Praktische Ansätze für Alfresco: Enterprise Content Management mit Open Source
Alfresco gehört wohl zu den spannendsten Neuerungen im ECM-Markt in den letzten fünf Jahren. Führt man sich die Merkmale für Enterprise Content Management vor Augen, die von Dr. Ulrich Kampffmeyer im Rahmen des „DMS Best-Practice Panel“ bereits vor zwei Jahren aufgestellt wurden, könnte man meinen, er hätte den Anlass für die Gründung von Alfresco gegeben:
- Enterprise Content Management als integrative Middleware
- Enterprise-Content-Management-Komponenten als unabhängige Dienste
- Einheitliches Repository für alle Typen von Informationen
Während die Großen der Branche regelmäßig durch Übernahmen in der Presse auf sich aufmerksam machen, haben bekannte Größen wie John Newton (Mitbegründer des Marktführers Documentum) und Kevin Cochrane (ehemals Vice President bei Interwoven) Anfang 2005 ein neues Unternehmen gegründet, um mit Alfresco eines der innovativsten ECM-Produkte zu schaffen, das obendrein auch noch als Open Source zur Verfügung steht (Mozilla Public License). Bei der Implementierung von Alfresco kommen die besten Open-Source-Frameworks und Ansätze zum Einsatz, die Java zu bieten hat: Spring als aspektorientiertes Framework, ACEGI als aspektorientiertes Security-Framework, MyFaces für die Oberflächen, Hibernate als Persistenzschicht und Lucene als Search-Engine.
Mit dem aktuellen Release 1.4 werden Anforderungen an ein Dokumenten-Management-System (DMS) anspruchsvoll und zukunftssicher abgedeckt und mit aktuellen Standards umgesetzt. So verwaltet Alfresco beispielsweise die Dokumente in einem Content-Repository, das auf der anerkannten Industrie-Schnittstelle JCR (JSR 170 bzw. JSR 283) basiert. Alfresco wird in wenigen Wochen auch sein integriertes, innovatives WCMS vorstellen, sodass es sich nicht mehr nur auf DMS reduzieren lässt. Es ist davon auszugehen, dass zukünftige Anwendungen Content auf Basis der JCR-Schnittstelle einbinden und damit das Risiko der Abhängigkeit von bestimmten Herstellern eliminieren. Eine digitale Personalakte beispielsweise wäre auf Basis dieses Standards auf jedem JSR-170-kompatiblen Repository lauffähig und damit nicht mehr wie heute üblich an einen Hersteller gebunden.
Da ein JCR-Repository aber noch kein DMS darstellt, hat Alfresco entsprechende Lösungen implementiert, die das Produkt zum vollwertigen DMS-System machen: Der Zugriff erfolgt über ein virtuelles Gruppenlaufwerk, sodass eigentlich ganze Fileserver abgelöst werden könnten. Tätigkeiten, die ein virtuelles Filesystem nicht abbildet, können direkt über einen im Ordner erzeugten dynamischen Link im Browser aufgerufen werden. Hierzu gehören beispielsweise das Editieren von Metadaten, die Versionierung von Dateien und die Verwendung von Workflows.
Statt wie bei anderen Anwendungen einen weiteren, proprietären Workflow zu implementieren, bindet Alfresco den Open-Source-Workflow jBPM transparent ein, mit dem auch anwendungsübergreifende Geschäftsprozesse umgesetzt werden können.
Alternativ ist durch die WebServices-Schnittstelle der Einsatz des Standards BPEL (Business Process Execution Language) möglich.
Schnelle Mehrwerte
In der Praxis lassen sich bereits viele Mehrwerte mit wenigen Eingriffen schaffen. Wo Workflows zu umständlich sind, können im System sehr einfach Regeln definiert werden, die nützliche Aktivitäten auslösen, um beispielsweise Benutzer zu benachrichtigen, Dokumente und Bilder automatisch zu konvertieren, Metadaten zu extrahieren oder doch automatisch Workflows zu starten. Aktivitäten können einfach erweitert und verändert werden. Hierzu wurde die Open-Source-Script- und Template-Engine FreeMarker eingebunden, die JavaScript ausführt und den einfachen Zugriff auf die Alfresco-API ohne Java-Kenntnisse ermöglicht.
Über Templates lassen sich beispielsweise Bilder in einer Bilder-Galerie darstellen, freigegebene Dokumente mit bestimmten Eigenschaften im Intranet einbinden oder die Ergebnismenge einer Suche mit der Firefox-Searchbar in Alfresco anzeigen. Um Dokumente entsprechend der gesetzlichen Anforderungen verwalten zu können, unterstützt Alfresco im aktuellen Release Records-Management zur Erstellung digitaler Aktenpläne und Audit-Logging zum Nachweis von Zugriffen und Änderungen.
