Bewerbungen: „Lücken im Lebenslauf sind kein Hindernis“
t3n: Frau Lorenzen, was war die ausgefallenste Bewerbung, die Sie bisher auf dem Tisch hatten?
Bianca Lorenzen: Eine Bewerbung, die komplett auf das Unternehmen gebrandet gestaltet war – mit Link zu einem Video, in dem die Person herausgestellt hat, warum sie genau richtig für die Position ist. Das war nicht nur sehr kreativ, sondern auch inhaltlich für das Interviewteam sehr wertvoll.
t3n: Aber auch enorm aufwendig. Was sind in Sachen Bewerbung die „Basics“, ohne die es nicht geht?
Wer sich bewirbt, sollte vor allem einen richtig guten CV vorlegen. Für uns ist es enorm wichtig, dass die wichtigsten Informationen direkt auf einer Seite erkennbar sind. Der CV sollte so zielgerichtet wie möglich auf die zu besetzende Position angepasst sein und mit aussagekräftigen Keywords arbeiten. So sehen nicht nur wir Personaler auf einen Blick, für welche Kompetenzen und Erfahrungen jemand steht, in Zukunft kann auch eine künstliche Intelligenz auf dieser Basis Einordnungen vornehmen.
t3n: Gibt es Dinge, die bei einer Bewerbung nicht mehr so wichtig sind wie früher?
Definitiv. Das Anschreiben beispielsweise verliert zunehmend an Bedeutung. Und auch die berüchtigte Lücke im Lebenslauf ist heute – im Gegensatz zu früher – kein Hindernis mehr, solange man Unterbrechungen nachvollziehbar erklären kann.
t3n: Heißt das, auch Quereinsteiger haben heute bessere Chancen bei Ihnen?
Ich denke schon. Allerdings sollte aus den Unterlagen hervorgehen, dass sie in dem gewünschten Bereich schon etwas gemacht haben, das mein Interesse unterstreicht – ein Praktikum zum Beispiel oder entsprechende Kurse. Ganz ohne Erfahrungen in dem Gebiet, für das ich mich bewerbe, geht es auch heute nicht.
t3n: Woran liegt es, dass manche Einstellungskriterien heute deutlich lockerer sind?
Wir haben es in vielen Bereichen mittlerweile mit einem Bewerbermarkt zu tun. Das heißt, die Kandidatinnen und Kandidaten haben die Auswahl und die Unternehmen müssen suchen. Irgendwo eine Stellenanzeige zu platzieren und zu hoffen, dass jemand kommt – „Post and Pray“ – funktioniert nicht mehr.
t3n: Was heißt das für ein Unternehmen wie die Telekom?
Wir haben Prozesse neu aufgesetzt, um schneller zu werden. Die Bewerber wollen heute möglichst die „Ein-Klick-Bewerbung“. Wir arbeiten dafür immer enger mit den jeweiligen Managern zusammen, um Stellen möglichst rasch zu besetzen. Ist der Prozess zu langsam, nehmen wir eine Position zwischenzeitlich auch mal wieder aus den Systemen heraus, denn wir können es uns nicht leisten, dass Bewerber keine zeitnahe Rückmeldung erhalten.
t3n: Wo im HR-Bereich spüren Sie die Auswirkungen der Digitalisierung noch?
Heute gibt es nicht mehr den einen HR-Manager für alles, Generalisten sind fast nur noch in kleineren Unternehmen zu finden. Wir kümmern uns beispielsweise in verschiedenen Teams um Azubis und Executives. HR-ler im Recruiting sind heute Spezialisten für Sourcing und beraten oder coachen alle im Prozess Beteiligten. Durch die Digitalisierung haben wir mehr Kanäle zur Verfügung, über die uns die Leute erreichen können und neue Tools, um die Recruiting-Prozesse intern wie extern transparenter zu machen.
t3n: Wonach sucht die Telekom aktuell, und wie sollten Bewerber Kontakt aufnehmen?
Bei uns gibt es Einstiegsmöglichkeiten auf allen Ebenen, von Berufsanfängern bis hin zu Executives. Viele Kandidaten wissen gar nicht, dass wir inzwischen mehr ein IT-Unternehmen und auch stark im B2B-Bereich unterwegs sind. Zur Kontaktaufnahme empfehle ich grundsätzlich unsere Karriereseiten und das Online-Formular. Auf diesem Weg landen Bewerber am zuverlässigsten bei den Recruitern, die genau für die jeweilige Stelle zuständig sind.
t3n: Was ist mit Initiativbewerbungen oder Bewerbungen über soziale Netzwerke?
Alles ist möglich, klar. Aber wir haben bis zu 1.000 verschiedene Positionen gleichzeitig offen und besetzen allein in einem Jahr mehr als 7.000 Azubi-Stellen – da dauert die Bearbeitung meines Anliegens vielleicht auch einfach mal länger, wenn ich nicht den offiziellen Weg gehe.
t3n: Welche Rollen spielen die großen Stellenbörsen?
Die Stellenbörsen haben noch immer für viele Positionen ihre Berechtigung. Wenn es aber darum geht, Führungskräfte oder IT-Experten zu finden, gehen wir andere Wege: Active Sourcing über Karriereplattformen, Events – im Bereich IT-Security etwa die Ruhrsec – oder Headhunter.
t3n: Nach welchen Kompetenzen suchen Ihre Headhunter heute verstärkt?
Das Thema „lebenslanges Lernen“ ist uns sehr wichtig. In immer mehr Konzernen gibt es Programme, um Leute weiterzuentwickeln und selbst auszubilden. Denn es wird immer schwieriger, gute Seniors von extern zu finden. Bewerber sollten deshalb in ihrem CV klar zeigen, dass sie bereit sind, auch kontinuierlich Neues zu lernen oder dies im Interview selbst ansprechen.
t3n: Was raten Sie Bewerbern darüber hinaus?
Aus meiner Sicht sind Netzwerke die neue Rente. Sichtbar zu sein für Recruiter und Führungskräfte, bringt euch auf jeden Fall weiter. Sucht euch dabei Netzwerke, die zu euch passen und verzettelt euch nicht. Und: Sucht den Kontakt! Jedes Unternehmen bietet inzwischen eigene Veranstaltungen oder präsentiert sich auf größeren Events. Hier könnt ihr die Leute kennenlernen, mit denen ihr zukünftig vielleicht zusammenarbeitet – sich ein Bild zu machen, war noch nie so einfach wie heute und funktioniert sogar schon als Schüler, zum Beispiel bei unseren Coding-Workshops.
t3n: Zu guter Letzt: Was ist für Sie das absolute No-Go im Bewerbungsverfahren?
Ein absolutes No-Go für mich ist es, wenn Bewerber sich im Vorfeld des Interviews nicht mit dem jeweiligen Unternehmen und der Position beschäftigt haben. Man sollte unbedingt Fragen stellen können, um Interesse zu signalisieren. Außerdem sollte man im Interview nichts versprechen, was man später nicht einlösen kann. Das gilt übrigens für beide Seiten.