll. Dies erleichtert im Zweifel auch die Argumentation gegenüber Stakeholdern und das Neinsagen zu Produktideen – eine der unbeliebtesten Aufgaben eines Produktmanagers.

Anzeige
Anzeige

Sogenannte „Product Buckets“ erleichtern die Entscheidung darüber, in welche Teile eines Produkts die Entwicklungsarbeit investiert werden soll. (Grafik: Maik Ludewig)

Product Buckets können abhängig vom Produkt, Service oder Unternehmen unterschiedlich gestaltet sein. So ist beispielsweise eine Einteilung von Features in Wachstumstreiber und ­Kundenanforderungen möglich. Die Wachstumstreiber ­(Metrics Movers) zahlen direkt auf den Unternehmenserfolg ein, ihr Wert ist also in Form von Neuregistrierungen oder zahlenden Kunden direkt ablesbar. Die Anzahl der eindeutigen Wachstumstreiber ist oft begrenzt. Die Kundenanforderungen dagegen sind ein oftmals unerschöpflicher Pool aus Feature-Requests von Nutzern. Wer die am häufigsten nachgefragten und sinnvollsten Anfragen herausfiltert und umsetzt, reduziert die Frustration auf Kundenseite, verbessert die Customer-Experience und profitiert im besten Fall von glücklichen Kunden, die das Produkt oder den Service positiv bewerten und weiterempfehlen.

Ein weiterer, nicht unwesentlicher Product Bucket fällt in den Bereich technologische Infrastruktur. Hier erfolgen Investitionen in die Performance und Skalierbarkeit der Produkte oder in den Abbau von Tech-Debt, welches sich unweigerlich ansammelt. Auch die Migration auf neue Softwareversionen oder einen neuen Tech-Stack fällt in diesen Bereich. Ein guter Mittelwert für Investitionen von Entwicklungskapazität in den Infrastruktur Bucket liegt bei rund 20 bis 30 Prozent abhängig vom Reifegrad der technologischen Plattform.

Hilfreiche Roadmap-Tools

Vor allem bei Neugründungen sind Bordmittel wie Excel oder ­Powerpoint eine gerne gewählte Option, um erste Produktideen in die konkrete Planung zu bringen. Sobald jedoch die Kom­plexität steigt – wegen der Anzahl der Produkte, Entwickler, Teams und Stakeholder– stoßen rein manuelle Lösungen an ihre Grenzen. Hier spielen auf Roadmapping spezialisierte Tools ihre Stärken aus. Die Preise für derartige, cloud-basierte Tools sind auch für junge Startups zumeist im akzeptablen Rahmen.

Anzeige
Anzeige

Bei der Auswahl eines Roadmap-Tools sollten die verantwortlichen Produktmanager folgende Fragen einbeziehen:

  • Wie gut ermöglicht das Tool die Kollaboration zwischen ­diversen Produktmanagern und/oder Teams?
  • Existieren API-Anbindungen an Projektplanungs- und Ticketing­systeme wie Jira, Pivotal Tracker oder Trello zur Automatisierung von Status-Updates?
  • Wünschen wir eine Cloud- oder On-Premise-Lösung, was ­erfordern unsere Datenschutz-Grundsätze?
  • Brauchen wir integrierte Mechanismen und Lösungen zur Priorisierung wie Scoringboards?
  • Wie gut funktionieren Anlegen und Tracken von ­Meilensteinen?
  • Gibt es Möglichkeiten zur Planung und Darstellung von ­Abhängigkeiten oder kritischen Pfaden?
  • Benötigen wir automatisierte Reportings und kann das Tool diese erstellen?

Als guter „Allrounder“ hat sich beispielsweise productplan.com erwiesen. In der Einstiegsvariante durchaus preiswert, bietet es alle Funktionen, die Lean-Roadmaps mitbringen sollten. Erst wenn eine REST-API-Anbindung oder Zugänge über Single-­­Sign-on-Services notwendig sind, ist der kostspielige Enterprise-Plan notwendig.

Fazit

Lean-Product-Roadmaps verbinden die strategische Vision ­eines Unternehmens mit den konkreten Tasks im Tagesgeschäft und geben Mitarbeitern auf allen Hierarchieebenen eine Basis für die kollaborative Produktplanung. Als organisches Werkzeug der ­Unternehmenssteuerung reagieren sie auf neue Anforderungen und Bedingungen am Markt und bleiben damit flexibel. ­Indem ­Unternehmen sich von starren inhaltlichen und zeitlichen ­Vorgaben lösen, reduzieren sie die Produktplanung auf ein ­sinnvolles Maß und sorgen dafür, dass ihre Roadmap als ­Vermittler zwischen langfristiger Zielsetzung und Arbeitsalltag ihre volle Stärke ­entfalten kann.

Mehr zu diesem Thema
Fast fertig!

Bitte klicke auf den Link in der Bestätigungsmail, um deine Anmeldung abzuschließen.

Du willst noch weitere Infos zum Newsletter? Jetzt mehr erfahren

Anzeige
Anzeige
Schreib den ersten Kommentar!
Bitte beachte unsere Community-Richtlinien

Wir freuen uns über kontroverse Diskussionen, die gerne auch mal hitzig geführt werden dürfen. Beleidigende, grob anstößige, rassistische und strafrechtlich relevante Äußerungen und Beiträge tolerieren wir nicht. Bitte achte darauf, dass du keine Texte veröffentlichst, für die du keine ausdrückliche Erlaubnis des Urhebers hast. Ebenfalls nicht erlaubt ist der Missbrauch der Webangebote unter t3n.de als Werbeplattform. Die Nennung von Produktnamen, Herstellern, Dienstleistern und Websites ist nur dann zulässig, wenn damit nicht vorrangig der Zweck der Werbung verfolgt wird. Wir behalten uns vor, Beiträge, die diese Regeln verletzen, zu löschen und Accounts zeitweilig oder auf Dauer zu sperren.

Trotz all dieser notwendigen Regeln: Diskutiere kontrovers, sage anderen deine Meinung, trage mit weiterführenden Informationen zum Wissensaustausch bei, aber bleibe dabei fair und respektiere die Meinung anderer. Wir wünschen Dir viel Spaß mit den Webangeboten von t3n und freuen uns auf spannende Beiträge.

Dein t3n-Team

Melde dich mit deinem t3n Account an oder fülle die unteren Felder aus.

Bitte schalte deinen Adblocker für t3n.de aus!
Hallo und herzlich willkommen bei t3n!

Bitte schalte deinen Adblocker für t3n.de aus, um diesen Artikel zu lesen.

Wir sind ein unabhängiger Publisher mit einem Team von mehr als 75 fantastischen Menschen, aber ohne riesigen Konzern im Rücken. Banner und ähnliche Werbemittel sind für unsere Finanzierung sehr wichtig.

Schon jetzt und im Namen der gesamten t3n-Crew: vielen Dank für deine Unterstützung! 🙌

Deine t3n-Crew

Anleitung zur Deaktivierung
Artikel merken

Bitte melde dich an, um diesen Artikel in deiner persönlichen Merkliste auf t3n zu speichern.

Jetzt registrieren und merken

Du hast schon einen t3n-Account? Hier anmelden

oder
Auf Mastodon teilen

Gib die URL deiner Mastodon-Instanz ein, um den Artikel zu teilen.

Anzeige
Anzeige