Das digitale Leben und seine Komplikationen. Ein Leidensbericht.: Was sonst noch alles vereinfacht gehört
Habt Ihr in letzter Zeit versucht, einen neuen Mobilfunktarif zu finden? Mein Rat: Lasst es. Nehmt irgendeinen und gut. Am Ende zahlt Ihr so oder so drauf, weil die entscheidende Info zu Eurem neuen Tarif nämlich in drei Punkt großer, weißgrauer Schrift auf grauweißem Hintergrund unten am Ende der Website gestanden hätte. So erfahrt Ihr zu spät, dass sich das zeitlich begrenzte „Datentarif-Extraspezial“ nämlich nur mit Tarif „Active Daylight Summeredition XL“ kombinieren lässt, sofern Weihnachten und Ostern auf einen Tag fallen – und auch dann nur ausnahmsweise. Sonderangebot „Power Megaspar Superplus“ wiederum gilt generell nur am 30. Februar und an geraden Tagen bei Temperaturen über 30 Grad und (wichtig!) nur für Neukunden, die außerdem das „Special Extra Online“ abgeschlossen haben, für das weitere Entgelte anfallen. Dazu gehört eine Aktivierungsgebühr von 50 Euro, die Ihr aber mit ein bisschen Glück schon nach drei bis vier Jahren wieder raus habt. Um in den „Genuss all dieser Vorteile“ zu kommen, müsst Ihr lediglich bei Vollmond von einem Hexentanzplatz aus bei der Hotline anrufen. Dann aber spart Ihr am Ende 10-mal mehr als Ihr bezahlt. Oder so. Aha. Äh. Gut. Ich geh dann mal eben wahnsinnig werden.
Wahnsinnig: E-Postbrief
Apropos wahnsinnig: Eine wahnsinnig interessante Idee ist ja dieser „E-Postbrief“ der Deutschen Post. Ein Mix aus E-Mail und Papierbrief. Gut, dachte ich mir: Klingt total bescheuert, das bestell ich mal.
Als erstes geht man dafür auf die entsprechende Website [1] und gibt die Mail-Adresse an, die man gern hätte. Das war’s schon. Naja, das war’s nicht ganz: Man lässt darüber hinaus seine Handynummer überprüfen, indem man einen per SMS empfangenen Code auf der Website eingibt. Außerdem muss man seine Real-Life-Postadresse angeben. Dann hat man’s quasi geschafft. Fast. An diese Adresse bekommt man einen Brief. Darin befindet sich allerdings nicht etwa die Bestätigung, sondern ein Code, mit dem man sich erneut auf der Website anmeldet, diesmal unter einem anderen Menüpunkt. Dort muss man wieder seine Postadresse angeben (warum auch immer) und noch einmal seine Handy-Nummer checken lassen. Jetzt ist man schon so gut wie ganz durch – beinahe: Nur noch das PostIdent-Formular ausdrucken, damit zur nächsten Postfiliale stiefeln und sich identifizieren. Hier bitte die Öffnungszeiten beachten. Ich glaube jedenfalls, dass dies der letzte Schritt wäre, denn noch zögere ich, ihn zu gehen. Ich habe Angst, dass er in Wirklichkeit eine weitere Welle von Codes, Briefen und Bestätigungs-SMS auslöst. Am Ende muss man vermutlich in der Firmenzentrale der Deutschen Post vorsprechen und in Anwesenheit der Eltern die eigene Identität bestätigen lassen. Freischwimmer-Ausweis nicht vergessen!
Mich erinnert das an den Film „Asterix erobert Rom“, in dem Asterix und Obelix an der römischen Bürokratie verzweifeln, nachdem sie für den „Passierschein A38“ dauernd von hier nach dort geschickt werden, um zuerst das grüne Formular zur Beantragung des blauen Formulars zu bekommen, mit dem sie dann wiederum… usw. [2] Ein großer Spaß, wenn’s nicht so wahr wäre.
Gruselig: DRM
Das Lachen verging mir kürzlich auch beim Thema digitales Rechtemanagement. Gruseliges Wort, gruselige Sache. Ich hatte mir einen Film bei iTunes ausgeliehen. Danach hatte ich 30 Tage Zeit, ihn mir anzuschauen. Ist er einmal gestartet, bleiben 48 Stunden, ihn zu Ende zu schauen. Nach 10 Minuten Filmschauen kam mir etwas dazwischen, am nächsten Abend auch, dann war der Streifen gelöscht und das Geld war futsch. Spitze. Das hat man davon, dass man den Film nicht aus dem Netz saugt. Grmpf.
Bleibt als Fazit: Es gibt keinen Sachverhalt, den man nicht durch das Anflanschen von unnötigem Ballast hirnzersetzend kompliziert und nervenaufreibend schwierig machen könnte.
Na gut, Freunde, ich muss jetzt los: Ich will mir einen Camcorder kaufen. Kann ja nicht so kompliziert sein: Vorne Licht rein, hinten Video raus. Mal sehen…