Indie-Games: Wie die Kreativköpfe der Branche ums Überleben kämpfen

„Fez“ ist ein Indie-Game des kanadischen Entwicklerstudios Polytron. Es erschien erstmals am 13. April 2012 für die Xbox 360 – und in der Folge für viele weitere Plattformen. Das Spiel gilt als kommerziell erfolgreich, allein auf der Xbox wurde es über 200.000 mal verkauft – ein Traum für jeden Indie-Entwickler. (Screenshot: Polytron Corporation / Fez)
„Code 7“ ist Cyberpunk. Als Spieler sitze ich vor einem virtuellen Bildschirm, der an alte Hacker-Filme aus den 1980ern erinnert. Er flackert, ist verpixelt und die Grafik verschwimmt vor meinen Augen. Das System fährt herunter und bootet neu. Auf einem Kamerabild erscheint eine Frau. Sie spricht mich an. Wer bin ich, was ist passiert? Anscheinend habe ich das Gedächtnis verloren. Die Frau ist in einer Raumstation gefangen und braucht meine Hilfe. Da ich offenbar Hacker bin, muss ich im System Codes finden, um ihr Türen zu öffnen. Unser gemeinsames Ziel ist es, einen Virus namens „Code 7“ zu stoppen. Er wurde von einer abtrünnigen künstlichen Intelligenz in die Welt gesetzt, um die Menschheit auszulöschen. Aber schon bald muss ich mich als Spieler fragen, wer ich wirklich bin und ob das, was geschieht, die Realität ist.
„Code 7“ ist ein Independent Spiel des Kölner Goodwolf Studios, das aus Kevin Glaap and Zein Okko besteht. Das Game ist professionell gemacht, die Protagonisten werden von Schauspielern gesprochen. Die Retrografik ist ein Stilmittel, das zugleich kaschiert, dass die Entwickler nicht über das Budget der großen Player der Game-Branche verfügen, sogenannte „AAA-Firmen“ wie Electronic Arts oder Ubisoft.

Die Köpfe hinter Goodwolf Studio: Grafikerin Lea Dickert und die beiden Gründer Zein Okko und Kevin Glaap (v.l.n.r.). Ihr Spiel „Code 7“ hat zahlreiche Nominierungen bei Indie-Game-Festivals erhalten. Trotzdem müssen sie Jobs nebenbei machen. (Foto: Melanie Grande)
Trotzdem können Indie-Games extrem erfolgreich sein. „Minecraft“ etwa, bei dem man aus würfelförmigen Blöcken online mit anderen Spielern oder allein eine 3D-Welt baut, war ein Indie-Titel des Schweden Markus Persson, ehe es Microsoft 2014 kaufte. Mit 180 Millionen Verkäufen ist es das erfolgreichste Einzelspiel aller Zeiten. Es hat die Branche nachhaltig beeinflusst und fast schon eine neue Spielegattung etabliert. Zahlreiche minecraft-ähnliche Titel entstanden in der Folge. Weitere bekannte Indie-Spiele sind „Darkest Dungeon“, „Stardew Valley“, „Cuphead“ oder zuletzt „Untitlted Goose Game“, ein humorvolles Spiel, in dem man als Ente die Mitmenschen nerven darf. Diese Spiele wurden von kleinen, enthusiastischen Entwicklerstudios kreiert und inspirieren viele junge Gamer zur Nachahmung.
Während die Mitarbeiter von großen Firmen meist Teil eines riesigen Produktionsteams sind und wenig kreative Freiheit genießen, gilt der Indie-Entwickler als Künstler und Outsider. Jemand, der – so der Mythos – nichts anderes macht, als seiner Leidenschaft nachzugehen. Er ist kreativ, zieht sein Ding durch und erntet Lob in der Gamer-Community.
Die Schattenseite dieser Existenz wird aber oft verschwiegen. Indie-Entwickler leben in Wahrheit oft am Rande des Existenzminimums. Die wenigsten Studios haben kommerziellen Erfolg. Die Geschichte von Kevin Glaap and Zein Okko ist die vieler unabhängiger Entwickler: eine Geschichte voller Enthusiasmus und Ernüchterungen.
Für Viele Indie-Studios Alltag: Jobben, sparen und lernen
Der Weg zu Goodwolf Studio führt ins Cologne-Game-Haus, einer Ansammlung von kleinen Studios. Es ist quasi ein Coworkingspace für Game-Entwickler, gegründet von Johannes Brauckmann, der das viel gelobte Indie Village auf der Kölner Gamescom verantwortet. Er hat mit dem Ort günstige Mieträume geschaffen, organisiert dort Veranstaltungen und Vernetzungsmöglichkeiten. Das Game-Haus befindet sich schräg gegenüber vom Messegelände in einem unscheinbaren Bürogebäude. Der Begriff „Haus“ ist übertrieben, es sind genau genommen nur zwei Etagen. Die Frau am Empfang unten kennt das Goodwolf Studio nicht einmal. Sie muss in den Unterlagen nachschlagen, um es ausfindig zu machen.