Aktuelle Geräte und Trends im boomenden Markt der E-Reader: Digitaler Lesen
Am ersten Weihnachtstag 2009 wurden auf Amazon.com erstmals mehr E-Books als gedruckte Bücher verkauft. Schon von Dan Browns Megaseller „The Lost Symbol“ hatte der Online-Händler zeitweise mehr digitale als physische Bücher abgesetzt. In den USA hat sich der Umsatz mit digitalen Büchern auf Jahressicht
mehr als vervierfacht, und auch hardwareseitig wächst das Angebot deutlich. Das sind Meldungen mit Signalwirkung: Die digitale Revolution hat im vergangenen Jahr nun auch endgültig das Kulturgut Buch erreicht.
Die Buchhandelskette Barnes & Noble, mit rund 800 stationären Filialen Marktführer in den USA, nahm zum Weihnachtsgeschäft unter großer medialer Beachtung ein innovatives neues Lesegerät ins Sortiment: Der Nook läuft mit dem Google-Betriebssystem Android, hat unter dem augenschonenden „E-Ink“-Display (15 Zentimeter Diagonale) ein kleines LCD-Panel zur erleichterten Navigation und verfügt wie die Kindle-Familie von Amazon über ein Modul für 3G-Mobilfunk. Über eine Million Titel – viele davon kostenlos – finden sich im dazugehörigen Store.
Auch Sony, hinter Amazon momentan die Nr. 2 auf dem US-Markt, hat die Zeichen der Zeit erkannt und mit dem PRS-900 („Daily Edition“) im Dezember ebenfalls einen Reader mit 3G-Fähigkeiten in den Handel gebracht. Mit 399 US-Dollar ist er zwar etwas teurer als Kindle 2 und Nook (je 259 US-Dollar), verfügt aber auch über einen größeren Bildschirm (20 Zentimeter Diagonale), der zudem berührungsempfindlich ist.
Im Vergleich zu den USA steckt der deutsche E-Book-Markt noch in den Kinderschuhen. Nach vielen Jahren des Stillstands brachte Sony im März 2009 in Zusammenarbeit mit dem Grossisten Libri seinen PRS-505 an den Start, der in Asien bereits seit 2007 verfügbar ist. Für 299 Euro war das Lesegerät anfangs nur online und im stationären Buchhandel (u.a. Thalia) zu haben, im Sommer nahmen Elektronikmärkte das Gerät dann ebenfalls ins Sortiment auf.
Sony beschränkte sich aber nicht nur auf den Vertrieb seines Lesegeräts, sondern warb gleichzeitig um Inhalte – mit Erfolg. Immer mehr Verlage brachten im Laufe des vergangenen Jahres deutschsprachige Neuerscheinungen auch als E-Book heraus, inzwischen sind zahlreiche Print-Bestseller optional in digitaler Form erhältlich. Die Preise der digitalen Ausgaben stoßen bei Lesefreunden allerdings auf Kritik: E-Books bewegen sich hierzulande zumeist auf einem Niveau mit der günstigsten Print-Ausgabe (Hardcover oder Taschenbuch), während etwa in den USA Abschläge von über 50 Prozent üblich sind.
Auch in Bezug auf die Hardware ist Deutschland ein digitales Entwicklungsland. Mit dem Sony Reader „Touch Edition“ hat Sony zwar schon im Oktober ein Nachfolgemodell zum inzwischen abverkauften PRS-505 in den Handel gebracht, das Gerät konnte bei Presse wie Kundschaft aber nicht überzeugen – schwache Kontraste und ärgerliche Displayspiegelungen trüben das Lesevergnügen.
Drahtlos-Features werden zum Standard
Der Amazon Kindle 2 ist inzwischen auch in Deutschland erhältlich, allerdings nur als US-Import zum Kostenpunkt von rund 240 Euro. Nur ein kleiner Teil der rund 350.000 Titel im Kindle Store liegt in deutscher Sprache vor, mangels Unterstützung des hierzulande im kommerziellen Bereich verbreiteten EPUB-Formats (mit Adobe DRM) bleibt aktuelle deutschsprachige Literatur Kindle-Nutzern größtenteils vorenthalten. Weiterer Haken: Jedes Buch ist bei uns 2 US-Dollar teurer – das gilt auch für eigentlich kostenlose E-Books. Der Grund: Über den Verkaufspreis des Buchs wird zugleich der Download per Mobilfunknetz finanziert und Amazon hat keinen deutschen Mobilfunkpartner, sondern das amerikanische AT&T. Deshalb zahlen wir hierzulande drauf.
