Cultured Code aus Stuttgart über die Entwicklung von „Things“: „Man braucht eine gute Vorstellung vom Kern des Programms“
„Wir machen uns die meisten Dinge schwer“, sagt Werner Jainek von Cultured Code [1] und lacht. Ein beeindruckendes Beispiel hat er sofort parat: 50 verschiedene Entwürfe für einen einzigen Dialog innerhalb des Programms [2]. Es wirke vielleicht etwas seltsam, dass sie so viele Varianten durchprobieren. „Aber wenn man sich das im Nachhinein anschaut, dann war der Entwurf am Anfang weit komplizierter als danach.“ Die Mühe hat sich somit gelohnt.
Cultured Code hat seinen Sitz in Stuttgart. Vier Leute sind hier zunächst beschäftigt. Sie alle vereint die Vision eines Programms mit dem simplen Namen „Things“ [3]. Mit ihm soll man To-do-Listen führen und dabei beinahe spielerisch Projekte abarbeiten. „Man hat Aufgaben zu tun für die Arbeit, für die Universität, für Zuhause. Das Gehirn ist aber schlecht geeignet, diese Dinge zu
speichern. Computer sollten hingegen sehr gut sein dafür“, erklärt Werner Jainek die Grundidee. Entstanden ist sie ursprünglich im Kopf des Kollegen Jürgen Schweizer. Der war an der Universität Tübingen Dozent, Werner Jainek Student. Bald darauf gründete Jürgen Schweizer gemeinsam mit Oliver Marquetant Cultured Code, das erste Produkt war das Webdesigntool „Xyle scope“. Anfang 2007 begann die Entwicklung von Things. Jürgen Schweizer zeigte Werner Jainek erste Prototypen, der war begeistert und schloss sich gemeinsam mit Christian Krämer dem Team an.
Dass sie Things für die Mac-Plattform entwickeln, war dabei recht früh klar. Das sei vor allem eine „persönliche Präferenz“, weil Hardware und Betriebssystem eine große Inspirationsquelle seien und hohe Standards setzten, erklärt Werner Jainek.
Viel Mühe stecken die Things-Macher in die Beschränkung, ins Weglassen. „Wenn man versucht, alles in ein Programm zu packen, kann man es nur halbherzig machen“, so Jainek, der mit Jürgen Schweizer den Code entwickelt. Ein Beispiel sei der beim Mac OS mitgelieferte Kalender „iCal“: Er sei für seine Hauptaufgabe sehr gut geeignet. Mit den ebenfalls darin zu findenden To-do-Listen könne man hingegen als Nutzer nur beschränkt etwas anfangen. Deshalb soll sich Things auf ein Thema konzentrieren: „Wir wollen nur Aufgaben verwalten, das ist unser Hauptpunkt. Da versuchen wir jetzt, die besten Tools zur Verfügung zu stellen.“ Von diesem Kern des Programms brauche man eine gute Vorstellung. „Nur dann kann man beurteilen, ob man sich mit einem neuen Feature zu weit davon entfernt.“
Funktionen des Programms
Drei Dinge will Things leisten: Die Nutzer sollen Aufgaben notieren, organisieren und wiederfinden. Die Benutzeroberfläche ist im Wesentlichen zweigeteilt: Links sind diverse Aufgabensammlungen zu sehen, rechts erscheinen die darin enthaltenen Aufgaben als Liste.
Was bei diesem Programm bald auffällt: Es überlässt dem Anwender weitgehend selbst, wie er es nutzt. Things kann für das Selbstorganisationssystem „Getting Things Done“
(GTD) von David Allen [4] eingesetzt werden, zwingt es dem Nutzer aber
nicht auf. Wer beispielsweise schnell etwas notieren möchte, ruft den entsprechenden Dialog mit einer Tastenkombination auf, schreibt es runter und speichert es. Die Aufgabe landet automatisch im „Posteingang“. Man kann aber ebenso „Projekte“ anlegen oder „Bereiche“. Der Unterschied: Projekte sind irgendwann abgeschlossen („Wohnzimmer streichen“), Bereiche sind dagegen fortlaufend („Reparaturen“). Zudem gibt es Sammlungen, die sich selbst aktualisieren, beispielsweise alles, was „heute“ zu erledigen ist. Hier landen Aufgaben mit einem entsprechenden Datum. Parallel kann man selbst Aufgaben in diesen Bereich hineinziehen.
