2. Teil der Serie „Venture Capital & Business Angels“: Elevator, Pitch und Exposé
VC-Gesellschaften kennen die Lage der jungen Unternehmen meistens recht gut. Sie haben schließlich täglich mit vielen Startups und Wachstumsunternehmen zu tun. Umgekehrt ist das aber im Regelfall nicht so: Kontakte zu einer VC-Gesellschaft sind immer noch eine Ausnahme in der Mittelstandslandschaft. Für den typischen Unternehmer kommen Venture-Capitalisten quasi „von einem anderen Stern“. Gleichzeitig ist es aber sowohl für das wechselseitige Verständnis als auch für den Erfolg der ersten Kontaktaufnahme mittels „Elevator Pitch“ oder Exposé extrem wichtig, die Hintergründe zu verstehen und zu wissen, wie das Venture-Capital-Geschäftsmodell funktioniert.
So funktioniert Venture Capital
Typischerweise stammt Risikokapital von Investoren, deren Einlagen in einem Fonds gesammelt werden. Häufig handelt es sich dabei um Kommanditgesellschaften nach britischem „common law“ mit steueroptimiertem Sitz in Offshore-Jurisdiktionen wie den Cayman Islands. Verwaltet („ge-managed“) wird das Fondsvermögen jedoch von einer zusätzlichen VC- oder Managementgesellschaft, die „nahe am Markt“ vertreten ist, also in den Metropolen Europas, der USA oder Asiens. Diese VC-Manager übernehmen die operative Verwaltung der Fondsgelder gegen eine Gebühr, die die Fondsgesellschaft bezahlt. Die VC-Gesellschaft ist quasi „ausführendes Organ“ der Fonds-Gesellschaft, dieser gebenüber aber ist sie auch berichtspflichtig.
Die VC-Manager bereiten Entscheidungen des Fonds vor und treffen sie zum Teil auch selbst, wenn sie dazu beauftragt sind. Sie zeichnen außerdem Beteiligungsverträge im Auftrag des Fonds und betreuen dann die Beteiligungen. Unterschiede zu einem normalen Fondskonstrukt bestehen zum einen darin, dass gezielt in Projekte investiert wird, die besondere Chancen versprechen und dadurch meist auch mit besonderen Risiken verbunden sind. Zum anderen werden die getätigten Investitionen deswegen wesentlich intensiver betreut als normale Fondsinvestitionen.
VC-Manager arbeiten aktiv in den Aufsichtsgremien und Beiräten der Beteiligungsunternehmen mit und erheben dort auch ihre Stimme. Sie machen von Anfang an Informations- und Kontrollrechte als Gesellschafter geltend, sind regelmäßig involviert in Reporting und rollierende Planung und in Grundsatzentscheidungen, agieren als Berater und Coach und bilden so gemeinsam mit den Unternehmern das Führungsteam des Unternehmens. Das Engagement der VC-Manager übrigens sollte der Unternehmer nicht nur grollend dulden. Er kann von der häufig hervorragenden Kompetenz der VC-Manager nur profitieren. Die Verstärkung durch die VC-Manager und deren Ressourcen ist im Regelfall eine erhebliche Verstärkung für das Unternehmen. Wenn beispielsweise der ehemalige Pro7-Vorstand Michael Wölfle als Venture Partner für die VC-Gesellschaft Wellington Partners einen Sparten-Fernsehsender betreut, kann das nur positiv sein.
Große Chancen, hohe Risiken
VC-Fonds haben meist ein Verzinsungsziel in der Größenordnung von etwa 30 bis 50 Prozent des eingesetzten Kapitals, wobei die Chancen auf diese hohe Verzinsung eben auch mit besonders hohen Risiken erkauft werden. Gelder des VC-Fonds werden gezielt in solche unternehmerischen Vorhaben investiert, die besonders fulminante Entwicklungs- und Wertsteigerungsperspektiven aufweisen. Die Risiken gehen bis hin zum Totalverlust eines Einzelinvestments oder gar des gesamten Fondsvermögens, denn der Fonds erhält keine Besicherung. Eine positive VC-Entscheidung für ein bestimmtes Investment stützt sich im Prinzip ausschließlich auf das Management-Team, das Geschäftsmodell, die ersten Erfolge und den Businessplan des Unternehmens.
