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Internationalisierung im E-Commerce: Neue Absatzmärkte und neue Herausforderungen

Andere Länder, andere Sitten – das gilt auch im E-Commerce. Wenn das Geschäft im deutschsprachigen Raum erfolgreich läuft, lohnt es sich, über die ­Erschließung neuer Absatzmärkte nachzudenken. Doch der Sprung über die Grenzen ist nicht nur technisch anspruchsvoll.

Von Tobias Weidemann
7 Min.
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(Grafik: TarikVision / Shutterstock)

Während E-Commerce in Deutschland und Mitteleuropa derzeit niedrigere Wachstumsraten als in den letzten Jahren erreicht, bieten sich laut dem aktuellen European E-Commerce Report gerade in Südeuropa mit 18 Prozent und in Osteuropa mit immerhin 15 Prozent noch willkommene Expansionsmöglichkeiten. Noch besser sieht es in den Schwellenländern aus – hier erweitern länderübergreifende Marktplätze von Amazon über Ebay bis hin zu Alibaba das Angebot für die Kunden und ermöglichen grenz­überschreitenden Onlinehandel mit geringem Mehraufwand. Für Händler, die mit ihrem Produkt hierzulande erfolgreich sind, eröffnet das gute Chancen, das Geschäft zu skalieren und auch weitere Absatzmärkte zu finden, die zum eigenen Produkt passen. Denn gerade bei E-Commerce-Ideen gibt es noch eine Vielzahl an Nischen, die in anderen Ländern nicht so umkämpft sind wie auf dem deutschen Markt.

Regionale Marktbedingungen

Wichtig ist zunächst die Auswahl entsprechender Länder, die für eine Expansion in Frage kommen. „Wie groß und wie gut ent­wickelt der jeweilige Markt ist, sollte eine der ersten Fragen sein, die sich ein Shop-Betreiber stellt“, erklärt etwa Johannes Kotte, Geschäftsführer der Shopping-Plattform Ladenzeile.de, die ­Onlinehändlern inzwischen Zugang zu 13 europäischen Märkten bietet. „Auch die Fragen, wie hoch der E-Commerce-Anteil am gesamten Handel ist und welche jährlichen Wachstumsraten zu erzielen sind, sollten im Vordergrund stehen. In diesem Zusammenhang können auch kleine Märkte sehr interessant sein, wenn man mit einem bestimmten Produkt oder Geschäftsmodell der Erste ist“, weiß Kotte. Andererseits gebe es gerade in kleinen Ländern oftmals schon starke lokale Wettbewerber mit einer gefestigten Stellung und einer sehr loyalen Kundschaft.

Von Schweden über Spanien bis nach Ungarn: Ladenzeile ermöglicht Onlinehändlern als Plattform den Einstieg in insgesamt 13 Märkte europaweit. (Screenshot: ShopAlike)

Von Schweden über Spanien bis nach Ungarn: Ladenzeile ermöglicht Onlinehändlern als Plattform den Einstieg in insgesamt 13 Märkte europaweit. (Screenshot: ShopAlike)

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Bei der Recherche geeigneter Rahmendaten brauchen Onlinehändler mehr als die Informationen der Außenhandelskammern. „Man sollte die Daten in jedem Fall mit Marktforschungsdaten und einer Konkurrenz­analyse unterfüttern, um eine valide Einschätzung eines möglichen neuen Marktes zu erstellen,“ erklärt Mareike Busche, Geschäftsführerin der globalen Onlineberatung Kyto. „Wichtige Eckdaten hierfür sind Wünsche, Bedürfnisse, Preissensitivität und Kaufverhalten der potenziellen Kunden sowie deren Anforderungen an Produkteigenschaften wie das ­Design.“ Empfehlenswert ist es, die wichtigsten KPI zu ­selektieren und in einem Monitoring-Dashboard zu messen. So lassen sich Risiken rechtzeitig erkennen. Aus Sicht von Johannes Kotte sind das Angebot im Vergleich zu den Mitbewerbern und die Anzahl der Kunden besonders wichtige KPI für den Händler – ebenso die Klick- und Konversionsraten, Umsatzzahlen und nicht zuletzt die Größe des durchschnittlichen Warenkorbs. „Diese KPI zeigen Händlern, wo sie gerade stehen.“ Bei der Einschätzung der eigenen Erfolge solle man sich auf eine Kombination aus Bauchgefühl und datengetriebenem Monitoring der Vertriebs- und Geschäftszahlen verlassen. Weniger sei hier manchmal mehr, weil man so auf einen Blick wisse, wo das Unternehmen stehe.

