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Die Läden der ­digitalen ­Generation: Gelungene digitale Konzepte für den stationären Handel

Der stationäre Handel muss das Kundenerlebnis neu erfinden. Mit digitaler Hilfe kann dadurch eine ganz neue Form des Einkaufens entstehen. Wir stellen vier Konzepte vor, die durch eine ­clevere Mischung aus On- und Offline den Weg in die Zukunft des Handels weisen.

Von Jochen G. Fuchs
7 Min. Lesezeit
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Ein Flagshipstore von Adidas in San Francisco. Hier gibt es von jeder Ware genau ein Exemplar in jeder Größe. Der Kunde bekommt seinen Kauf per Post nach Hause geschickt. (Foto: Adidas)

In der Fachsprache der Handelsexperten steht das Wort „Kundenerlebnis“ meist trocken für die Abwicklung des Kaufvorgangs. Doch ein Kundenerlebnis ist kein Vorgang, es ist die Verführung zum Kauf. In den vergangenen Jahren hat der stationäre Handel verlernt, den Kunden in Versuchung zu bringen. Er ging einfach davon aus, dass der Verbraucher schon früher oder später in sein Ladengeschäft kommen werde.

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Das ist ein Irrglaube. Wer sich in der Offlinewelt halten will, der muss dem Kunden auch etwas dafür bieten. Eine Lösung können digitale Handelskonzepte darstellen. Vielversprechend sind vor allem jene Konzepte, die digitale Angebote nutzen, um die Stärken des stationären Geschäfts zu ergänzen und auf den wichtigsten Vorteil, den dieses gegenüber dem Onlinegeschäft hat, einzahlen: Eine qualitativ hochwertige Beratung und damit ein Einkaufserlebnis, das weit über die reine Versorgung hinausgeht. Wer sich in dieser Hinsicht inspirieren lassen will, sollte einen Blick in die USA und nach China wagen.

Bonobos: Showroom ohne Lager

Wer größtmögliche Auswahl und schnelle Verfügbarkeit erwartet, stößt im stationären Handel auf eine Hürde: Kein Laden führt in seinem Sortiment alle Produkte in jeder erdenklichen Ausführung. Um den Kundenanspruch in puncto Auswahl stationär zu erfüllen, hat sich der US-amerikanische Retailer Bonobos ­etwas einfallen lassen, das eine Lösung bei schwindelerregenden
Quadratmeterpreisen in den Innenstädten verspricht: das Konzept der sogenannten „Guideshops“.

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Die Läden führen das komplette Sortiment des Männermodehändlers auf relativ kleinem Raum. Das Geheimnis dahinter: Ein Guideshop ist nur ein Showroom. Es ist zwar jeder Artikel des Sortiments auf Lager, aber immer nur ein Stück von jeder Konfektionsgröße. Der Kunde kann sich im Laden beraten lassen, jedes Kleidungsstück anprobieren – aber keines gleich mit nach Hause nehmen. Ist der Kauf an der Kasse abgeschlossen, hat der Verkäufer eine Bestellung an das Bonobos-Fulfilment-System aufgegeben. Im Nachgang liefert das Unternehmen per Post an die Wunschadresse. Kunden können auf Verdacht vorbeischauen oder vorab mit einem der Styleberater einen Termin vereinbaren. Auch die Retoure einzelner Produkte ist vor Ort im Laden möglich.
Das Konzept birgt viele Möglichkeiten für den Handel: ­reduzierte Lagerhaltung, geringere Betriebskosten aufgrund ­niedrigerer Raummieten sowie größere Umsatzchancen durch das vollständige Angebot der Marke. Bonobos zeigt, wie ein Multi­channel-Ansatz aus Sicht einer digitalen Marke funktioniert: Ein System mit einer gemeinsamen Datenbasis liefert dem Kunden online sowie im Laden das gleiche Angebot zu gleichen Kondi­tionen. Da der Kunde nicht zwischen Kanälen differenziert, würde ein getrennter Ansatz auch nicht funktionieren. Für den Bonobos-Kunden macht es keinen Unterschied, ob er online oder offline einkauft – er kann offline seine aus der Onlinewelt erlernten Erwartungen erfüllen lassen.

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Adidas: Das endlose Regal

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Adidas seit 2016 im Flagshipstore in San Francisco mit „Endless Aisle“, dem endlosen Regal: die Erweiterung des lokalen Lagerbestandes durch das Fulfilment. Ein Kunde, der in San Francisco Schuhe kaufen will, die nicht auf Lager sind, bekommt das Paar am kommenden Tag direkt nach Hause geliefert. Der Mitarbeiter im Geschäft nimmt die Bestellung an einem Servicetablet auf und schließt die Bestellung ab. Der Kunde muss dazu nicht aktiv werden – er muss lediglich sein Portemonnaie an der Ladenkasse zücken. Die Vorteile für das stationäre Geschäft sind denen des Bonobos-Konzepts ähnlich: niedrigere Lagerkosten, höhere Kundenzufriedenheit und damit auch höhere Umsätze.

