Das Geschäft mit dem ewigen Leben: Unsterblich ab 12,95 Euro
12,95 Euro kosten 100 Gramm getrocknete Wildkräuter der Sorte Jiaogulan bei Amazon – ein absolutes Schnäppchen! Jedenfalls wenn man bedenkt, wofür: Sie werden als „Unsterblichkeitskraut“ angepriesen. Knapp 13 Euro für das ewige Leben, das klingt nach einem großartigen Deal. Natürlich ist der Spitzname, gelinde gesagt, übertrieben.
Was schon seit Jahrhunderten von Heilern in ganz ähnlicher Form angeboten wird, hat sich mittlerweile zu einer wahren Bewegung entwickelt. In den Kamp gegen das Alter reihen sich nicht nur Quacksalber, sondern auch Forscher, Non-Profit-Organisationen und immer
mehr Unternehmen ein. Die Palette der Lösungsideen und Angebote wird dabei immer größer und komplexer. Aber auch erfolgreicher?
Die Wege zum ewigen Leben unterscheiden sich sehr stark: Manche wollen der Menschheit direkt Unsterblichkeit schenken. Andere versuchen, zumindest die sogenannte maximale Lebensspanne auszuweiten. Wo die genau liegt und ob sie weiterhin steigt, ist strittig. Wieder andere wollen „nur“ möglichst vielen Menschen zu einem langen gesunden Leben verhelfen und Krankheiten frühzeitig erkennen. Auch die gewählten Mittel gehen weit auseinander: Angefangen von Frühdiagnostik und Nahrungsergänzungsmitteln über Bluttransfusionen, Hormon- und Stammzelltherapien bis zur Übertragung des Ichs in die Cloud.
Neu sind solche Ansätze nicht: Der Kampf gegen den Tod ist so alt wie die Menschheit selbst. Bereits der Gilgamesch-Epos, vor 4.000 Jahren geschrieben, drehte sich darum, dem Tod zu entfliehen. Im 15. Jahrhundert suchte der spanische Eroberer Juan Ponce de León im noch unerkundeten Amerika nach dem sagenumwobenen Jungbrunnen. Bekanntlich hatte er damit keinen Erfolg.
Seinen modernen Nachfolgern erging es bislang nicht viel besser. Die meisten der in den 90er-Jahren gegründeten Unsterblichkeitsunternehmen haben das Zeitliche gesegnet – oder wurden zumindest von großen Unternehmen mit anderem Fokus absorbiert. Elixir Pharmaceuticals aus Cambridge, Health Span Sciences aus Kalifornien, Rejuvenon aus Texas, Neomedigen von den Bahamas, Chronogen aus Kanada, alle Geschichte. Die Sense des Todes lässt sich offenbar nicht so einfach entschärfen wie gedacht.
Die Digitalisierung hat dem Unsterblichkeitstrend eine Wiedergeburt verschafft. Es scheint, als wolle die Tech-Szene das letzte Mysterium der Menschheit überwinden. Wenig überraschend sitzen dementsprechend viele Unsterblichkeitsfans im Silicon Valley oder in Kalifornien. „Wir packen das Mysterium Alter an“, verspricht etwa die California Life Company, kurz Calico. Dafür brauche man zwar einen langfristigen Fokus, aber die Finanzierung sei bereits vorhanden. Kein Wunder, denn hinter Calico steht kein geringerer Akteur als Alphabet.
Auch in Deutschland gibt es einige Vorreiter. Web.de-Gründer Michael Greve will dem Sensenmann selbst den Garaus machen. Damit er in zehn Jahren noch auf dem Snowboard stehen kann, arbeitet der 53-Jährige seit 2014 an einer gemeinnützigen GmbH namens Forever Healthy. „Stellt euch eine Welt vor ohne Krebs, ohne Parkinson, ohne Schlaganfälle, ohne Demenz. Diese Welt steht kurz bevor“, sagte Greve 2015 auf einer Konferenz. Er hat nicht nur die Austauschplattform für Unsterblichkeits-Jünger aufgebaut, sondern investiert mit seiner Venture-Capital-Gesellschaft Kizoo auch in Unternehmen, beispielsweise Ichor oder Oisin, und Non-Profit-Organisationen wie Sens. Alle drei arbeiten an Therapien gegen Alterserkrankungen. „Ich habe mich entschieden, mit gutem Beispiel voranzugehen und ein Zehn-Millionen-Dollar-Commitment einzugehen“, sagt Greve. Wenn die Forschung erfolgreich ist, dürfte ein Mehrfaches davon zurückkommen.