Hilfreich kann, vor allem bei exotischeren Märkten, auch ein Consumer-Insights-Dienst sein, der das aktuelle Verbraucherverhalten analysiert und Hersteller und Händler so bei vertriebs- und marketingrelevanten Entscheidungen unterstützen kann. Ein Social-­Listening-Tool wie Linkfluence crawlt beispielsweise für den Milchproduktehersteller Danone Daten in 24 Ländern. Gesammelt und analysiert wird dabei die Wahrnehmung bestimmter Marken und Produkte. Der KI-gestützte Algorithmus analysiert laut Angaben des Unternehmens täglich 200 Millionen öffentlich zugängliche Gespräche und Bilder, um ein aussagekräftiges Bild über die Wahrnehmung von bestimmten Produkten zu erhalten. Während Danone das Monitoring zur Analyse bereits erschlossener Märkte nutzt, lässt sich diese Strategie auch vor dem Markteintritt, beispielsweise zur Ermittlung des Verbraucherbedarfs nach bestimmten Produkten und Services anhand einschlägiger Keywords, einsetzen.

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Mentalität verstehen

Neben diesen Rahmenbedingungen spielt auch das Verständnis für die Mentalität im Zielmarkt eine entscheidende Rolle. Um kulturelle oder sprachliche Barrieren zu überwinden, sind ­Experten aus dem jeweiligen Zielmarkt gefragt, die optimalerweise die Kultur nicht nur gut kennen, sondern auch dort aufgewachsen sind. Dabei gilt: Je exotischer der Markt, desto mehr Risiko gehen Händler ein. Ob man als Unternehmen einen Stützpunkt im jeweiligen Land unterhält oder das Geschäft zentral aus ­Deutschland betreibt, ist Ansichtssache und hängt auch von der Entfernung und Zeitverschiebung zum jeweiligen Zielmarkt ab. Das zur Axel-Springer-Gruppe gehörende Unternehmen Visual Meta etwa betreibt alle Portale von Ladenzeile.de zentral von Berlin aus, wobei die Lieferlogistik Sache des jeweiligen Händlers ist. Der Schweizer Versandhandel Digitec Galaxus hingegen hat eine Zentrale in Hamburg und ein Lager in Krefeld.

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Ein vernünftiger Kompromiss für Unternehmen, die bereits in anderen Ländern präsent sind, kann sein, den Markteintritt über ein zentrales und geeignetes Land in der jeweiligen Region zu realisieren. So betreibt Aldi beispielsweise sein Chinageschäft vom etablierten Markt Australien aus und auch das osteuropäische Geschäft wird von vielen E-Commerce-Händlern von einem zentralen Markt aus geführt, beispielsweise aus Polen oder Ungarn. Schon Themen wie Logistik oder Retourenmanagement lassen sich auf diese Weise besser im Blick behalten – und das kann bereits in osteuropäischen Märkten (und noch mehr in Asien oder Südamerika) eine echte Herausforderung sein, wo es oftmals schon eine Schwierigkeit ist, zeitnah an jede beliebige Adresse außerhalb der Ballungsräume zu liefern.

Parallel zum eigenen lokalisierten Onlineshop bietet es sich schon im Hinblick auf das Schaffen von Bekanntheit im Zielmarkt an, beim jeweiligen Amazon Marketplace gelistet zu sein. Denn gerade ­Amazon ermöglicht mit geringem Aufwand ­internationalen Vertrieb und Warenlagerung vor Ort. Das mag zunächst teurer erscheinen, ist für die unmittelbare Markt­erschließung aber meist die effizientere, da leichter zu skalierende, Methode, weil es hilft, teure Fehlentscheidungen zu vermeiden. Gerade in einem B2B-Umfeld kann es aber auch sinnvoll sein, sich einen Vertrieb vor Ort zu suchen, der keine direkten Konkurrenzprodukte anbietet, sondern eher komplementäre, zum eigenen Produkt passende Angebote hat. So entstehen Synergien und die Bekanntheit im neuen Markt wächst.

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Lokalisierung und Webdesign

Ein entscheidender Faktor gerade im E-Commerce ist natürlich der Onlineshop selbst. Denn anders als andere Unternehmen, die oft nur ein paar Seiten lokalisieren und übersetzen müssen, ist der Shop das Herzstück mit oftmals tausenden Artikeln, deren Beschreibung in der jeweiligen Landessprache erfolgen muss. Selbst in Ländern mit weniger verbreiteten Sprachen ist ein Shop in der Landessprache ein Muss und wird von mehr als drei Viertel der Kunden erwartet, wie eine ­Studie der E-Commerce-­Foundation ergab. Hierfür einen Übersetzungsdienst zu beschäftigen, geht nicht nur ins Geld, sondern ist auch ein zeit­aufwändiges Unterfangen.

Mehr als nur eine Notlösung sind daher maschinelle Text­generatoren – allerdings im besten Fall solche, die nicht auf einer direkten Übersetzungsbasis arbeiten, sondern datenbankgestützt Content erstellen. Übersetzt wird hier also nicht im ­klassischen Sinne. Die Texte werden auf Grundlage eines sprachlich-­grammatikalischen Regelwerks generiert. Wenn die Texte erst einmal in einer Sprache aus der Datenbank erstellt vorliegen und das Grundgerüst aus Datenbankfeldern und grammatikalischen Wendungen von Beschreibungen klar ist, stellt die Übersetzung in weitere Sprachen keine große (zeitliche) Hürde mehr dar.