Allerdings bindet der Sportspezialist anders als Bonobos die digitalen Möglichkeiten in sein Filialkonzept mit ein. Adidas nutzt für sein Endless-Aisle-Konzept sowohl digitale Regale, die Schuhe in 3D präsentieren und Hintergrundinformationen zu den ­verwendeten Materialien oder Technologien liefern, als auch ­Tablets, mit denen Berater im Detail auf Funktion und Beschaffenheit von Sneakern eingehen können, die sich nicht physisch präsentieren lassen. Man wolle für die Kunden ein „durch und durch nahtloses Erlebnis schaffen – unabhängig davon, wo sie einkaufen“, heißt es dazu in einem Bericht des Sportartikelherstellers.

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Damit das funktioniert, müssen die Mitarbeiter mitziehen. Der Gedanke, dass der Kunde auch Artikel aus dem Onlineshop im Laden bestellen kann, reicht nicht aus. Das Personal muss den externen Bestand aktiv in die Beratung miteinbeziehen und möglichst schnell an Neu- und Bestandskunden versenden können. Dafür müssen Händler nicht nur IT-, sondern auch HR-Prozesse neu definieren und ihre Mitarbeiter ausreichend schulen. Denn sowohl Bonobos als auch Adidas müssen im Laden mehr liefern als nur zusätzliche Bestellservices. Sie sollten – mit Hilfe digitaler
Technologien – in einer Qualität beraten, die online so nicht abbildbar ist. Deutsche Einzelhändler, die zumeist noch von den potenziellen Käufern fordern, zur Abholung ihrer Bestellungen zurück in den Laden zu kommen, sind von dieser Art des Kundenservices noch ein gutes Stück entfernt

Die Konzepte bergen jedoch auch eine Gefahr: Der stationäre Handel verliert bei diesen Konzepten einen Vorteil gegenüber dem Onlinehandel – das sofortige Mitnehmen eines Produkts. Das Erlebnis des analogen Shoppings kann damit ein Stück weit verloren gehen.

Die Mini-Supermärkte von Auchan können mitten in Wohngebieten augestellt werden. Sie kommen komplett ohne Personal aus. (Foto: Auchan Retail)

Auchan: Der bewegliche ­Minimarkt

Während Bonobos und Adidas das in der Filiale gewählte Produkt zur Haustür liefern, bringt Auchan Retail gleich das ganze Ladengeschäft zum Kunden. Der französische Konzern will in China bis Ende 2018 Hunderte Miniatursupermärkte in kleinen, portablen Ladenlokalen eröffnen. Diese erinnern äußerlich stark an Schiffscontainer und beinhalten komplett digitale Minimärkte ohne Personal auf 18 Quadratmetern mit rund 500 Produkten des täglichen Bedarfs in der Auswahl. Auchan-Kunden öffnen die Tür zum „Auchan-Minute-Store“ mit einem QR-Code aus ihrer App, scannen an der Kasse selbst ihre Produkte und bezahlen ihren Einkauf auf ihrem Handy mit Alipay oder Wechat Pay.

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Das digitale Konzept ist nicht das einzig Innovative an dieser Lösung: Der transportable Supermarkt kann theoretisch überall platziert werden, auf Parkplätzen, an Straßenecken oder in Vorgärten. Auf diese Weise will Auchan, an dem seit November 2017 auch Alibaba beteiligt ist, vor allem Kunden erreichen, die auf dem Heimweg zu ihren Wohnungen sind und sich in direkter Nähe mit alltäglichen Verbrauchsgütern versorgen wollen. Die transportablen Minimärkte bieten allerdings nicht nur eine smarte Lösung für Supermärkte und Discounter, die versuchen, näher an ihre Kunden zu rücken und sich mit der Suche nach Bau- oder Ladenflächen in innerstädtischen Wohngebieten konfrontiert sehen. Auch andere Branchen können sich durch das Konzept ­inspirieren lassen. So setzen in China, abgesehen von Auchan, auch Alibaba, Tencent und Startups wie Bingobox auf smarte Stores in Kundennähe und agieren dabei als Technologieanbieter: Der dänische Händler Bestseller beispielsweise nutzt Tencents Smart-Stores in Shenzhen und Guangzhou für seine Marken Jack and Jones und Vero Moda.

