Instagram- versus Snapchat-Stories: Same Same But Different
Dass Instagram ein Copycat ist, versucht Kevin Systrom nicht einmal zu verheimlichen. Als das soziale Netzwerk im August ein neues Feature namens „Stories“ veröffentlichte, gab der Geschäftsführer der ursprünglich auf ästhetische Fotos fokussierten Plattform freimütig zu: „Snapchat gebührt alle Ehre.“
Denn die „Stories“ sind keine Erfindung von Instagram, sondern vom Rivalen Snapchat. Genau wie die Video-App ermöglicht die Fotoplattform nun Storytelling
mit Hilfe von Filtern, Texten und Emojis. Das schafft Aufmerksamkeit –
solange der Inhalt für die Nutzer relevant und interessant ist.
Durch das neue Feature lassen sich beispielsweise Fotos und Videos
mittels Texten, Filtern, Emojis und Zeichenstift bearbeiten. Nach 24
Stunden verschwindet die Aufnahme wieder. Mit haargenau denselben Features ist Snapchat groß geworden. Die
Social-Media-Plattform, deren Markenzeichen ein gelber Geist ist, hat
mit dem ungewöhnlichen Storytelling vor einigen Monaten gar einen
regelrechten Hype ausgelöst.
Nun muss das Original mit der Kopie konkurrieren. „Es geht nicht darum, wer es erfunden hat“, lautet die Ansage von Instagram-Geschäftsführer Systrom im Gespräch mit Techcrunch. „Es geht um ein Format, wie
du es in ein Netzwerk integrierst und wie du ihm deinen eigenen Dreh
gibst.“ Das bringt nicht nur Snapchat in Bedrängnis. Auch für Unternehmen birgt dies ein Dilemma: Wenn sich die Plattformen so stark ähneln, für welche lohnt es sich dann, Inhalte zu erstellen?
Einen Anhaltspunkt dafür liefert die eigene Zielgruppe. Während
Snapchat insbesondere von den Zwölf- bis 24-Jährigen genutzt wird, sind die
aktivsten Instagram-Nutzer mit 25 bis 34 Jahren etwas älter. Solange
eine Marke hier jedoch nicht explizit differenziert, kann es sich
lohnen, beide Kanäle parallel zu bespielen. Grund ist die hohe
Popularität beider Dienste: Snapchat hat weltweit 150 Millionen aktive
Nutzer, Instagram insgesamt 300 Millionen. Mit einer Konzentration auf
eine der beiden Plattformen verschenken Firmen unter Umständen wertvolle
Reichweite.
Wer nun überlegt, seine Marke per Story zu kommunizieren, sollte zum
Einstieg am besten kurze, überschaubare Pilotprojekte wie etwa die
kommunikative Begleitung eines Events wählen. Während dieser
Initialphase ist es empfehlenswert, sich zunächst auf einen Kanal zu
konzentrieren. Sofern das Unternehmen bereits mit einem „klassischen“
Profil auf Instagram aktiv ist, fällt der Einstig hier etwas leichter.
Das Unternehmen muss keinen neuen Account anlegen und kann direkt die
erste eigene Story erstellen. Ein weiteres Plus: In der Regel folgen
diesem Account bereits eine gewisse Anzahl interessierter Fans. Dadurch entfällt die Gefahr, dass eine Story unbeachtet verpufft.
Sixt ist bereits seit Anfang 2015 auf Snapchat aktiv, hat aber auch schon kurz nach dem Launch mit dem neuen Instagram-Feature experimentiert. Das Unternehmen hat sich also für eine Doppel-Strategie entschieden. Auch Mercedes Benz setzt auf beide Kanäle und gehört damit zu den ersten deutschen Unternehmen, das auch mit Stories auf Instagram vertreten ist. Die Marke mit dem Stern setzte in einer ihrer ersten Kampagnen auf ein Influencer-Takeover: Ein externer Account übernahm den Kanal. Dazu schickte Mercedes die „German Roamers“, die mehr als 138.000 Instagram-Abonnenten zählen, auf einen Roadtrip in die Dolomiten und ließ sie die Reise live über die Story-Funktion dokumentieren. Einer Meldung des Kommunikations-Branchenblatts Werben und Verkaufen zufolge verzeichnete Mercedes mit dem neuen Format schon am ersten Kampagnentag mehr als fünf Millionen zusätzliche Impressionen. Das zeigt: Wenn Unternehmen nicht nur ein „klassisches“ Profil bei Instagram pflegen, sondern auch interessante Stories erstellen, kann das die Reichweite signifikant steigern.
