- Deutschland: 120 finanzierte Projekte in 2011
- Hohe Finanzierungsbeträge sind in Deutschland noch selten
- Crowdinvesting: Microinvestment mit stiller Beteiligung
- Erste Projekte: Gehirnjogging und Souvenirshop
- Innovestment: Auktionsverfahren und Marktpreisbestimmung
- Wichtiges Kriterium: Wachstums- und Renditepotenzial
- Wie geht es weiter mit der Crowd?
Crowdfunding und Crowdinvesting: Die Menge macht’s!
Die Erfolgsgeschichte der US-amerikanischen Plattform Kickstarter ist beeindruckend: Seit dem Start im April 2009 finanzierten 790.000 Menschen mit 60 Millionen US-Dollar rund 10.000 Projekte. Vorgestellt wurden über 26.000 Projekte. Die ebenfalls in den USA beheimatete Plattform IndieGoGo blickt seit
2008 sogar auf mehr als 40.000 Projekte in über 200 Ländern zurück [1].
Beim Crowdfunding bekommen vor allem kreative und künstlerische Projekte
Geld. Nachdem sich das Prinzip in den USA etabliert hat, ist es nun auch hierzulande soweit: Das Existenzgründer-Portal
Für-Gründer.de [2] geht in Deutschland von 550.000 Euro Finanzierungsvolumen für 2011 aus, eingesammelt über verschiedene Plattformen [3].
Übersetzt mit Schwarmfinanzierung bedeutet das Konzept, dass eingestellte Projekte durch eine Vielzahl von Geldgebern direkt über die Internetplattform finanziert werden. Noch einfacher ausgedrückt: Jemand braucht Geld und viele helfen mit.
Zu den beliebtesten Projektkategorien auf Kickstarter zählen Musik, Film & Video sowie Kunst. Unterstützung für ein Projekt ist oftmals schon ab einem US-Dollar möglich. Selbst solche kleinen Beträge können viel bewirken und manche Projekte erreichen deutlich über 100.000 US-Dollar Finanzierungskapital. Ausgezahlt wird das Geld nur, wenn der angestrebte Betrag erreicht wurde – getreu dem Motto „Alles oder Nichts“.
Auf die klassische Rendite kommt es den Unterstützern der Projekte dabei nicht an. Stattdessen stehen immaterielle Werte oder Sachleistungen, gestaffelt nach Höhe der Unterstützung, als Dankeschön im Vordergrund. Diese sind in vielen Fällen oft durchaus eng mit dem Projekt selbst verknüpft. Zum Beispiel kann man so seinen Namen im Booklet der produzierten CD oder aber auch im Abspann des mit den Geldern der Crowd finanzierten Films finden.
Deutschland: 120 finanzierte Projekte in 2011
In Deutschland gingen die ersten Crowdfunding-Plattformen im Jahr 2010 an den Start. Nachdem Ende Dezember letzten Jahres zwei Projekte erfolgreich abgeschlossen wurden, steht das Jahr 2011 im Zeichen einer rasanten Entwicklung im Bereich Crowdfunding. Mit der co:funding fand im April 2011 die erste Crowdfunding-Konferenz in Deutschland statt, die das Thema weiter in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rückt.
Zu den fünf bedeutenden deutschen Plattformen gehören Startnext, inkubato, mySherpas, pling und VisionBakery[2]. In den ersten neun Monaten dieses Jahres wurden auf diesen Plattformen 120 Projekte erfolgreich mit insgesamt rund 350.000 Euro finanziert. Im Vergleich zu den USA nehmen sich diese Zahlen noch klein aus, aber die Richtung stimmt. So wuchs Crowdfunding von Quartal zu Quartal stetig an und Für-Gründer.de geht in seiner Prognose von 550.000 Euro für das Gesamtjahr 2011 aus.
Weitere Ergebnisse aus dem Crowdfunding-Monitor von Für-Gründer.de mit Stichtag zum 30. September 2011 sind: Von Januar bis September wurden 310 Projekte beendet, 40 Prozent davon mit einer erfolgreichen Finanzierung. Durchschnittlich sammelte jedes Projekt etwa 2.900 Euro ein. Den höchsten Geldbetrag erzielte das Filmprojekt Bar25 mit 26.991 Euro. Derzeit suchen noch 108 aktive Projekte nach Unterstützern. Mit knapp 60 Prozent der erfolgreichen Projekte ist Startnext die größte der deutschen Crowdfunding-Plattformen.
