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Gamification in Unternehmen: Die sollen nur spielen

Wem seine Arbeit Spaß macht, der macht sie gerne. Spielkonzepte helfen dabei, vermeintlich trockene Aufgaben aufzupeppen. Mit dieser so genannten Gamification lassen sich spielerisch und entspannt die Arbeitsatmosphäre verbessern, Mitarbeiter motivieren und die Produktivität steigern.

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In der Psychologie gibt es den Begriff Flow, er bezeichnet die völlige Vertiefung und das Aufgehen in einer Tätigkeit: Wie in einem Rausch wird gearbeitet. Der Mensch verliert sich in seiner Arbeit, ohne dass er merkt, wie viel Zeit vergeht und was er alles geschaffen hat. Und das gerne. Im Idealfall findet man in seinem Leben einen Job, der genau das bei einem auslöst. Ist dies nicht der Fall, lässt sich in Sachen Flow ein wenig nachhelfen.

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Gamification, also die Übertragung von Spielmechanismen oder ganzen Spielmodellen in den Arbeitsalltag, ist eine Methode, mit der Unternehmen Mitarbeiter motivieren, die Arbeitsatmosphäre verbessern und generell die Produktivität erhöhen können. Vermeintlich langweilige Abläufe sollen so mehr Spaß machen und gerne erledigt werden. „Häufig eignen sich besonders so genannte Abarbeitungsaufgaben, die man mit Gamification attraktiver gestalten kann“, sagt Monika Steinberg, Professorin an der Hochschule Hannover, die unter anderem auch zu Gamification forscht.

Gamification als Erfolgsmodell

In Werbung, Wirtschaft und Freizeit ist dieses Konzept der Gamification inzwischen weitverbreitet. Dabei kommt es zum Einsatz von Spielmodellen: Abläufe und Prozesse werden so gestaltet, wie man es aus Computerspielen kennt: Punkte sammeln, Quests erledigen, Levels aufsteigen, Items anhäufen, Highscores erspielen. Paybackpunkte oder Bonusmeilen sammeln sind da nur zwei der erfolgreichsten Konzepte. Volkswagen hat mit seiner „The Fun Theory“-Werbekampagne bewiesen, dass viele Menschen gerne Alltägliches wie Treppensteigen oder Müll entsorgen machen, wenn daraus ein Spiel gemacht wird.

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Unternehmen wie Amazon oder der Captcha-Erfinder Luis van Ahn nutzen dieses Potenzial für ihre Crowdsourcing-basierten Dienste Mechanical Turk oder Duolingo. Bei Amazons Mechanical Turk werden Aufträge von Kunden eingestellt, die Nutzer gegen eine kleine Bezahlung erledigen: Dazu zählen das Korrigieren und Verfassen von Artikeln oder das Teilen bestimmter Inhalte auf seiner Facebook-Seite. Bei Duolingo übersetzen Nutzer Texte aus einer Fremdsprache, die später für die Buchdigitalisierung verwendet werden können. Nebenbei lässt sich so die Fremdsprache spielerisch erlernen.

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Die Arbeit wird zum Spiel

Beim Web-Dienst Duolingo übersetzen Nutzer Texte und so lernen so ganz nebenbei und spielerisch eine Fremdsprache.
Beim Web-Dienst Duolingo übersetzen Nutzer Texte und so lernen so ganz nebenbei und spielerisch eine Fremdsprache.

Warum sollte das nicht auch für alltägliche Aufgaben wie Akquise, Post bearbeiten, Kundendienst, Social-Media-Management oder interne Kommunikation geeignet sein? Ein neuer Kunde ergibt eine bestimmte Punktzahl; so auch die Zahl beantworteter Kundenanfragen oder die Reaktion auf Posts bei Facebook oder Twitter. Erfolgreich sind auch Wettbewerbe, bei denen Mitarbeiter angehalten werden, so oft wie möglich mit dem Fahrrad statt dem Auto zur Arbeit zu kommen. Wenn sich ein Unternehmen für Gamification interessiert, sollte es sich fragen: Was sind meine Ziele? Was möchte ich damit erreichen? Wie ist das soziale Gefüge im Unternehmen? Dieses soziale Gefüge innerhalb des Unternehmens ist dabei äußerst aufschlussreich. Daraus lässt sich ein Punktesystem erarbeiten, frei nach dem Motto: Was man messen kann, lässt sich auch verbessern.

„Tendenziell wird Gamification eher von jüngeren Unternehmen und Startups ausprobiert“, sagt Mike Schnoor, Pressesprecher des Bundesverbands der Digitalen Wirtschaft. Ältere Unternehmen hätten eher eingefahrene Strukturen und würden solchen Neuerungen eher kritisch gegenüberstehen.

