Business: Social Media Monitoring – Individuelle Kundenkommunikation erfolgreich gestalten
Die Internetdurchdringung steigt mit jedem Jahr, das zeigen Studien von der Allensbacher Computer- und Technikanalyse [2] bis zur ARD/ZDF-Onlinestudie [3]. Immer mehr Menschen gewöhnen sich daran, dass sie im Social Web ihre Meinungen und Erfahrungen zu nahezu jedem Thema, jedem Unternehmen oder jedem Produkt äußern können. Was früher ein Alleinstellungsmerkmal der jungen Internetnutzer, der so genannten „Digital Natives“ war, verwandelt sich zur allgemeinen Kulturtechnik.
Unternehmen haben Social Media längst entdeckt
Diese Entwicklungen haben schnell das Interesse der Wirtschaft geweckt. Ganz gleich, ob es um DAX-Unternehmen, Mittelständler oder Kleinunternehmen geht – immer häufiger werden ihre Agenturen damit beauftragt, diese Unternehmen „in Social Media zu bringen“. Dabei kann es sich um ein Diskussionsforum handeln, ein Corporate Blog oder einen Twitteraccount – Hauptsache „drin“. Gerade im Anfangsstadium kommt es auf dem Weg in das Social Web häufig zu Enttäuschungen. Das schöne neue Blog ist eingerichtet und mit einer Handvoll Beiträge gefüllt, der Twitterstream wurde mit einem schicken Background im Corporate Design ausgestattet und ein erster Tweet mit dem Link zur letzten Pressemitteilung versendet. Auch das Forum ist bereits eingerichtet und der „Herzlich Willkommen in unserem neuen Forum“-Post ist live. Doch wie geht es nun weiter?
Erste Schritte
Mit diesen Schritten geht ein Unternehmen deutlich über die klassischen Online-Kontaktmöglichkeiten hinaus – die Guy Kawasaki nicht zu Unrecht als „Kontaktvermeidungsformulare“ beschimpft [4]. Eine fragmentierte und ad hoc eingesetzte Social-Media-Kommunikation überlässt es dem Zufall, ob sich ein Dialog entwickelt oder ob diese neuen Wege von den Kunden vollständig ignoriert werden. Wie aber kommt man als Unternehmen oder Agentur zu einem tragfähigen Konzept für den Kundendialog?
Zahlreiche Prozessmodelle beschreiben, welche Schritte notwendig sind, um effektiv und überzeugend auf der Klaviatur der neuen Medien zu spielen. Ein Beispiel ist die POST-Strategie des US-Beratungsunternehmens Forrester [5] mit ihren vier Schritten:
- Identifizieren der Zielgruppe (People)
- Festlegen von Kommunikationszielen (Objectives)
- Entwickeln einer Strategie (Strategy)
- Einsatz interaktiver Technologien (Technology)
Im Folgenden geht es um ein alternatives Modell, das zum einen eine ganzheitliche Herangehensweise mit zahlreichen Feedbackschleifen beschreibt, zum anderen auf gehaltvolle Einblicke in die Lebenswelt der Social-Media-Nutzer und -Gemeinschaften setzt.
1. Crawling – Communitys identifizieren
Der erste Schritt ist analog zum Zuhören anderer Prozessmodelle das Identifizieren bestehender Communitys und virtueller Begegnungsorte. Bevor man eine eigene Community aufsetzt oder mit (potenziellen) Kunden ins Gespräch kommt, ist es notwendig, sich zuvor im Social Web umzusehen. Wo halten sich diese Leute auf und wo tauschen sie sich über das betreffende Unternehmen und seine Produkte aus? Einige Kanäle oder Communitys sind dabei offensichtlich. Geht es beispielsweise um Automobile, findet man auf motor-talk.de sehr engagierte und fachkundige Diskussionen. Aber neben naheliegenden Orten finden sich auch viele Gespräche in Kontexten, die man nicht erwarten würde. Gespräche über Medikamente findet man zum Beispiel auch auf chefkoch.de, einer Genuss- und Kochcommunity. Weil es darum geht, auch diese abwegigen Quellen aufzuspüren, bezeichnet man den ersten Schritt auch als Crawling oder Screening.
Man verschafft sich einen Gesamteindruck über die Gespräche zu einem Unternehmen, einer Marke oder einem Produkt. Da die Google-Suche die Foren – in Deutschland nach wie vor der wichtigste Social-Media-Kanal – häufig nur bruchstückhaft erfasst, kommen hier im Idealfall Metasuchmaschinen zum Einsatz und bei komplexeren Themen eigens für diesen Zweck programmierte Crawler. Das Ergebnis ist eine umfassende Social-Media-Landkarte, auf der alle Communitys, Kommunikationskanäle, Institutionen und Stakeholder verzeichnet sind, die für ein bestimmtes Thema relevant sind.