Eine Prise Prävention
Es ist genau dieses Wenn, auf das so viele Unternehmen hoffen. Das fängt schon bei dem Geschäft mit Präventivmaßnahmen an. Ob bei der Untersuchung von Blut oder Genen – viele Firmen versprechen ihren Nutzern, Krankheiten früh zu erkennen. Denn wer würde sich nicht einem neuartigen Bluttest ohne Spritzen unterziehen, um frühzeitig auf eine Krebserkrankung aufmerksam zu werden – und das für nur kleines Geld?
Genau das versprach das Startup Theranos: eine Art Wunderbluttest. Kostengünstig und für jedermann zu jeder Zeit anwendbar. Wenige Tropfen Blut, entnommen mit einem USB-Stick-großen Fingerpiekser, dem Nanotainer, sollten reichen, um von Cholesterin bis Krebs alles bestimmen zu können. Die Kosten für die meisten Tests: unter zehn Euro. Ein Traum, gerade für Menschen ohne Krankenversicherung.
Um das Produkt spann das Unternehmen eine ebenso traumhafte Entstehungsgeschichte: Mit gerade einmal 19 Jahren brach Elisabeth Holmes ihr Studium in Stanford ab, um Theranos aufzubauen. Das Silicon Valley feierte die junge Dame als eine Uni-Abbrecherin, die eine ganz neue Technologie entwickle. Der Investmentarm von Oracle-Gründer Larry Ellison steckte Geld in das Startup, selbst die Apotheken-Kette Walgreens investierte. Insgesamt konnte Holmes rund 700 Millionen Dollar einsammeln. 2015 erhielt sie die Zulassung für einen Bluttest von den Behörden. Es gab Preise, Magazin-Cover, Lobeshymnen. Auf dem Höhepunkt des Erfolgs wurde Theranos mit neun Milliarden Dollar bewertet – und Holmes galt als jüngste Self-Made-Milliardärin überhaupt.
Doch der Traum sollte ein Traum bleiben. Das Wall Street Journal fand im Oktober 2015 heraus, dass die Bluttests des Startups keine korrekten Ergebnisse lieferten. Staatsanwaltschaft und Börsenaufsicht begannen Ermittlungen. Inzwischen soll ein Investor Theranos verklagt haben. Im Juli 2016 verlor Holmes ihre Lizenz. Für zwei Jahre ist ihr jegliche weitere Arbeit an Bluttests untersagt. Sie will zwar nun an einem Blutproben-Analysegerät weiterarbeiten. Glaubt man allerdings dem Rumoren in Fachkreisen, ist Theranos tot. Der innovative Bluttest, er bleibt ein schöner Traum.
Wie ein Vampir
Das menschliche Blut ist ein beliebter Ansatzpunkt: Einige Unternehmen recyceln die jahrundertealte Idee, der Lebenssaft
junger Menschen könne den Körper verjüngen. Schon Papst Innozenz VIII
soll 1492 das Blut anderer Leute getrunken haben. Die
Methode findet auch heute noch Anhänger: Der US-Investor Peter Thiel
zeigt beispielsweise Interesse daran. Mittlerweile
ist das Vorgehen auch wissenschaftlich erprobt – zumindest bei Mäusen.
Forscher der University of California fanden 2014 heraus, dass sich alte
Mäuse, die Blut von jüngeren Artgenossen gespritzt bekommen hatten,
besser erinnerten und lernten als andere ihres Alters.
Wie sich diese Methode auf den Menschen auswirkt, will das
Unternehmen Ambrosia herausfinden. Dafür will die US-Firma 600 Probanden
per Infusion Blutplasma verabreichen und einen Monat lang ihre
Entwicklung verfolgen. Die Teilnahme soll angeblich 8.000 Dollar kosten.
Gegenüber t3n wollte Ambrosia dies weder bestätigen noch dementieren.
Ein teures Vergnügen im Kampf gegen das Altern – zumal Gründer Jesse
Karmazin 2015 mit Xvitality einen ähnlichen Ansatz verfolgte, aber
schnell wieder einstellte. Warum? Darauf wollte Karmazin nicht
antworten.
Er ist nicht der einzige, der kritischen Fragen aus dem Weg geht. Auf
die mehrmaligen Anfragen von t3n haben viele Unternehmen gar nicht
reagiert. Andere antworteten, dass sie sich nicht äußern wollten.
Web.de-Gründer Greve ließ sich Fragen schicken, wollte dann aber auch
nichts sagen. Das ewige Leben, es scheint ein unbeliebtes
Gesprächsthema zu sein.