Ein deutsches Äquivalent zur Kindle-Plattform kommt vom Berliner Unternehmen txtr. Der 299 Euro teure txtr Reader verbindet sich über das EDGE-Netz von E-Plus mit dem txtr Store, wo gegenwärtig rund 20.000 kommerzielle Literaturtitel zum Download bereitstehen – alle großen deutschen Verlagshäuser sind im Boot.
Auf der Online-Plattform txtr.com lassen sich darüber hinaus eigene Inhalte verwalten und mit anderen Mitgliedern austauschen, auch viele tausend kostenlose E-Books sind hier bereits verfügbar – unter anderem gemeinfreie Klassiker-Literatur von Project Gutenberg. Die Online-Synchronisation vom txtr-Account mit dem txtr Reader ist allerdings kostenpflichtig. Gratis befüllt wird das Lesegerät ganz konventionell per USB-Kabel vom PC. Zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe war der genaue Erscheinungstermin des txtr Readers noch nicht bekannt.
Ein klarer Trend: Die Zeit von elektronischen Lesegeräten ohne Drahtlos-Features neigt sich zumindest abseits vom Low Budget Segment dem Ende entgegen, das zeigte spätestens die Consumer Electronics Show (CES) im Januar dieses Jahres. In Las Vegas wurden zahlreiche dedizierte E-Book-Reader mit verschiedenen Ausstattungen und Formfaktoren der Öffentlichkeit präsentiert, in denen beinahe durchweg 3G- und/oder WLAN-Modems stecken. Ein weiterer auf der CES beobachteter Trend: Ausgesprochen schlanke Lesegeräte mit über 25 Zentimeter Bildschirmdiagonale wie der Skiff Reader oder der Que proReader, auf denen auch nativ großformatige Inhalte wie Zeitungen und Geschäftsdokumente eine gute Figur machen. Der Amazon Kindle DX (ebenfalls 25 Zentimeter), für den bereits etliche Periodika verfügbar sind, wirkt gegen diese neuen dünnen Reader geradezu klobig. In den USA werden diese „superschlanken Riesen“ zeitnah erhältlich sein, in Deutschland wohl nicht vor 2011.
Nicht nur Verleger von Zeitschriften setzen derweil große Hoffnungen in farbige E-Paper, die nach jahrelanger Entwicklung langsam marktreif werden. Die neue Display-Generation bedeutet Konkurrenz für den Quasi-Monopolisten PVI/E-Ink, dessen Panels in nahezu allen aktuellen Lesegeräten verbaut und ein wesentlicher Kostenfaktor sind. Unternehmen wie Bridgestone und Qualcomm haben bereits überzeugende Prototypen ihrer farbigen E-Paper präsentiert, die noch 2010 in kaufbaren Devices debutieren sollen – angeblich wird schon der Kindle 3 mit brillantem Mirasol-Display von Qualcomm daherkommen.
Das US-Startup PixelQi versucht derweil, die Stärken von elektronischem Papier (Lesbarkeit) und LCD-Panels (Farbe, Bildwiederholungsrate) in einem einzigen Dual Mode Display zu vereinen. Per Knopfdruck wird hier ein optionaler „Reading Mode“ (monochrom, ohne Hintergrundbeleuchtung und mit vierfach höherer Auflösung) aktiviert, der etwa auch aus einem Surf-Tablet ein stromsparendes elektronisches Lesegerät macht. Erste Devices mit so genannten „3qi“-Displays werden Mitte des Jahres im US-Handel erwartet.
Fazit
Die Hardware-Hersteller haben also viele Vorschläge, wie wir künftig lesen sollen. Welche Technologie sich durchsetzt, ist gegenwärtig noch nicht absehbar und wird nicht zuletzt von den Preisen und der Benutzerfreundlichkeit der entsprechenden Endgeräte abhängen. Klar ist aber auch: Ohne lesenswerte Inhalte macht die schöne neue Technikwelt hierzulande nur halb soviel Spaß. Und sorgt die Verlagsbranche nicht endlich für ein auch preislich ansprechendes Content-Angebot, könnten sich Lesefreunde ihre E-Books bald vermehrt auf anderem Wege besorgen. Die Musikindustrie sollte hier ein mahnendes Beispiel sein, rechtzeitig zu reagieren.