Hohe Finanzierungsbeträge sind in Deutschland noch selten
Und wofür genau wird auf den Plattformen Geld eingesammelt? Insgesamt bieten die fünf Crowdfunding-Vermittlungsseiten etwa 30 verschiedene Kategorien an, denen man sein Projekt zuordnen kann. Neben den beliebtesten Kategorien Musik, Film & Video sowie Kunst sind auch Design, Mode, Foto, Events/Ausstellung, Bühne/Theater, Essen & Trinken, Journalismus sowie Sport gern gesehen. Von den eingestellten Projekten haben 66 Prozent einen wirtschaftlichen Hintergrund. Die übrigen 34 Prozent sind gemeinnützigen Initiativen, Studenten oder Vereinen zuzuordnen.
Auf den Crowdfunding-Plattformen finden sich in erster Linie künstlerische, kreative und kleinere Projekte ein, für die der Zugang zu klassischen Wegen der Finanzierung versperrt ist. Hohe Finanzierungsbeträge sind derzeit in Deutschland noch die Ausnahme. Für die Finanzierung von Startups in Höhe von mehreren zehntausend Euro sind jedoch schon neue Plattformen am Start.
Crowdinvesting: Microinvestment mit stiller Beteiligung
Plattformen wie Innovestment und Seedmatch [4] sind in Deutschland angetreten, um für Startups mit hohem Kapitalbedarf einen neuen Weg der Finanzierung zu eröffnen. Anders als beim Crowdfunding erwerben Geldgeber beim Crowdinvesting Anteile am Unternehmen, wobei es sich in der Regel um eine stille Beteiligung handelt.
Vorteil dieser Finanzierungsart: Investoren profitieren von Gewinnausschüttungen und der langfristigen Wertsteigerung des Unternehmens. Das Verlustrisiko ist hingegen auf die Höhe der Beteiligung beschränkt, eine Nachschusspflicht oder weitergehende Haftung bestehen nicht. Gleichzeitig sind mit der stillen Beteiligung keine Mitspracherechte verbunden, was bei der angestrebten großen Anzahl an Investoren auch schwierig wäre.
Tue Gutes und sprich darüber! Für die vielen kleinen Business Angels endet die Unterstützung meist nicht beim Kapital. Auch in puncto Marketing spielen sie oftmals eine entscheidende Rolle. Indem Investoren in ihren privaten und beruflichen Netzwerken über „ihr“ Startup sprechen, erhöht sich automatisch dessen Bekanntheit und trägt zur Kundengewinnung bei. Gerade für junge Unternehmen bietet diese Multiplikatorwirkung einen wichtigen Nebeneffekt beim Crowdinvesting. Und für den Investor zahlt sich dies umgekehrt in steigenden Umsätzen und Gewinnen aus.
Durch die Möglichkeit, bereits kleine Beträge in die Startups zu investieren, sind Investoren in der Lage, ihr Geld auf unterschiedliche Unternehmen und Branchen zu streuen und damit das Verlustrisiko zu reduzieren.
Erste Projekte: Gehirnjogging und Souvenirshop
Anfang Juli haben sich mit NeuroNation und Cosmopol [5] die ersten zwei Unternehmen auf den Weg gemacht, um auf der Plattform Seedmatch 55.000 Euro bzw. 80.000 Euro Beteiligungskapital einzusammeln. Bei NeuroNation verbessern Nutzer ihre Gedächtnisleistung und kognitiven Fähigkeiten mit unterhaltsamen Übungen. Jeder Benutzer verfügt über ein persönliches Profil und kann sich mit anderen Nutzern messen. Die simplen aber kreativen Übungen erarbeitet das Gründerteam unter anderem mit Forschern der FU Berlin.
Im Onlineshop Cosmopol können Originalprodukte und Souvenirs aus über 70 Ländern erworben werden. Zur Zielgruppe gehören Personen mit dem Wunsch nach einer exklusiven Geschenkidee. Aber auch diejenigen, die einige Zeit im Ausland verbracht haben und auf lieb gewonnene Leckereien nicht verzichten wollen, werden hier fündig. Beide Unternehmen wurden von Seedmatch im Vorfeld mit 600.000 Euro bewertet. Interessierte Investoren können nach der Anmeldung auf Seedmatch die umfangreichen Businesspläne analysieren und in direkten Kontakt mit den Startups treten.