Trotz der vielen guten technischen Ansätze und Potenziale wird man feststellen, dass Alfresco noch lange nicht über so viel „Best Practices“ und Referenzen verfügt, wie sie die oft seit mehreren Jahren am Markt etablierten kommerziellen Anbieter vorweisen können. Dies ist nicht verwunderlich, da das erste ernst zu nehmende Release im Sommer dieses Jahres veröffentlicht wurde. Branchenlösungen wie etwa eine Bau- oder Personalakte wird man daher genauso wenig finden wie die Abbildung DOMEA-konformer Prozesse, wie sie Bundesbehörden fordern. Dass diese Anforderungen allerdings leicht und kostengünstig implementiert werden können, ist besonders vor dem Hintergrund interessant, dass Lizenzkosten entfallen, die im unternehmensweiten Einsatz schnell sechs- bis siebenstellig ausfallen können.
Die dmc digital media center GmbH hat bereits einige Lösungen mit Alfresco geschaffen, die sich heute schon von etablierten Anwendungen abgrenzen. Auf der Tagesordnung stehen noch die Integration von SAP und die Zertifizierung mit gängigen Archivsystemen, um das Spektrum zu vervollständigen.
Enterprise Content Management hat den Anspruch, Geschäftsprozesse anwendungsübergreifend mit Unternehmenswissen und Inhalten zu unterstützen. Durch den Einsatz der elektronischen Medien haben sich allerdings Brüche in der Handhabung von elektronischen Informationen eingebürgert, die bis heute nicht aufgelöst wurden. Ein Beispiel hierfür ist die Handhabung von E-Mails. Hat man in der Vergangenheit ein Schreiben gemeinsam mit einer Akte oder einem Vorgang abgelegt, so verbleibt heute in der Regel eine E-Mail im Posteingang des Empfängers. Eine herkömmliche E-Mail-Archivierung sichert die Daten fortlaufend am E-Mail-Server und bringt dem Unternehmen und dem Anwender keinen Mehrwert. Mit Alfresco bietet dmc eine einfache und effektive Lösung, direkt im E-Mail-Programm per Drag-and-Drop eingegangene und versendete E-Mails den entsprechenden Kunden, Projekten oder Akten zuzuordnen. Hierzu wird der Alfresco-Server über IMAP als zusätzliches Postfach im E-Mail-Client eingerichtet, das verschiedenen Ordnern direkten Zugriff auf die wichtigen Verzeichnisse und Projekte bietet.
Sofort nachdem E-Mails in die entsprechenden Verzeichnisse zugewiesen werden, können in Alfresco Workflows starten, um die E-Mails zu bearbeiten, zu klassifizieren, dem Records-Management zu unterstellen oder um anderweitige Prozesse abzubilden. Der Zugriff auf die so archivierten E-Mails findet entweder in Alfresco statt oder wieder direkt aus dem E-Mail-Programm.
Integration von Geodaten
Ein anderes Anwendungsbeispiel, bei dem Alfresco von dmc im Rahmen von Projekten erweitert wurde, um Anwendungsbrüche aufzulösen, ist der Einsatz von Dokumenten im Zusammenhang mit Geodaten.
Geosysteme werden in der Regel verwendet, um in autarken Systemen räumliche Informationen zu pflegen, beispielsweise bei Bahnstrecken, Leitungssystemen oder bei Grundstücksinformationen. Eine direkte Verknüpfung dieser Informationen mit anderen (Dokumente-Management-)Systemen ist nicht vorgesehen. Durch den Einsatz der Erweiterung „GeoXtension for Alfresco“ lassen sich Dokumente und Geodaten bidirektional miteinander verknüpfen. So können relevante Dokumente in einer Karte angezeigt oder Dokumente im DMS mit räumlichem Bezug ermittelt werden. Bei einer Meldung von Gasgeruch können beispielsweise alle relevanten Dokumente wie Betriebsanweisungen, Wartungsprotokolle, Herstellerinformationen oder Einmessskizzen im Umkreis von 100 Metern dem Technikteam zur Verfügung gestellt werden. Weitere Anwendungsfälle lassen sich schnell für die Verwaltung von Immobilien oder im Versicherungsbereich finden.
Fazit
Die skizzierten Lösungen sollen das Potenzial von Alfresco aufzeigen, Anwendungs- und Medienbrüche aufzulösen. Möglich wird dies durch die offene Architektur und die leistungsfähigen Schnittstellen. Durch den Open-Source-Ansatz ist anzunehmen, dass zahlreiche Anwendungsfälle die Lücke zu etablierten Systemen schnell schließen werden.