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Die Aufgaben sollten trotz allem nicht einfacher oder belangloser werden. „Damit Gamification funktioniert, müssen Nicht-Spiel-Aktivitäten eher härter werden“, fasst die US-amerikanische Game-Designerin Jane McGonigal die Potenziale von Gamification zusammen. Erst wenn man das Gefühl bekäme, eine Aufgabe sei schwierig genug, um nach der erfolgreichen Bewältigung stolz auf sich sein zu können, würde Gamification Sinn ergeben.

„Damit Gamification funktioniert, braucht man Aufgaben, die man zerlegen und analysieren kann, sodass diese sich messbar verbessern lassen“, erklärt Monika Steinberg. Erfolgreiche Beispiele gibt es zuhauf: von der internen Wette, bei der jeder operative Ergebnisse schätzt, und wer am nächsten dran ist, gewinnt, bis zur Aufgliederung bestimmter Tasks in ein Punktesystem, dass ein Highscore-Ranking ermöglicht.

Fair und transparent gestalten

Tim Royle, Geschäftsführer des Unternehmens ISW, australischer Partner von IBM, nennt im Bereich Marketing das Beispiel, bestimmte Prozesse so zu staffeln, dass man Auszeichnungen sammeln kann: „500 Briefe bringen dann einen Post-Badge, nachfolgende Anrufe bei potenziellen Kunden Telemarketing-Badges, und wenn sich daraus eine Bestellung ergibt, bekommt man einen Verkaufs-Badge.“ [2] Royles Darstellung eines ersten Versuchs zeigt, wie einfach Gamification in einem Unternehmen sein muss. Es darf eben nicht vergessen werden, dass die Mitarbeiter unterschiedliche Erfahrungen mit Spielmodellen gesammelt haben. „Die Punktevergabe muss fair und transparent geschehen und auch so kommuniziert werden“, sagt Steinberg. Zu hohe Komplexität hält die Mitarbeiter davon ab, sich mit Spaß so einer Spielsituation zu nähern, und es macht ein klares Regelwerk und eventuell sogar einen Schiedsrichter notwendig.

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Außerdem dürfe sich niemand gemobbt fühlen, nur weil er bestimmte Eigenschaften nicht mitbringt. „Jeder Mitarbeiter hat unterschiedliche Stärken und Schwächen, die durch Gamification gestärkt werden können.“ Eine eindringliche Analyse könnten Einzelne jedoch als Eingriff in die Privatsphäre verstehen, das wäre auch ein Datenschutzproblem. „Es kann auch genau das Gegenteil von den Zielen erreicht werden“, erinnert Mike Schnoor. Wenn ein Mitarbeiter immer wieder eine schlechte Platzierung in der Highscore-Liste erreicht, zweifelt er vieleicht an seinen eigenen Fähigkeiten. „Wenn es eine klare Transparenz gibt, werden auch Leistungsträger klarer erkennbar.“ Für die Mitarbeiter, die schlechter abschneiden, kann das sehr demotivierend sein.

Gestaltung wie im Computerspiel

„Der Nutzer soll sich ja freiwillig auf das Spiel einlassen, nur so entsteht Mehrwert“, sagt Professor Axel Hoppe, Dozent für Gamedesign an der Mediadesign Hochschule in München. Hoppe entwickelt mit seinen Studenten theoretische Konzepte für Spiele, inzwischen auch für Unternehmen wie BMW. „Bei Gamification-Konzepten ist es dabei wichtig, so genannte Brotkrumen zu streuen, die einen Nutzer anregen, darüber Informationen zu teilen.“ So entsteht eine Art Dramaturgie, und der Mehrwert wird erzeugt. Und natürlich darf die Belohnung nicht vergessen werden.

Einig sind sich alle Experten, dass Gamification-Ergebnisse nicht ins Gehalt einfließen sollten. „Das erzeugt eine negative Konkurrenzsituation, und außerdem könnte man schummeln“, erklärt Monika Steinberg. Anders als bei klassischen Belohnungssystemen über Boni stehen bei Gamification weniger finanzielle Anreize im Mittelpunkt. „Der Trend geht auch weg von einem Punktesystem mit Badges und Auszeichnungen“, sagt Steinberg.

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Auch Mike Schnoor sieht ebenfalls ein Problem darin, Mitarbeiter über finanzielle Anreize anzuspornen. „Einmal abgesehen von den Problemen mit dem Datenschutz, so eine Belohnung erzeugt eine schlechte Stimmung.“

Inzwischen würden ja selbst Badges-Vorreiter wie Foursquare ihre Strategie überdenken. „Kleine Goodies und Sachpreise werden immer häufiger vergeben“, sagt Steinberg. Auch, dass Mitarbeiter Freizeit erspielen können – also mal einen Nachmittag frei bekommen oder eine Stunde eher gehen dürfen – sporne an.