2. Monitoring
In einem zweiten Schritt geht es darum, die wichtigsten Kontinente oder Inseln dieser Landkarte näher zu betrachten. Es geht also um das Monitoring im engeren Sinne. Untersucht wird beispielsweise der Fluss von Gesprächen: Wie viel wird über ein bestimmtes Thema gesprochen? Wo wird am häufigsten darüber gesprochen? Werden ein Produkt oder eine Marke tendenziell positiv oder negativ bewertet? Welches sind die Topthemen in den Diskussionen der Nutzer? In erster Linie geht es hier um quantitative Analysen – das Ergebnis sind beispielsweise Themenkarrieren, Topical Maps, Tagclouds und allgemeine Häufigkeitsverteilungen.
3. Tiefenanalyse
Während im zweiten Schritt analysiert wird, „was der Fall ist“, geht es im dritten Schritt um eine Detailanalyse: „Was steckt dahinter?“ Hier interessiert weniger die makroskopische Strukturdarstellung von Konversationsströmen, sondern vielmehr die Rekonstruktion typischer Einzelfälle (Idealtypen). In diesem Stadium kommen qualitativ-verstehende Methoden der Sozialforschung und Psychologie wie zum Beispiel Diskursanalyse, Objektive Hermeneutik oder tiefenpsychologische Interpretationsansätze zur Anwendung. Nachdem man im ersten Schritt festgestellt hat, wo kommuniziert wird und im zweiten Schritt das Bild dahingehend präzisiert hat, worüber kommuniziert wird, taucht man nun in die Welt der Sinnbezüge und Tiefenstrukturen ein.
Was steckt hinter den Kommunikationsströmen der Oberfläche? Warum werden manche Unternehmen und Themen positiv diskutiert und andere negativ? Warum stößt eine Marke bei Nutzern in bestimmten Communitys auf Begeisterung, während sie in anderen Communitys offen abgelehnt wird? Etwas flapsig ausgedrückt, ist es jetzt Zeit, die Communitys „auf die Couch zu legen“, um herauszufinden, welche Nutzer in welchen Kontexten von bestimmten Markenimages, Sympathiegefühlen oder Empfehlungen beeinflusst werden.
4. „Netnography“ – Analyse sozialer Gruppen
Parallel zu dieser psychologisch-soziologischen Tiefenanalyse sollte sich der Blick aber auch auf ein weiteres Element richten: die Analyse sozialer Gruppen. Obwohl der Begriff „Community“ seit Howard Rheingolds Schlüsseltext über virtuelle Gemeinschaften [6] im Zusammenhang mit Social Media fast schon inflationär verwendet wird, stößt man immer wieder auf Beispiele, in denen er absolut gerechtfertigt ist. Die Southern School of Marketing spricht zum Beispiel von „Brand Tribes“, um das Gemeinschaftsgefühl zwischen den Mitgliedern einer Community zu kennzeichnen.
Hier geht es nicht um die abstrakten und synthetischen Zielgruppen der Marktforscher, sondern um konkrete und gelebte Gemeinschaften, die sich um bestimmte Produkte, Marken und vor allem um Lebensstile gruppieren. Das Vorgehen der Forscher ähnelt im vierten Schritt stark der Art, wie klassische Ethnologen seit Bronislaw Malinowski sich fremden Kulturen annähern. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die Beobachtung über digitale Medien vermittelt wird. Aber hier wie dort geht es um das Entschlüsseln fremder Praktiken, Rituale, Sprachen, Normen, Werte, Traditionen, Mythologien und geteilter Verantwortung und Leidenschaften. Deshalb bezeichnet man diese Kulturanalyse von Internetgemeinschaften auch als „Netnography“, ein von Robert Kozinets geprägtes Kunstwort, das die beiden Elemente Internet und Ethnographie verbindet.
Der Social-Media-Footprint
Zusammenfassend werden die vier genannten Elemente Crawling, Monitoring, Tiefenanalyse und Netnographie miteinander verbunden. Auf dieser Grundlage lässt sich der „Social-Media-Footprint“ einer Marke oder eines Unternehmens bestimmen: diskutierte Themen, wichtige Diskussionsforen, Stakeholder, Herausforderungen, Deutungsmuster, Gemeinschaften et cetera.
Dieses Gesamtbild ist der Ausgangspunkt für die Ausarbeitung einer Kommunikations- oder Marketingstrategie in Social Media, die genau auf die Situation des betreffenden Unternehmens oder der Marke zugeschnitten ist. Erst zu diesem Zeitpunkt ist es sinnvoll, Social-Media-Guidelines zu entwickeln, Kampagnen auf Social Networks zu planen, Blogs einzurichten, Twitter-Accounts zu registrieren oder ein Supportforum für Produktanfragen zu installieren.
Fazit
Das in den vier Schritten gewonnene Wissen ermöglicht, zielgerichtet die Kanäle und Themen zu bespielen, für die sich die Nutzer tatsächlich interessieren. Dazu passt erneut eine Cluetrain-Regel sehr gut: „Schon heute hört keiner mehr die Stimmen der Firmen, die reden, als hätten sie es mit Idioten zu tun.“ Darüber hinaus ist es durch Crawling, Monitoring und Analyse möglich, den Erfolg der Maßnahmen in Echtzeit zu messen.
Common misconceptions about the term „wholesale“. Wholesale Diamonds to the Public – Can You Say That? Understand why this phrase is misleading …