Dafür brauchen Unternehmen Mut und Experimentierfreude. Nur so können sie herausfinden, welche Art des Storytellings auf dem jeweiligen Kanal funktioniert und die Zielgruppe begeistern. Das beweisen Consumer-Kanäle wie die von Nike und McDonald’s schon jetzt. Im B2B-Bereich gehören Unternehmen wie Cisco, Hub Spot und IBM Stories zu Beispielen für Snapchat- beziehungsweise Instagram-Kommunikation.
Damit Unternehmen Stories im Marketing-Mix auch sinnvoll einsetzen, müssen sie die zentralen Charakteristika und Funktionsweisen der Tools kennen – und ihre Unterschiede.
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Wie eine Story aussieht
Eine Story setzt sich sowohl bei Snapchat als auch bei Instagram aus mehreren Einzelaufnahmen zusammen. Das können Bilder und bis zu zehn Sekunden lange Videos sein. Sie lassen sich bearbeiten und können nach Veröffentlichung chronologisch aneinandergereiht werden. Bei beiden Diensten sind sie nur mobil verfügbar, können innerhalb von 24 Stunden beliebig oft angeschaut werden und verschwinden dann automatisch.
Auch wenn sich die beiden Anbieter in dieser grundlegenden Funktionsweise gleichen: Die feinen Unterschiede erschließen sich auf den zweiten Blick.
Story anlegen
Um eine Story auf Instagram anzulegen, klickt der Nutzer im Hauptbildschirm auf das Plus-Icon „Deine Story“ in der oberen linken Ecke. Anschließend erscheint ein neuer Screen. Dieser zeigt einen runden Aufnahmebutton: Durch einfaches Antippen wird ein Foto aufgenommen, durch längeres Drücken ein Video. Anschließend kann die Aufnahme bearbeitet werden. Per Klick auf das Häkchen wird die Aufnahme zur eigenen Story hinzugefügt.
Beim Starten der Snapchat-App landet der User dagegen direkt im Aufnahme-Screen. Auch hier kann er durch kurzes oder längeres Drücken des Aufnahmeknopfs ein Bild beziehungsweise Video aufnehmen und bearbeiten. Anders als bei Instagram lässt sich ein „Snap“ allerdings nicht nur zur eigenen Story hinzufügen oder speichern, sondern auch gezielt an einzelne Kontakte senden. Bei Instagram ist das etwas aufwendiger: Sofern eine im Stories-Screen bearbeitete Aufnahme an eine Einzelperson geschickt werden soll, muss sie zunächst gespeichert und anschließend über „Instagram Direct“ wieder ausgewählt und versendet werden. Zwar dürften direkte Nachrichten an den Nutzer nicht im Hauptfokus von Unternehmen stehen. Für einzelne Aktionen – wie beispielsweise das nett aufbereitete Versenden von Gutscheinen an besonders kontaktfreudige Nutzer, die viel mit der eigenen Marke interagieren – können sie aber durchaus interessant werden.
Bearbeitung: Malen oder Masken?
Wer bei Instagram sein Gesicht mit Masken verfremden will, wird enttäuscht – „Lenses“ wie Hundeschnauze und Hasenohren gibt es weiterhin exklusiv bei Snapchat. Das Gleiche gilt für Geofilter, die User an speziellen Orten über ihre Snaps legen können. Für Unternehmen, die nur in einer Region vertreten oder stark mit ihrem Standort verbunden sind, können diese interessant sein: Der lokale Essenslieferdienst, der Einblicke in seine Wege geben will, erreicht seine Nutzer hier ebenso wie der Großkonzern, der auf eine Veranstaltung hinweisen will.
Dafür punktet Instagram beim Malen: Hier stehen mit Stift, halbtransparentem Marker und Neon-Markierung gleich drei Werkzeuge zur Verfügung. Zudem ist die Breite der jeweiligen Spitze variabel. Wer bevorzugt mit Emojis arbeitet, hat wiederum bei Snapchat größeren Gestaltungsspielraum, denn Instagram erlaubt deren Auswahl und Platzierung ausschließlich über das Textfeld. Auch Sticker suchen die Nutzer bislang vergebens; damit können sich nur Snapchatter austoben. Ein weiterer wichtiger Unterschied: Während Instagram die Anzeigedauer eines Fotos fix vorgibt, kann sie von Snapchat-Usern im Bereich von einer bis zehn Sekunden flexibel variiert werden.
Beide Tools haben im Bearbeitungsmodus Stärken und Schwächen. Unternehmen müssen für sich zwei Fragen klären: Mit welcher Bildsprache können sie sich selbst am besten identifizieren? Und wie schätzen sie ihre Zielgruppe ein? Denn wie sich die Tools auf die User Experience auswirken, hängt von der jeweiligen Nutzerpräferenz ab.