Ein Textgenerator wie AX Semantics erstellt variierende Texte in beliebiger Anordnung mit Informationen aus ­Datenbanken. Das Tool beherrscht die Grammatik von über hundert Sprachen. (Screenshot: AX Semantics)

Ein Textgenerator wie AX Semantics erstellt variierende Texte in beliebiger Anordnung mit Informationen aus ­Datenbanken. Das Tool beherrscht die Grammatik von über hundert Sprachen. (Screenshot: AX Semantics)

Christian Meyer, Geschäftsführer bei Unaice, einem Dienstleister für automatisierte Textgenerierung, setzt auf die Technologie des Stuttgarter Textroboter-­Startups AX Semantics. Für den Möbelhändler Home 24 hat das Unternehmen den Eintritt in drei neue Ländermärkte mit vorbereitet: „Innerhalb von sieben ­Wochen konnten wir viele tausend Artikelbeschreibungen durch die Maschine erstellen lassen.“

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Sieht man sich solche Texte genauer an, wird es im Blindvergleich schwierig, zu unterscheiden, welche Texte die Maschine und welche der Mensch erstellt hat. Hinzu kommt, dass Texte aus dem Software-Roboter, gerade wenn es sich um eine große Zahl ähnlicher Artikel handelt, fast nie in gleichbleibender ­Qualität vorliegen. Damit die Texte nicht alle gleichförmig sind, kann das System durch den Einsatz von Regeln und Synonymen die Formulierungen und Konstruktionen variieren – und zusätzlich auf der Basis von A/B-Tests prüfen, welche Variante die beste ­Conversion bringt. Auch SEO-Erkenntnisse oder andere ­Vorlieben, die man in einem Text umgesetzt hat, lassen sich so auf alle anderen ­Artikelbeschreibungen anwenden.

Abgesehen von den reinen Textinhalten unterscheiden sich Shops in ihrer Gestaltung und Ästhetik gewaltig, insbesondere wenn es sich um außereuropäische Märkte handelt. Während in vielen asiatischen Märkten etwa Bilder dominieren und gerade Modethemen eher auf niedlich getrimmt werden, ist in den westlichen Märkten die Angabe vieler technischer Daten gefragt.

Auch bei der Kundenansprache gibt es Unterschiede: Während deutsche Kunden oft eher abwehrend auf zu direkte und personalisierte Kundenansprache reagieren, ist es in Italien oder Frankreich eher üblich, Kunden via Newsletter direkt und mit ungewöhnlichen Kampagnen zu informieren. In asiatischen ­Märkten spielt dagegen das Empfehlungsmarketing noch eine deutlich größere Rolle als bei uns: „Wer chinesische Kunden für sich gewinnen möchte, sollte die Chinesen in Deutschland als Zielgruppe nicht vergessen“, weiß Gina Hardebeck, die für das ­Chinageschäft verantwortliche Geschäftsführerin bei der PR-Agentur Storymaker. „Sie stehen im engen Austausch mit ihren Familien, sind Multiplikatoren und helfen, ein Thema oder ein Produkt von Deutschland nach China zu transportieren.“ Zudem sei Story-­Telling gerade im chinesischen Markt enorm wichtig. „Chinesen kaufen Produkte eher, wenn sie die Geschichte dahinter, die Herkunft und die Produktion des Produkts kennen.“ ­Hardebeck hat daher die Geschichte des Traditionshauses Sacher und die Entstehungsgeschichte der Sachertorte für den chinesischen Markt umgesetzt. „Wechat ist in China der ideale Kommunikations- und Marketingkanal, um solche Geschichten zu erzählen.“

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Darüber hinaus werden Unternehmen sehr schnell sehen, dass gerade Osteuropa, Südamerika und nicht zuletzt der Nahe Osten und Asien bei Suchmaschinen-Marketing und Online­werbung deutlich andere Prioritäten setzen. Mareike Busche von Kyto erklärt außerdem: „Einige der für den B2C-Bereich sehr wichtigen digitalen Kanäle wie Social Media oder ­Adwords ­funktionieren im B2B-Bereich je nach Produkt und Branche gar nicht oder nur sehr begrenzt. Gleichzeitig ist es hier oft ­unumgänglich, auch die klassischen, schwer messbaren Kanäle wie Messen oder Print-Anzeigen zu nutzen.“

Doch trotz aller Unterschiede gibt es gerade in wirtschaft­licher und rechtlicher Hinsicht auch viele Gemeinsamkeiten. Gerade der EU-Binnenmarkt hat hier einiges vereinfacht – rechtlich und im Hinblick auf die Lokalisierung von Shops. Bei allen Expansionschancen für Online­händler vor allem auch im EU-­Binnenmarkt hilft es aber, sich zunächst zu beschränken. Das meint auch Ladenzeile-Geschäftsführer ­Johannes Kotte: „Ich würde dazu raten, sich lieber auf einige wenige Märkte zu fokussieren, als viele Länder halbherzig anzugehen.“

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