Sachwerte statt Geld

Medienmacher, Betreiber von Websites oder Präsenzen bei sozialen Netzwerken arbeiten dagegen meist mit Belohnungen wie Abonnements, Gutscheinen oder auch mal Einladungen zu Events und Messen. Gestaffelt nach Leistung – Artikel verfassen, Seiten teilen, Klickzahlen – werden Highscores ermittelt. Mit am bekanntesten ist inzwischen das Ranking-System des Computerspielmagazins Gamersglobal, bei dem Autoren in verschiedenen Klassen hochsteigen, für die es dann bestimmte Belohnungen gibt. [3] Ein Prinzip, das so ähnlich auch seit Jahren bei Wikipedia funktioniert, wobei es dort eher um das Gefühl geht, erfolgreich das eigene Wissen geteilt zu haben.

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„Generell lohnt es sich, die Mitarbeiter gemeinsam entscheiden zu lassen, was sie gewinnen möchten“, sagt Steinberg. Neben der fundamentalen Frage, ob die Belegschaft überhaupt für eine Gamification von Teilbereichen ihrer Arbeit offen ist, sollte geklärt werden, was sich die Mitarbeiter davon erhoffen und was sie zu geben bereit sind. Es reiche jedoch nicht, ein Bild des Mitarbeiters im Flur aufzuhängen. Es braucht Anreize, um Gamification erfolgreich zu etablieren.

Dazu gehört eben der Flow, oder Immersion, wie es Professor Axel Hoppe nennt: „Wenn ein Spiel gut gemacht ist, dann funktioniert es nach dem Konzept: Anspruch, Anspruch, Anspruch, Belohnung und dann Ruhe, und das Ganze wiederholt.“

Damit die Verspielung überhaupt erfolgreich ist, muss sie erst einmal angenommen und akzeptiert werden. „Generell sind Menschen mit Computerspielerfahrungen oder Affinität zu Spielen leichter zu überzeugen, bei Gamification mitzumachen“, sagt Steinberg. Auch eignen sich die Spielmodelle vor allem im Dienstleistungsbereich. Sie kann jedoch schon mit einfachen Mitteln einen Wandel in der internen Kommunikation bewirken.

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Recrutainment als Beispiel

Wegwerfspiel: Bottle Bank Arcade macht das Entsorgen von Altglas zum Spiel.
Wegwerfspiel: Bottle Bank Arcade macht das Entsorgen von Altglas zum Spiel.

Gute Erfahrung mit der Verwendung von Spielmodellen macht das Hamburger Unternehmen Cyquest für seine Mitarbeiteranwerbekonzepte bereits seit 2000. „Für unsere Kunden kombinieren wir Personalmarketing und Eignungsdiagnostik im Bereich Recrutainment“, sagt Joachim Diercks, Geschäftsführer von Cyquest [4]. „Dazu entwickeln wir Applikationen, die der Personalauswahl dienen.“ Also Online-Tests, die nicht als Aneinanderreihung von Formularen daherkommen sollen, sondern interessant und kurzweilig sein sollen. Also gerne auch als Simulation.

Dazu gehören auch Konzepte, die dafür sorgen, dass sich überhaupt die passenden Personen für ein Unternehmen interessieren – etwa der „Fresenius Navigator“, bei dem potenzielle Bewerber verschiedene Konzernbereiche des DAX-Unternehmens kennenlernen und mit ihren Interessensgebieten vergleichen können. Oder das Self-Assessment-Programm Cypress, das unter anderem vom Verlag Gruner & Jahr verwendet wurde. „Die Reaktionen auf solche Spielmodelle sind immer überaus positiv“, sagt Joachim Diercks. „Aber ein Berufsorientierungsspiel wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nie so gut ankommen wie ein Spiel, das dem reinen Vergnügen gilt.“

Am Anfang einer Recrutainment-Konzeption steht auch wie bei allen anderen Gamification-Varianten die Analyse, was mit dieser Gamification bezweckt werden sollte. Lohnt es sich nicht oder gibt es keine Tasks, die sich objektiv messen lassen, dann sollten Unternehmen davon ablassen. „Gamification ist kein Selbstzweck, sondern ein Instrument“, sagt Diercks. Im Personalbereich zählen am Ende nämlich auch die harten Fakten: also Arbeitszeit, Bezahlung oder Hierarchien.

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Fazit

Trotz allem sollten Mitarbeiter nicht vergessen, dass es sich um ein Spiel handelt und dieses auch als ein solches behandeln. Dazu gehört auch, über der zusätzlichen Gamification nicht die Arbeit selbst zu vergessen. „Natürlich gibt es die Gefahr, dass Menschen nur noch auf die Belohnung aus sind und darüber vergessen, was sie gerade machen“, sagt Monika Steinberg. Notfalls muss ein Unternehmen gegensteuern und Spiele anpassen oder sogar komplett abbrechen. „Gamification ist eben kein Allheilmittel.“

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