Follower: Oben bei Instagram
Grundsätzlich gilt bei beiden Plattformen: Stories können von Personen angeschaut werden, die einem Account folgen. Während Nutzer bei Snapchat zunächst beispielsweise den exakten Accountnamen kennen oder einen Snap-Code scannen müssen, sind Accounts bei Instagram leichter zu finden und zu abonnieren.
Beide Kanäle zeigen Stories dann aufmerksamkeitsstark an. Bei Instagram erscheinen sie oberhalb des Newsfeeds der Abonnenten und gehören damit zu den ersten Features, die ein User beim Öffnen der App wahrnimmt. Sie werden horizontal aneinandergereiht und durch das runde Profilbild und den Namen des Verfassers symbolisiert. Da Unternehmen in der Regel ihr Logo als Profilbild hinterlegen, dürften sie sich über dessen prominente Darstellung freuen. Sobald ein Account neue Stories veröffentlicht, rückt er zudem an die erste Stelle.
Bei Snapchat musste der Nutzer bislang zum Aufrufen der Stories vom Hauptscreen aus nach links wischen. Mit einem der jüngsten Updates wurde der Startscreen so modifiziert, dass er nun in der unteren linken Ecke zudem direkt auf ein Icon namens „Storys“ klicken kann und dann automatisch weitergeleitet wird. Das macht auch hier das Aufrufen von Stories weit intuitiver und nutzerfreundlicher. Der eingeblendete Screen zeigt die Stories von Kontakten in einer vertikalen Auflistung und kennzeichnet sie durch den Namen des Verfassers und einen Ausschnitt des letzten Motivs der jeweiligen Story. Das Unternehmenslogo ist hier zwar nicht zu sehen, dafür wird aber der Name des Kanals etwas größer dargestellt.
Interaktion: Der Kunde snappt zurück
Instagram-User rufen eine Story direkt über die Leiste oberhalb ihres Newsfeeds auf. Während die einzelnen Fotos und Videos nacheinander ablaufen, können sie durch kurzes Antippen ein Motiv nach vorne springen. Durch langes Drücken des Bildschirms wird die Story pausiert, durch Wischen nach links oder rechts die vorherige oder nachfolgende Story aufgerufen. Auch eine direkte Interaktion zwischen Betrachter und Verfasser ist möglich, indem der Rezipient auf das in der unteren linken Ecke eingeblendete „Nachricht senden“ klickt.
Im Gegensatz zum Konkurrenten verzichtet Snapchat mittlerweile wieder auf das automatische Abspielen weiterer Stories. Der Dienst bietet Usern dafür nun die Option, eine Playlist zu erstellen. Das bedeutet, dass die Geschichten der ausgewählten Kontakte nacheinander ablaufen. Auch hier kann der Nutzer beim Betrachten auf einzelne Snaps reagieren, indem er auf das in der unteren Bildhälfte zentriert eingeblendete Icon „Chat“ klickt. Unternehmen können also auf beiden Apps mit ihren Kunden und Followern interagieren. Konsumentenmarken können davon profitieren, weil dies Nähe und Erreichbarkeit suggeriert.
Fazit: Welche Stories eignen sich besser?
Eine eindeutige Antwort auf die Frage, welche App Unternehmen nutzen sollten, kann es nicht geben. Denn beide Apps bieten eine Vielzahl an Möglichkeiten, Bilder und Videos kreativ zu bearbeiten. Durch die chronologische Aneinanderreihung von Fotos und Videos können Unternehmen recht einfach einen Spannungsbogen kreieren und ihrer Zielgruppe interessanten Inhalt bieten. In dieser zentralen Grundfunktion sind sich die Plattformen so ähnlich, dass sich kein eindeutiger Gewinner ermitteln lässt. Welche besser geeignet ist, hängt von den Bedürfnissen einer Marke ab.
Was für Instagram spricht: Die App hat sich bereits etabliert. Viele Unternehmen pflegen dort bereits ihre Accounts. Das legt die Hürde, für die Plattform auch kurze Stories zu entwickeln, deutlich niedriger. Snapchat hingegen punktet mit seiner Authentizität. Während auf Instagram vieles durchinszeniert ist, funktioniert Snapchat über den Spaßfaktor.
Ob Instagram Snapchat als Storytelling-Tool den Rang ablaufen kann, wird sich zeigen. Snapchat hat jedenfalls weiterhin Großes vor, wie CEO Evan Spiegel verdeutlicht: Im September präsentierte er die „Snap Spectacles“, eine Sonnenbrille mit Kamerafunktion, die die Aufnahmen direkt an die App sendet. Das ermöglicht freihändige Aufnahmen, die dem menschlichen Blickwinkel entsprechen. Ein Ass, das Instagram erst einmal kontern muss.