In den USA experimentiert Amazon mit Amazon Go auf dem Feld der digitalen Mini-Stores: Computervision und selbst­lernende Algorithmen sollen die Kassenschlange komplett überflüssig ­machen. Der Kunde geht einfach aus dem Laden und sein Kunden­­konto bei Amazon wird automatisch belastet. Chinas zweiter ­großer Handelsriese ist den US-Amerikanern allerdings auf den Fersen: Jd.com eröffnet in Kürze eine Kette mit Mini-Super­märkten, die auf einem ähnlichen Konzept basieren. Das bedeutet langfristig die Abkehr vom vielleicht nervigsten Touchpoint für den Kunden: der Kasse mit der Warteschlange. Ihre Abschaffung könnte Umsätze und Kundenfrequenz heben.

Treasure-Truck: rollendes Geschäft

Umsatz ist aber nicht alles, wie Amazon mit einem Konzept zeigt, das der Konzern im vergangenen Jahr in den USA landesweit ausgerollt hat: Der Treasure-Truck ist eine rollende Verkaufsshow, ein kleiner Lastwagen, der an festgelegten Stopps exklusive Angebote verkauft, die nur in diesem Truck erhältlich sind. An einer Station angelangt, verbreiten Gefährt und Mit­arbeiter Jahrmarktsatmosphäre und ziehen so die Aufmerksamkeit von Passanten auf sich. Der Truck ist ein Gegenentwurf zu festen Top-­Innenstadtlagen, die bisher für die imageträchtigen Platzierungen von Flagshipstores bevorzugt wurden.

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Kundenerlebnis ist gleich Markenerlebnis: Der Treasure-Truck von Amazon gleicht einer rollenden Verkaufsshow. (Foto: Jochen G. Fuchs)

Amazon fährt in der Regel vier Stopps an und will dem Kunden in unterschiedlichen Situationen Berührungspunkte liefern: in Wohngegenden, in Arbeitsumfeldern und in Freizeitumgebungen. Dabei werden unterschiedliche Produkte angeboten, die grundsätzlich begehrenswert sein sollen – von Rippchen vom Schwein aus biologischer Züchtung bis hin zu hochpreisigen Produkten wie Gopro-Kameras. Wichtiger als Umsatz und Ertrag ist Amazon bei dem Konzept die emotionale Aufladung des Touchpoints zum Kunden. Der rollende Flagshipstore erlaubt es dem Digitalkonzern, vor Ort mit Menschen in Berührung zu kommen und das Einkaufserlebnis zu schaffen, das sich online so nur schwer kreieren lässt. Mitarbeiter spielen Spiele mit den Kunden, bei denen es Goodies oder Ergänzungsprodukte zu ihrem Einkauf zu gewinnen gibt. Lokale Stars präsentieren Produkte und Ak­tionen. Da steht dann schon einmal eine Familie vor dem Laster, deren Sohn sich den ganzen Tag auf den Treasure-Truck gefreut hat. Ein unbezahlbares Ergebnis für ein Handelsunternehmen.

Filialbesuch mit Mehrwert

Was beim Amazon-Treasure-Truck auf den ersten Blick wie ein bekanntes Marketing-Konzept wirkt, zeigt auf, dass sowohl Online- als auch Offlinehandel vor derselben Herausforderung ­stehen: Sie müssen ihren Kunden individuelle Beratung und persönliche Erlebnisse bieten – idealerweise an einem Ort, der für sie bequem zu erreichen ist. Zu diesem Zweck bemüht sich sogar der global führende E-Commerce-Anbieter auf die Supermarkt-Parkplätze in seinem Kernmarkt. Umgekehrt muss jeder stationäre Händler, der seine Kunden dazu motivieren will, sich zu seinem Geschäft zu bewegen, nicht nur bezüglich Sortiment und Lieferung mit dem Onlinehandel gleichziehen – er muss sich ernsthaft überlegen, welchen Mehrwert er dem Kunden überhaupt durch einen Besuch in der stationären Filiale bieten kann, welche einmalige Erfahrung das Ladenlokal attraktiv machen könnte.

Solche Überlegungen können zusätzliche Erlösquellen eröffnen: Sporthändler mit Kletterkursen, Küchenspezialisten mit Kochkursen, Schuhanpassungen im Sneakerstore. Oder, wie im Fall des Treasure-Trucks von Amazon, gar nicht erst auf den Erlös schielen, sondern den stationären Touchpoint mit einem Erlebnis aufladen, das sich in erster Linie positiv auf die Wahrnehmung der Marke auswirkt. Denn dann zahlt sich ein Kundenerlebnis auch online aus.

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