Manche Features fehlen bewusst, beispielsweise Ordner und Unterordner für die Projekte. „Wenn man sich organisiert, muss man aufpassen, dass man sich nicht überorganisiert“, sagt Werner Jainek. So gab es ganz in den Anfängen des Programms durchaus die Möglichkeit, Ordner anzulegen. Man habe aber festgestellt, dass dadurch die Aufgaben schlechter wiederzufinden sind. Deshalb bleiben allein die Projekte und Bereiche, um Aufgaben wegzusortieren. „Wir haben immer wieder Anfragen von Nutzern deswegen“, sagt Werner Jainek. „Aber wenn sie Things erst einmal eine Weile ausprobiert haben, vermissen sie es nicht mehr und sind sogar froh, dass wir es genau so gemacht haben.“
Ein anderer Bereich, in den ganz sichtbar Zeit und Mühe investiert wird, ist das Design bis hin zum einzelnen Icon. Christian Krämer ist derjenige mit der kreativ-künstlerischen Ader im Team. Er erstellt zunächst handgezeichnete Entwürfe, die werden gemeinsam besprochen, verschiedene Varianten durchprobiert. Als nächstes werden die besten Ideen mit Photoshop umgesetzt. „Wir schauen drauf und fragen uns: Funktioniert das so, wie wir uns das vorgestellt haben? Ist es so übersichtlich, wie wir wollen?“ Im Zweifel geht die Diskussion wieder von vorn los.
Dabei wäre es für die Macher von Cultured Code sicher einfacher, würden sie Things einfach mit allem ausstatten, was die Nutzer wünschen und die erste Idee umsetzen. Und während andere eine halbfertige Version als 1.0 auf den Markt werfen, lassen sie sich Zeit. Viel Zeit. Fast zwei Jahre sind vergangen, seit sich die Vier mit ihrer Vision das erste Mal zusammengesetzt haben. Dank des iPhones von Apple können sie sich das inzwischen sogar leisten – im doppelten Wortsinn.
Und dann kam der AppStore
Als klar wurde, dass künftig jeder fürs iPhone Programme schreiben kann, war Cultured Code sofort klar, dass sie dabei sein wollten. Denn wann fallen einem viele Dinge ein? Eben: Wenn man unterwegs ist. „Gerade für einen Aufgabenmanager ist es der ideale Ort, auf dem Handy zu sein“, sagt Werner Jainek. Eine schwierige Entscheidung hatte das Team aber dennoch zu treffen: Sollte man erst die Desktop-Version fertigstellen? Oder wollte man möglichst schnell auf den iPhone-Zug aufspringen?
Cultured Code entschied sich, vorübergehend viele Kräfte auf die iPhone-Variante zu konzentrieren. Und tatsächlich schafften sie es, gleich zum Start des „AppStore“ dabei zu sein. Bald zeigte sich, dass sie genau die richtige Entscheidung getroffen hatten. „Zehntausende Kunden“ haben sich die Applikation zum Preis von knapp acht Euro gekauft. Damit ist nun die Entwicklung der Desktop-Version zunächst finanziell abgesichert.
„Besonders stolz sind wir, wenn Nutzer uns berichten, dass es Things in das iPhone-Dock am unteren Bildschirmrand schafft“, erklärt Werner Jainek. Gerade einmal vier Plätze für die wichtigsten Programme sind hier vorgesehen.
Jetzt geht die Entwicklung von Desktop- und iPhone-Version parallel weiter. Zum Beginn der MacWorld Expo am 9. Januar soll die Version 1.0 der Mac-Fassung von Things offiziell veröffentlicht werden. Weitere Plattformen wie Windows oder Android wären zwar interessant, stehen derzeit aber nicht auf der To-do-Liste der Things-Macher – höchstens unter „Irgendwann“. „Wir behalten das auf jeden Fall im Auge“, sagt Werner Jainek.
Open Source und offene Standards
Eine Offenlegung des Quelltextes hingegen sieht das Konzept von Things nicht vor. „Wir denken aber daran, die Teile unter eine Open-Source-Lizenz zu stellen, die für andere sinnvoll sind“, erklärt Werner Jainek. An sich sei man dem Thema sehr positiv gegenüber eingestellt. So soll beispielsweise das Speicherformat offengelegt werden. Derzeit gebe es für so umfangreiche To-do-Verwaltung nichts Vergleichbares. Damit wolle man einen regen Datenaustausch mit Things ermöglichen und den Nutzern die Sicherheit geben, dass sie im Fall der Fälle an ihre Daten herankommen. „Schließlich würden wir ein Programm nicht nutzen wollen, in dem unsere Informationen eingesperrt sind. Also entwickeln wir es auch nicht.“