Das Fondsvermögen handelt im Grunde genommen mit Unternehmensbeteiligungen: Man kauft sich in ein Unternehmen zu niedrigen Beteiligungspreisen ein (investiert) und verkauft nach einigen Jahren zu möglichst signifikant höheren Preisen (desinvestiert, „Exit“). Die Marge der Fondsgesellschaft ergibt sich also aus dem addierten Saldo aller Beteiligungsgeschäfte und Wertänderungen (Aufwertungen und Abwertungen von Beteiligungen) abzüglich der Management-Gebühren für die VC-Gesellschaft.
Wichtig ist nun zu verstehen, dass meist eine hohe Zahl der eingegangenen Beteiligungen das Verzinsungsziel bei weitem nicht erreicht. In der Terminologie des preußischen Generals Clausewitz (Strategie-Standardwerk: „Vom Kriege“) führen „Friktionen“ dazu, dass Pläne nicht aufgehen. Vielmehr sind es meist einzelne „Volltreffer“ im Beteiligungsportfolio, die eine überragende Performance in der Wertsteigerung aufweisen (beispielsweise Google oder Xing). Die eher magere Wertentwicklung von anderen Beteiligungen und die Abschreibungen der in „Flops“ investierten Gelder (Abwicklungen, Insolvenzen) werden so kompensiert. Ein Zitat, das man Baron Rothschild nachsagt, illustriert den Sachverhalt recht plastisch: „Ich weiß genau, dass die Hälfte des Geldes, das ich ausgebe, verloren ist. Ich weiß nur leider nicht, welche Hälfte.“
Tausendmal ist nichts passiert…
Neben der zeitintensiven Betreuung und Begleitung der Unternehmen sind VC-Gesellschaften natürlich laufend damit befasst, neue Investitionsoptionen zu prüfen. Was die wenigsten wissen: Von 100 Anfangskontakten führt typischerweise lediglich ein einziger Kontakt zu einem abgeschlossenen Vertrag. Die anderen 99 bleiben – aus welchen Gründen auch immer – in den Phasen Pitch oder Exposé, bei den Präsentationen, den folgenden Verhandlungen oder bei der schlussendlichen Entscheidung des VC-Gremiums auf der Strecke.
Spontan ist man angesichts solcher Zahlen geneigt, die Unternehmer zu bedauern, die sich völlig umsonst der anstrengenden monatelangen Tour durch all die „Nein-Filter“ der VC-Gesellschaft gequält haben. Und in der Tat steckt sehr viel Zeit und Energie in jeder Bewerbung um VC-Geld. Vergessen darf man allerdings auch nicht die andere Seite: Während der Unternehmer vielleicht vier Mal oder sechs Mal diese Tour unternehmen muss (oft ohne abschließenden Erfolg), müssen die VC-Manager 100-mal durch dieselbe Tour, um nur eine einzelne Beteiligung zu bekommen, die sie für aussichtsreich halten. Und dann multipliziere man die 100 noch mit der zehn – denn wie schon erwähnt, ist nur jede zehnte oder zwanzigste Unternehmensbeteiligung wirklich erfolgreich. 1.000- bis 2.000-mal also müssen die VC-Manager das Prozedere mehr oder minder weit abarbeiten, um nur ein einziges gut funktionierendes Geschäft zu entdecken.