Die Dauer des Investitionszeitraums war bei beiden Projekten auf 60 Tage angesetzt und am Ende der Frist wurden insgesamt 85.000 Euro von 110 Investoren zugesagt. Während eine Beteiligung bereits ab 250 Euro möglich ist, liegt das durchschnittliche Investment damit sogar bei nahezu 800 Euro. Für beide Pionier-Unternehmen ist die Finanzierung um 30 Tage verlängert worden – Ende Oktober wurde die angepeilte Summe für beide Unternehmen erreicht und die Projekte damit erfolgreich abgeschlossen. Wie beim Crowdfunding galt auch hier: „Alles oder Nichts“.
Innovestment: Auktionsverfahren und Marktpreisbestimmung
Innovestment funktioniert ähnlich wie Seedmatch. Die Besonderheit liegt jedoch darin, dass die Beteiligungen im Rahmen einer Auktion und ab einem Mindestbetrag von 2.000 Euro (Seedmatch: 250 Euro) erworben werden können. Über das Auktionsverfahren soll ein möglichst fairer und realistischer Marktpreis für das Startup ermittelt werden. Innerhalb eines Zeitraums von vier Wochen können interessierte Investoren ihre gewünschte Anteilshöhe und den Preis pro 1-Prozent-Anteil abgeben. Den Zuschlag erhalten die Investoren, die den höchsten Preis geboten haben. Zahlen müssen sie letztlich dann jedoch nur den Preis, der durch das niedrigste erfolgreiche Gebot eingestellt wurde.
Derzeit präsentieren sich auf Innovestment drei Startups unterschiedlicher Couleur, deren Investitionsstart für Ende Oktober bis Ende November angepeilt wurde: Particular (Nanopartikel, 75.000 Euro Kapitalbedarf), Ludufactur (personalisierbare Spiele, 50.000 Euro Kapitalbedarf) und Audiogent (interaktive Hörbücher, 100.000 Euro Kapitalbedarf).
Wichtiges Kriterium: Wachstums- und Renditepotenzial
Welche Motive verfolgen Investoren beim Crowdinvesting und was ist für ihre Entscheidung besonders wichtig?
Eine Befragung von Innovestment kommt zu folgenden Ergebnissen: Auf Platz eins und zwei liegen „Wachstums- und Renditepotenzial“ sowie „der persönliche Eindruck des Gründerteams“. Dies entspricht den klassischen Investitionskriterien im Venture-Capital-Bereich. „Ein standardisierter Beteiligungsvertrag“ folgt auf dem dritten Platz. Dies drückt den Wunsch nach einer einfachen und rechtlich unkomplizierten Abwicklung des Investments aus.
Worauf legen Crowd-Investoren Wert? | von 1 (sehr unwichtig) bis 5 (sehr wichtig) |
Wachstums- und Renditepotenzial | 4,3 |
Persönlicher Eindruck vom Gründerteam | 4,1 |
Standardisierter Beteiligungsvertrag | 4,1 |
Möglichkeit eines Investitions-Portfolios | 3,8 |
Lebensläufe des Gründerteams | 3,7 |
Eigenes Verständnis der Technologie | 3,5 |
Geringes Risiko des Scheiterns | 3,3 |
Professionelle Hauptinvestoren | 3,2 |
Professionelle Prüfung des Businessplans | 2,9 |
Kommentare von anderen Bietern | 2,8 |
Wie geht es weiter mit der Crowd?
Der Auftakt ist gemacht, etwa 550.000 Euro dürften über deutsche Crowdfunding-Plattformen im Jahr 2011 für zahlreiche Projekte eingesammelt werden. Das Thema gewinnt auch in der Öffentlichkeit zunehmend an Bedeutung. Das Bemerkenswerte daran ist, dass es für die Geldgeber nicht um Rendite geht, sondern allein um die Unterstützung interessanter Projekte (samt kreativer Dankeschöns). Man darf gespannt sein, ob dieses Modell hierzulande langfristig auf dasselbe Interesse stoßen wird wie in den USA.
Wer innovative Geschäftsideen voranbringen und zusätzlich am Gewinn beteiligt werden will, findet im Crowdinvesting das passende Konzept. Die ersten Unternehmen haben ihren Hut in den Ring geworfen und die ersten „kleinen“ Business Angels haben bereits investiert. Für die Zukunft bleibt abzuwarten, ob die Unternehmen ihre Versprechen halten können und sich erfolgreich entwickeln. Dabei kommt den Crowdinvesting-Plattformen eine große Verantwortung bei der Auswahl der Startups zu, ansonsten wird die Schar der Unterstützer schnell den Geldhahn zudrehen.
Spannendes Thema! Hab vor ein paar Wochen einen Blog aufgesetzt, der sich mit Crowdfunding beschäftigt, vielleicht habt ihr ja Lust, mal vorbeizusurfen!
Grüße, Simon