Neben Jugendblut werden auch Jugendhormone als Anti-Aging-Maßnahme
vermarktet. Nicht immer von vertrauenserweckenden Anbietern. Vieleicht
ist es kein Zufall, dass sich die englischen Worte Immortality
(Unsterblichkeit) und Immorality (Unmoral) nur um einen Buchstaben
unterscheiden. Unter dem Titel „Zurück in die Jugend“ preist das
hochtrabend klingende European Life Extension Institute beispielsweise
in Frankfurt Hormontherapien an. „European“ scheint vor allem die
Ausbildung des Leiters, Peter Ivanits. Der ist eigentlich Facharzt für
Orthopädie – nicht Endokrinologie, also Hormonkunde – und hat sein
Studium in Budapest absolviert. Die dortige Medizin-Uni ist dafür
bekannt, gegen gute Bezahlung Studenten aufzunehmen, deren Abiturnote
für ein Studium in Deutschland zu schlecht war.
Eine umfassende Analyse mehrerer Studien, veröffentlicht im
anerkannten Journal Annals of internal Medicine, kam jedenfalls zu dem
Schluss, dass die Hormontherapie bei gesunden älteren Menschen nur
begrenzten Nutzen habe, aber unerwünschte Begleiterscheinungen mit sich
bringe. „Wachstumshormone können als Anti-Aging-Therapie nicht empfohlen
werden“, so die Autoren. Die Suche geht also weiter.
Das Geheimnis der Gene
Wenn es mit Blut nicht geht, dann vielleicht mit Genen? Diese lassen sich zumindest daraufhin untersuchen, ob wir Krankheitsrisiken von unseren Vorfahren geerbt haben. Was das bringen kann, zeigt das Beispiel von Angelina Jolie: Die Schauspielerin fand durch eine solche Analyse heraus, dass sie das Brustkrebsgen BRCA1 in sich trägt. Das erhöht die Gefahr für die Erkrankung. Jolie entschied sich zu einem radikalen Schritt: Sie ließ sich die Brüste 2013 präventiv amputieren. Auch wenn sie dadurch nicht biologisch unsterblich geworden ist, so hat sie das Risiko einer Erkrankung doch drastisch reduzieren können.
Bei einem solchen Testimonial verwundert es wenig, dass sich auch Unternehmen in diesem Bereich nur so tummeln. Die britische Juristin Andelka Philips hat für ihre Doktorarbeit den Markt durchsucht und 246 Unternehmen gefunden. Sie tragen Namen wie DNA-Direkt, EasyDNA, Futura Genetics oder Who’zTheDaddy. Der Verband der Diagnostika-Industrie schätzt den Marktwert von Genanalysen in Deutschland 2016 auf 12,2 Millionen Euro. Jeder vierte Deutsche plant laut Versicherungssdienstleister Europ Assistance, langfristig eine medizinische Genanalyse zu nutzen.
Aber auch Genanalysen sind nicht unumstritten. Das zeigt das Beispiel von 23andme. Das US-Unternehmen verspricht ein einfaches Verfahren, um Erbkrankheiten wie Alzheimer und Parkinson frühzeitig zu erkennen: Test-Kit online bestellen, das Paket mit dem Behälter für eine Speichelprobe erhalten, das Ganze samt Probe wieder zurückschicken und einige Tage später online die Ergebnisse durchforsten. So jedenfalls die Idee.
Doch die Behörden zeigten sich davon gar nicht begeistert: 23andme durfte lange nur Analysen im Hinblick auf ethnische Wurzeln anbieten, quasi für die Ahnenforschung. Zu gefährlich seien Fehldiagnosen. Denn was, wenn sich eine Nutzerin die Brüste amputieren lässt, nur weil ein Test-Kit Vorhersagen trifft, die aber gar nicht stimmen? Mittlerweile wurden die Regelungen zwar gelockert – 23andme darf nun Gesundheitsanalysen anbieten. Nach Deutschland und andere Länder will sich das Unternehmen aber nicht wagen: wegen regulatorischer Unsicherheiten.
Auch wenn die Beispiele wenig Mut machen: Es gibt durchaus Ansätze, die die Hoffnung von Unsterblichkeitsfanatikern am Leben halten. Zwar ist noch nicht ganz klar, wie Altern biologisch funktioniert. Ein Aspekt scheint aber zu sein, dass sich irgendwann die sogenannten Telomere verkürzen. Das sind die Enden unserer Erbgutfäden. Dagegen schützt ein Enzym, das sich wie ein Schutzwall um die Enden legt: Telomerase.