Keine Angst vor den Profis
Jedermann kann von daher nachvollziehen, dass VC-Gesellschaften grundsätzlich versuchen, das Prozedere vor einem Deal so effizient wie irgend möglich zu gestalten. Man möchte selbstverständlich Kosten sparen, denn der Aufwand für alle diese Wiederholungen der Prozedur macht einen erheblichen Teil der Gesamtkosten einer VC-Management-Gesellschaft aus. Aus dieser Anforderung heraus haben die VC-Leute ihre Methoden entwickelt. Dem Unternehmer begegnet deshalb beim „Ritt durch die Instanzen“ eine ganze Reihe standardisierter Verfahren und auch eine ganze Liste von K.O.-Kriterien, wobei sich nicht jede Logik immer gleich für ihn erschließt. Wundern darf man sich natürlich darüber, auf welch nüchterne und rationale Weise die VC-Manager das Unternehmen betrachten und in Hochgeschwindigkeit beurteilen. Ärgern sollte man sich aber auch dann nicht, wenn man den Eindruck gewinnt, das eigene „hoch-individuelle Baby“ würde mit rüden Einheitsverfahren behandelt.
Zu bedenken ist: Man hat es mit Leuten zu tun, die oft seit Jahrzehnten nichts anderes machen, als junge Unternehmen zu checken und zu begleiten. Und sehr häufig sind diese Leute „best of breed“ – sie gehören zu den Besten ihrer jeweiligen Branche. Man sollte genau zuhören, denn man kann viel dabei lernen. Diskussionen über die Vorgehensweise, über den Prozess oder über Verfahren sind nicht empfehlenswert. Den Wünschen der VC-Leute bei der Vorgehensweise sollte man sich zunächst einfach fügen. Hat man irgendwann alle Instanzen überwunden, kann man immernoch seine Vorstellungen geltend machen. Zu diesem Zeitpunkt nämlich besteht dann starkes Interesse beim Vis-a-vis und deswegen wird man dort dann auch etwas „elastischer“.
Vom Kontakt zum Exposé
Der Einstieg in jeden ersten Kontakt mit einer VC-Gesellschaft ist nun also der „Elevator Pitch“, sofern sich eine Gelegenheit ergibt: im berühmten Aufzug, auf einer Beteiligungs- und Investoren-Messe, einer sonstigen Veranstaltung oder vielleicht auch per Telefonanruf oder Postbrief. Andernfalls oder anschließend wird ein Exposé übergeben. Das ist ein möglichst nur ein- bis maximal dreiseitiges, zusammenfassendes Textdokument ohne Anlagen. Um Konsistenz und Schlüssigkeit zu bewahren, erstellt man zuerst den Businessplan. Anschließend zieht man die Quintessenz aus dem Businessplan, um das Wichtigste vom Wichtigen ins Exposé zu schreiben oder in seinen Pitch zu packen (siehe Kasten). Der Pitch verträgt dabei natürlich noch weniger Informationsmenge als ein Exposé. Für den Pitch brauchen Sie einen echten „Aufreißer-Satz“ der neugierig macht, denn zunächst haben Sie nur Zeit für drei bis vier Sätze und Ziel kann nur sein, eine Visitenkarte, ein Telefonat, einen kurzen Termin zu bekommen oder eine E-Mail mit dem Exposé avisieren zu können.
Kernaussagen für das Exposé |
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Nicht notwendig sind in dieser Phase Zahlenkolonnen und Diagrammwüsten. Pitch wie auch Exposé sollen es dem Leser ganz einfach erlauben, innerhalb kürzester Zeit zu erkennen, worum es überhaupt geht. Umständlichkeiten und Eigenlob sollte man sich verkneifen. Stattdessen sollte man rasch auf den Punkt kommen. Wichtig ist es, zügig die wesentlichen Antworten zu geben.
