Henkel-Digitalexpertin im Interview: Wie ein Großkonzern versucht kreativ zu sein
Salima Douven leitet bei der Anfang 2020 in Berlin gegründeten Digitaleinheit „Henkel dx“ des Konsumgüterkonzerns Henkel den Bereich Open Innovation und Incubation. Ihre Aufgabe: Konzernmitarbeiter zu „Henkel-Preneuren“ machen, die eigene Ideen verfolgen und zu innovativen Produkten weiterentwickeln.
t3n: Frau Douven, der neue dx Innovation Hub in Berlin konnte wegen Corona nicht wie geplant starten – eigentlich sollten dort Konzernmitarbeiter auf externe Partner aus Startups und Digitalbranche treffen, um mit diesen gemeinsam Ideen zu entwickeln. Fehlt dieser externe Input jetzt im Innovationsprozess?
Der Innovation Hub hat im Oktober 2020 eröffnet, aber natürlich müssen wir auf Workshops vor Ort mit vielen Menschen noch eine Weile verzichten, das stimmt. Bei dem Hub geht es aber auch nicht nur um Ideen von außen – an innovativen Ideen mangelt es uns eigentlich nicht, es gibt viele Mitarbeiter in den einzelnen Unternehmensbereichen, die Ideen für neue Produkte haben, für die sie brennen. Aber ich bin überzeugt, dass noch einmal eine ganz andere kreative Atmosphäre entsteht, wenn man einmal rauskommt aus der gewohnten Umgebung, wenn man mit anderen Menschen in einer anderen, inspirierenden Atmosphäre zusammentrifft, die ganz anders arbeiten und ganz andere Rollen und Perspektiven haben. Das hilft dabei, ein mutigeres und offeneres Mindset zu entwickeln – und das ist unser Ziel.
t3n: Warum braucht es dieses Mindset, um innovative und kreative Ideen zu entwickeln?
Wir sehen, dass in den Fachabteilungen zwar unheimlich viele Ideen entstehen. Dass es den Mitarbeitern aber oft an einer konkreten Vorstellung davon fehlt, wie dann ein Innovationsprozess aussehen könnte, mit dem man diese Idee auch weiterentwickeln kann. Oder die Mitarbeiter zweifeln daran, dass ihre Idee wirklich relevant ist für das Kerngeschäft. Das liegt auch daran, dass die Entscheidungszyklen in einer Konzernstruktur oft relativ langwierig sind: Man muss eine Idee in mehreren Gremien vorstellen, bevor man eine Chance bekommt, dass sie umgesetzt wird. Da kommen wir von dx als neue Inkubationseinheit ins Spiel: Wir wollen den Mitarbeitern ein Netzwerk und Ressourcen zur Verfügung stellen, um ihre eigenen Ideen selbst eigenständiger und schneller weiterzuentwickeln und innerhalb weniger Monate zu realisieren.
Passend dazu: Innovationsforscher im Interview: „Ich muss kein Genie sein, um bahnbrechende Innovationen zu entwickeln.“
t3n: Wie funktioniert das genau?
In einem Workshop mit der Business Unit Laundry & Home Care entstand zum Beispiel die Idee, dass wir einen Sneaker-Reinigungsservice unter unserer Marke Persil anbieten könnten. Dann haben wir bei dx analysiert, ob es einen Markt dafür gibt. Wir haben gemeinsam mit dem Unternehmensbereich erste Prototypen für eine Landing Page gebaut, Umfragen in Social Media bei der Zielgruppe gemacht, Logistik- und Kooperationspartner gesucht. Und nach drei Monaten war der Service dann live. In diesem Prozess hat das Team enorm viel darüber gelernt, wie man eine Idee prüft, wie man von der Ideation-Phase über Research und Marktanalyse, über Prototyping und Testing bis hin zu einem ersten, marktfähigen Angebot kommt. So etwas stößt in den Teams einen echten kulturellen Wandel an, einen anderen Umgang mit Ideen.
t3n: Sie sind also eine Art Innovationsdienstleister und -trainer für Konzernmitarbeiter?
Ich würde sagen: ein Innovationsnetzwerk. 2021 wollen wir das interne Innovationsprogramm noch weiter aufbauen, auch Schulungsmaterialien zum Innovationsprozess anbieten: Was ist die Ideation-Phase? Woran erkennt ihr, ob es einen Markt für eure Idee gibt oder wie ihr ein passendes Geschäftsmodell für eine Produktidee baut? Wie stellt man ein Team zusammen, um eine Idee erfolgreich weiterzuentwickeln? Solche Dinge. Wir wollen den Mitarbeitern alles mitgeben, was es für erfolgreiche Innovation braucht. Aber das ist letztlich nur Handwerkszeug – wichtig, aber nicht entscheidend. Wichtiger ist wie gesagt, das entsprechende Mindset zu entwickeln. Und das entsteht dann, wenn man selbst erlebt, wie motivierend und begeisternd es sein kann, eigene Ideen aktiv selbst voranzutreiben, die richtigen Menschen zusammenzubringen, gemeinsam in einen Flow zu kommen und etwas in Bewegung zu bringen. Oder wenn man eben auch erlebt, dass eine Idee den Realitätscheck nicht besteht – denn auch das gehört dazu. Und, dass dann vielleicht eine ganz neue, andere Idee daraus entsteht.