Einige Firmen wollen das Enzym nun als Heilsbringer vermarkten. Elisabeth Blackburn, die für die Entdeckung des Enzyms mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, gründete 2010 mit anderen Wissenschaftlern im Silicon Valley (da ist es mal wieder) die Firma Telomere Diagnostics. Mit ihrem Gentest Teloyears sollen Kunden erfahren, wie lang ihre Telomere (noch) sind.
Besonders einfach macht es Kunden die New Yorker Firma TA-Science: Sie hat ein Nahrungsergänzungsmittel namens TA-65 entwickelt, das die Telomerase anregen soll. Im vergangenen Jahr machte das Unternehmen allein in Deutschland 500.000 Euro Umsatz. Immerhin gibt die deutsche Vertriebspartnerin Angelika von Prondczynsky zu, dass sich der biologische Erfolg noch in Grenzen hält. „Das mit dem Jünger-Werden ist ein Slogan“, sagt die Geschäftsführerin des deutschen Ablegers. Auf der Website klingt das natürlich anders: „Überprüfte und veröffentlichte Studien belegen, dass TA-65 sicher und effektiv kurze Telomere verlängert, das alternde Immunsystem regeneriert und Zellen verjüngen kann.“
Studien zur Wirkung von TA-65 gibt es tatsächlich. Aber sie wurden von Unternehmen oder dessen Unterstützern finanziert. Experten bezweifeln die versprochene Wirkung des Nahrungsergänzungsmittels. Tatsächlich kann theoretisch alles, was die Zellteilung anregt, auch Krebstumore fördern: Nur die guten Zellen zum Teilen zu bringen, hat bisher niemand geschafft. Das Silicon-Valley-Unternehmen Geron hat seine Telomerase-Forschung sogar um 180 Grad gedreht: Statt Telomerase zu aktivieren, versucht es nun, sie zu hemmen – um Tumore vom Wachsen abzuhalten.
Langsamer altern dank Kalorienreduktion
Dass so viele Ansätze ins Leere laufen, liegt auch daran, dass die Forschung noch immer am Anfang steht. Forscher Karl Lenhard Rudolph hat deshalb einen pragmatischen Ansatz für Unsterblichkeitsfans: „Im Moment ist das Beste, was man tun kann, sportlich aktiv zu bleiben und auf sein Idealgewicht zu achten“, sagt der wissenschaftliche Direktor des Leibniz-Instituts für Altersforschung in Jena. Eine Aussage, die sich sogar wissenschaftlich belegen lässt: In Tierversuchen führte eine deutliche Kalorienreduktion von etwa einem Drittel des normalen Bedarfs zu einem längeren Leben. Selbst wenn das beim Menschen nicht zu 100 Prozent genauso ist, wissen wir heute schon, dass ein gesunder und aktiver Lebensstil ein hohes Alter bringen kann.
Nur können Unternehmen mit so einem Ansatz kein Geld verdienen. Deswegen konzentrieren sich einige drauf, die Kalorienreduktion nachzuahmen. Die 2013 gegründete Alphabet-Tochter Calico scheint zwar noch weit von praktischen Anwendungen entfernt. Laut Gerüchten arbeitet das Unternehmen aber an Foxo3, Langlebigkeitsgen genannt. Auch Foxo3 wird durch Kalorienreduktion angeregt. Die Gerüchte rühren daher, dass Calico die Genforscherin Cynthia Kenyon ins Team geholt hat. Kenyon hatte 1993 mit einer Entdeckung für Furore gesorgt: Bei Fadenwürmen genügt die Veränderung eines Gens, um die Lebenszeit zu verdoppeln. Foxo3 ist sozusagen das menschliche Pendant zu diesem Gen. Für die Forschung ist Calico mehrere kostspielige Kooperationen eingegangen, unter anderem mit dem börsennotieren Biopharma-Unternehmen Abbvie. Die Geheimhaltung spricht allerdings dafür, dass auch Alphabet den Heiligen Gral der Unsterblichkeit noch nicht entdeckt hat.
So schön die Idee auch ist, länger zu leben, so gefährlich kann sie auch sein. Denn nicht jede Forschung endet wie im Fall von Elisabeth Holmes „nur“ mit dem Image-Totalschaden. In manchen Fällen kann sie das Gegenteil ihres eigentlichen Ziels erreichen. Das zeigt das Beispiel des 2004 gegründeten Unternehmen Sitris, das mittlerweile in dem Pharmakonzern Glaxo-Smith-Kline aufgegangen ist. Es versuchte sich daran, die Effekte der Kalorienreduktion nachzuahmen. Doch 2010 musste die Frima eine Studie an Krebspatienten wegen „schwerer unerwünschter Ereignisse“, vor allem Nierenversagen, beenden. Einer der 24 Patienten starb „möglicherweise behandlungsbedingt“. Das Leben eines Menschen zu verlängern, ist offenbar doch etwas komplizierter als das eines Tieres.