Details sind zu diesem Zeitpunkt zum einen noch unwichtig. Und zum anderen erspart man es sich, schon jetzt nach einer Vertraulichkeitserklärung (NDA = non disclosure agreement) fragen zu müssen. Alleine das Lesen und Durchdenken einer (unnötigen) NDA nervt und kostet zusätzliche Zeit. In aller Regel ist es problemlos möglich, sogar eine starke, neue Geschäftsidee interessant aber noch hinreichend ungenau zu schildern, so dass niemand auf der groben Schilderung basierend die Idee „klauen“ kann. Weiteres Problem mit NDAs: Häufig sind sie aus blanker Vorsicht und Panik so allumfassend formuliert, dass ab Unterschrift sämtliche Geschäfte in einer ganzen Branche darunter fallen würden. Und das unterschreibt natürlich niemand, der sich von vorneherein auf die gleiche Branche spezialisiert hat. Im Übrigen mangelt es VC-Leuten meistens nicht an guten (auch eigenen) Ideen. Es mangelt ihnen viel mehr an Unternehmern, die diese Ideen realisieren. VC-Leute wollen lediglich beteiligt sein, nicht aber selbst alleine neue Unternehmen betreiben.
Exposé: Schlicht ist ergreifend
Das Exposé erstellt man am besten als PDF-Dokument, idealerweise mit einem einfachen DTP-Programm oder auch mit LaTeX in einem schlichten, professionell anmutenden Layout. Es liest sich besser und mit mehr Aufmerksamkeit als ein Textdokument mit schlechter Formatierung, Rechtschreibfehlern und Schachtelsätzen und es kann auch einmal „diagonal“ im Schnellverfahren überflogen werden.
Man stelle sich einfach einen VC-Manager vor, der sich (mal wieder…) in sein Schicksal fügt und seinen „Exposé-Tag“ abarbeitet – an dem er zwanzig Exposés lesen wird. Das Exposé ist das Aushängeschild. Der Leser kennt nichts von Ihnen und Ihrem Projekt außer diesem Exposé. Überlegen Sie also, welchen Eindruck Sie hinterlassen wollen. Und überlegen Sie, was genau das Ziel ist für dieses Exposé: Sie wollen erstes Interesse wecken – stark genug, um ein positives Feedback auszulösen. Aufgrund des Exposés soll Bedarf an weiteren Informationen geweckt werden. Mehr als das können Sie zum gegebenen Zeitpunkt sowieso nicht erreichen. Alles weitere ist dann abhängig von den nächsten Stationen auf dem Weg zum Geld.
Ein Tipp noch zum Schluss – auch wenn der selbstverständlich sein sollte: Bitte wählen Sie sorgfältig aus, wen Sie kontaktieren. Wenn Sie nämlich Ihr Exposé in Deutsch an eine britische VC-Gesellschaft schicken, die sich auf „Life Science“ spezialisiert und nur stille Beteiligungen ab 10 Mio. Pfund Sterling aufwärts eingeht, während Sie eine halbe Million Euro in zwei Tranchen nacheinander für ein OSS-Hosting-Projekt brauchen und Kapitalanteile anbieten – dann haben sie nicht nur sich selbst Zeit gestohlen. Wundern Sie sich in dem Fall nicht, wenn Sie überhaupt keine Antwort bekommen. Auf bkv-ev.de [1] und seca.ch [2] finden Sie eine nach diversen Kriterien selektierbare Liste von VC-Gesellschaften des deutschen und des schweizerischen Verbandes.
Sollten Sie sich noch nicht ausreichend gut vorbereitet fühlen für den direkten Kontakt mit einer VC-Gesellschaft, dann wenden Sie sich zuerst an einen Business Angel. Er investiert kleinere Geldbeträge, vor allem aber Zeit und macht Sie fit für die nächste Runde – dann mit einer VC-Gesellschaft.
Die weiteren Artikel der Serie erscheinen in den nächsten T3N-Ausgaben: | |
Teil 1 (T3N Nr. 12) | Fabeltier Businessplan |
Teil 2 (T3N Nr. 13) | Elevator, Pitch und Exposé |
Teil 3 (T3N Nr. 14) | Präsentation und Verhandlung |
Teil 4 (T3N Nr. 15) | Regeln, Absprachen, Verträge |
Teil 5 (T3N Nr. 16) | Gemeinschaftsleben |