Arno Nühm bei Google+
Markus Angermeier? Wer? Ach, @kosmar! Ja, den kenne ich natürlich und viele andere deutschsprachige Twitter-Nutzer kennen ihn auch. Über 5.500 Follower hat @kosmar. Aber auf Google+ tritt er mit seinem bürgerlichen Namen auf. Der Grund: Hier herrscht Klarnamenpflicht. Oder genauer: Man muss den „common name“ benutzen. Anders gesagt: Gib dir den Namen, unter dem du allgemein bekannt bist. So gesehen wäre das für Markus Angermeier eigentlich kosmar, denn unter seinem Pseudonym ist er erheblich bekannter als unter dem Namen in seinem Personalausweis. Das Dumme ist nur: Weiß Google das?
Der Streit um die Klarnamen brachte den ersten Dämpfer in der Plus-Euphorie. Mehrere Leute versuchten gar, deshalb einen Shitstorm auszulösen und Google eins reinzuwürgen. Denn wo kommen wir dahin, wenn man sich auf Google+ nicht so nennen darf, wie man beispielsweise auf Twitter heißt?
So ganz geklappt hat das nicht. Ob das eventuell daran lag, dass Facebook den Punkt mit den Namen in seinen Nutzungsbedingungen sogar strenger handhabt und das offenbar vielen der 750 Millionen Nutzer herzlich egal scheint? Ist diese ganze Klarnamendiskussion etwa nur das Problem einiger beleidigter Möchtegern-Web-Berühmtheiten?
Die Anonymitätsbefürworter halten dem entgegen, dass es jenseits von Ruhm und Eitelkeit weitere Gründe gebe, nicht mit dem echten Namen aufzutreten. So könnte man ja beispielsweise Opfer eines Stalkers sein. Oder man ist ein chinesischer Dissident, der sich vor Repressalien seines Staates schützen muss. Oder man hat ums Verrecken einfach keine Lust, das der Unsinn, den man im Internet treibt, mit dem wirklichen Namen in Verbindung steht.
Auf jeden Fall aber sei die Klarnamenpflicht ein „Machtmissbrauch“ seitens Google. Letztlich gehe es Google schließlich nur darum, noch mehr Daten über noch mehr Menschen zu sammeln und diese mit echten Namen verknüpfen zu können.
Manch einer verstieg sich im Zuge der Diskussion allerdings darin, Google
als „faschistisch“ zu beschimpfen (unter richtigem Namen in diesem Fall,
mal nebenbei bemerkt). Fehlte nur noch der Vergleich zu Hitler. Oder
habe ich den lediglich verpasst? Wahrscheinlich. Das sind dann übrigens
so die Momente, in denen ich ganz besonders froh bin, kein
Pressesprecher zu sein. Denn eigentlich möchte man Leuten nach
solchen Äußerungen ja nur noch einen Kübel Eiswasser über den Kopf
schütten und fragen, ob’s denn jetzt wieder besser geht.
Gegner der Anonymitäts-Befürworter gaben unterdessen den Tipp, man müsse Google+ doch nicht nutzen. Toll. Dieser Hinweis ist ungefähr so hilfreich wie jenes „Dann geh doch nach drüben, wenn’s dir hier nicht gefällt“, als es die Mauer noch gab. Denn nur weil einem ein Detail an einer ansonsten ganz passablen Sache nicht passt, muss man ja nicht gleich alles bleiben lassen. Denn: Irgendwas ist ja immer.
Weiterhin hieß es als Gegenargument zur Anonymität, unter Pseudonymen werde nur Unsinn angestellt. Wer sich anonym wähne, trete dadurch anders auf, als wenn er unter dem Klarnamen erkennbar ist. Klarnamen sind also folglich Qualitätsgaranten für intelligente Äußerungen und Taten? Wohl kaum. Um das zu entkräften, muss man nur einmal den Fernseher einschalten.
Und selbst wenn es stimmen sollte, dass sich jemand im Schutze der Anonymität zumindest anders verhält: Was ist daran grundsätzlich schlecht? Denn um mal kurz oberlehrerhaft zu werden: Anonymität ist nicht zufällig ein Fundament unserer Demokratie. Schon einmal etwas von „geheimen Wahlen“ gehört? Und als ich zuletzt nachgesehen habe, war die Mehrheit in diesem Land doch für dieses Demokratie-Dings.
Zugegeben: Es wirkte schon albern, wenn einige Google+ Nutzer aus Protest auf einem offensichtlichen Blödsinnsnamen umstellten – natürlich nur, um für die Rechte von Stalkingopfern und chinesischen Dissidenten zu kämpfen. Sehr heroisch und selbstlos, lieber „Arno Nühm“.
Dabei zeigte sich schnell: Google beeindrucken solche „Protestprofile“ mit Fake-Namen in etwa so sehr, als ob jemandem eine Ameise gegen das Schienbein tritt. Ergebnis: Profil gesperrt, fertig.
Naja: fast fertig. Denn man muss zugeben, dass Google versuchte, Lernfähigkeit zu signalisieren. So mancher gesperrte Nutzer mit Falschnamen kehrte unter diesem doch wieder zurück. Google wird noch länger damit zu tun haben, den besten Weg zu finden. Denn wie ist das eigentlich, wenn der „common name“ eines 18-Jährigen nun einmal „H4x0rn00b“ ist?
Wie dem auch sei: Wenn alle Stricke reißen, gibt es künftig Anonplus. Denn Anonymous, dieser umtriebige Hackerdachverband mit den lustigen Masken, will ein vollkommen anonymes Social Network auf die Beine stellen. Im Prinzip wäre das dann sozusagen der Darkroom des Social Web.
Man muss sich das einmal vorstellen: Einfach so mit Leuten reden, ohne dass man genau weiß, wer einem da gegenüber steht. Mensch, das wäre ja dann fast wie im echten Leben.