Das zweite Ich: Avatare und künstliche Intelligenz
Solange biologische Unsterblichkeit Utopie ist, bleibt nur die virtuelle: Als Avatar weiterzuleben, ist bereits heute möglich – jedenfalls fast. Unternehmen wie Eternime und Forever Identity sammeln Social-Media-Daten, Äußerungen und Bilder einer Person, um daraus ein digitales Ich für die Zeit nach dem Ableben zu kreieren. Bei Eternime leben die Nutzer als Avatare weiter, bei Forever Identity können sie ihre Erinnerungen gewissermaßen speichern und mit anderen teilen. Sozusagen Augmented Eternity statt Augmented Reality.
Die zentrale Idee der Ansätze: Mithilfe der neuen Entwicklungen im Bereich Künstliche Intelligenz sollen die von den Nutzern aggregierten Daten verknüpft werden. Aus den vielen Spuren, die wir online hinterlassen, ließe sich ein digitales Ich entwickeln. Bei Eternime können Kunden selbst entscheiden, aus welchen Quellen ihr Avatar generiert werden soll. Zur Auswahl stehen Netzwerke wie Twitter oder Facebook, aber auch E-Mails. Das New Yorker Unternehmen Forever Identity geht noch einen Schritt weiter: Unter dem Titel „Digital Eternity“ erstellt es Hologramme von noch lebenden Menschen. Damit es möglichst realistisch wird, müssen sich Kunden sechs bis zehn Tage mit einem Team aus Technikern, Psychologen und Ghostwritern zusammen setzen. Wie genau die Ergebnisse daraus am Ende zu einem digitalen Klon zusammengesetzt werden, ist noch unklar. Nur so viel: Es solle möglich sein, sich an etwas zu erinnern, ohne das Datum zu kennen, sondern nur das Gefühl, heißt es auf der Website.
Selbst im Digitalen ist die Unsterblichkeit offenbar nicht so einfach. Bei Eternime haben sich nach Angaben der Website bisher 34.000 Nutzer registriert, um die private Beta-Version zu testen. Die soll laut Eternime „hoffentlich in einigen Monaten“ kommen. Die Betonung liegt auf „hoffentlich“. Denn eigentlich sollte die Beta-Version bereits 2015 fertig werden, das Produkt seit diesem Jahr am Markt verfügbar sein. Das hatte Gründer Marius Ursache im März 2014 in einem Interview mit Impulse angekündigt. Die australische Firma Paranormal Games ist bislang offenbar nicht über den Prototyp hinausgekommen, den das Unternehmen 2015 für einen Wettbewerb entwickelt hatte. Andere Digitale-Eternity-Anbieter konnten nicht mal ihr eigenes Leben erhalten, etwa Intellitar und Eternity Vision. Einzig Forever Identity hat zumindest zwei Produkte auf den Markt gebracht – bisher vor allem für prominente oder historische Figuren. Der Erinnerungsspeicher für jedermann steckt hingegen noch in der Beta-Phase.
Noch drastischer ist eine Mind-Uploading-Idee, wie sie das Unternehmen Humai verfolgt: das eigene Ich komplett auf einen Computer übertragen. In 30 Jahren soll das möglich sein, glaubt Humai-Gründer Josh Bocanegra. Seine Kunden sollen ihre Daten schon jetzt, während sie noch leben, zur Verfügung stellen. „Nach ihrem Tod frieren wir dann ihre Gehirne ein. Sobald die Technik weit genug fortgeschritten ist, pflanzen wir das Hirn schließlich in einen künstlichen Körper“, sagt Bocanegra. „Diesen werden unsere Kunden dann mit ihren Hirnströmen kontrollieren können.“ Über die Zeit entstandene Schäden am Gehirn wolle Humai mit Hilfe von Nano- und Klontechnologie reparieren, schreibt Wired.
Aber das Gehirn in der Cloud, das ist heute kaum vorstellbar. Und irgendwie klingt so ein körperloses Dasein auch nicht sehr verlockend. Vielleicht sind bislang doch die Jiaogulan-Wildkräuter für 12,95 Euro am besten. Unkraut vergeht schließlich nicht.