Im Interview – William Quiviger, Koordinator der Mozilla-Community in Europa: „Offener Umgang, stetiger Dialog und Anerkennung sind die Schlüssel“
t3n Magazin: Wie würden Sie die Beziehung zwischen Mozilla und der Mozilla-Community beschreiben?
William Quiviger: Es ist natürlich schwer, beides voneinander zu trennen, denn eigentlich handelt es sich um ein und die selbe Sache. Mozilla „ist“ die Community. Die Beziehung zwischen den Angestellten von Mozilla und den unterschiedlichen freiwilligen Mozilla-Mitarbeitern ist exzellent, und wir versuchen, diese kontinuierlich zu pflegen und zu verbessern so gut wir können. Viele unserer Angestellten arbeiten im Homeoffice, daher sind wir es gewohnt, Kontakt über IRC, Foren, Instant Messenger und Mail zu pflegen. Wenn möglich, organisieren wir auch persönliche Treffen. Die Verantwortung für Projektmodule und daraus resultierende Entscheidungsprozesse sind im Übrigen nicht an eine Festanstellung gebunden. Bei der Zusammenarbeit mit einer derartig großen Community ist die oberste Priorität, dass sich jedes Mitglied sicher sein kann, dass es Gehör findet und zu jeder Person des Mozilla-Teams Zugang hat, um Fragen zu stellen, Vorschläge zu machen, Erfahrungen auszutauschen oder einfach nur um miteinander zu reden.
t3n Magazin: Und wie sieht es andersherum aus?
William Quiviger: Es gibt hunderte von Communitys, die über den gesamten Globus verteilt sind und sich in ihrer Größe erheblich voneinander unterscheiden. Außerdem unterscheiden sich diese Communitys auch in ihrer Organisation, darin wie sie operieren und in ihrer Zusammenarbeit mit den Mozilla-Mitarbeitern. Einige ziehen es vor, sehr eng mit Mozilla zusammenzuarbeiten, während andere einen hohen Grad an Unabhängigkeit bevorzugen. Was all diese Communitys verbindet, ist ihre Begeisterung für das Mozilla-Projekt.
t3n Magazin: Was ist der Schlüssel für das Zusammenhalten der Community und für deren Unterstützung?
William Quiviger: Ein offener Umgang, stetiger Dialog und Anerkennung sind meiner Meinung nach die drei Schlüssel, um die Community am Leben zu halten und sie zu unterstützen. Communitys dürfen sich niemals gezwungen und eingeengt fühlen. Sie werden bei der Arbeit an genau dem Projekt unterstützt, bei dem sie sich am wohlsten fühlen – so lange sie den Maximen Mozillas treu bleiben. Sie müssen Communitys zuhören, damit sie diese vernünftig unterstützen können, sollte dies nötig sein. Schließlich ist es überaus wichtig, dass Sie der Community das Gefühl vermitteln, dass ihre Arbeit anerkannt wird und Sie ihr dankbar sind. Schließlich handelt es sich um ehrenamtliche Arbeit, die ausschließlich von der Leidenschaft der Community für das Projekt vorangetrieben wird.
t3n Magazin: Was sind die größten Schwierigkeiten und Hindernisse?
William Quiviger: Eine Schwierigkeit, die auf der Hand liegt, ist es, jeden Beteiligten kennen zu lernen, mit ihm oder ihr zu sprechen und zu treffen. Das liegt einfach daran, dass die einzelnen Communitys so schnell wachsen und überall auf der Welt verteilt sind. Ich reise fast wöchentlich in unterschiedliche europäische Metropolen, um Community-Mitglieder zu treffen. Es gibt aber einfach viel zu viele interessante Community-Events, als dass ich sie alle besuchen könnte. Sich überschneidende Projekte können ebenfalls zu Problemen führen. So haben beispielsweise viele Communitys Support in ihrer Region angeboten – lange vor SUMO, der Mozilla-Support-Plattform. Aus diesem Grund ist es völlig verständlich, dass einige mit der Unterstützung von SUMO zurückhaltend sind, da die Support-Plattform sich einfach mit ihrer eigenen Arbeit überschneidet. Natürlich sehen diese Communitys deshalb auch nicht ein, ihre Besucher auf SUMO zu verweisen und so Traffic von ihrem Portal umzuleiten. Über dieses spezifische Problem sprechen wir mit ihnen. Support ist sehr wichtig und SUMO ist ein mächtiges Werkzeug, das Communitys dabei helfen kann, ihren eigenen Support zu verbessern. Gleichzeitig bringen unterschiedliche Communitys ihre Erfahrungen und ihr Know-How ein, um SUMO kontinuierlich zu verbessern. Die Lösung liegt also in einer besseren Vermittlung des Faktes, dass die Beziehung zwischen SUMO und lokalem Community-Support sich eigentlich gegenseitig befruchtet und allen Beteiligten Vorteile bringt. Wir machen Fortschritte, was diesen Punkt betrifft.
t3n Magazin: Welche Tools sind Ihnen und Ihren Kollegen eine Hilfe bei der Verwaltung der Community?
William Quiviger: Es ist mir wichtig zu betonen, dass Mozilla seine Community nicht verwaltet. Die Mitarbeiter von Mozilla sind dafür da, den Communitys zu helfen, Beratung zu bieten und zu unterstützen. Den Communitys wird nicht gesagt, was sie zu tun haben. Vielmehr arbeiten sie auf eine organische Art und Weise. Die Tools, die wir für die Zusammenarbeit nutzen sind IRC, Foren, Instant Messaging, Mailinglisten und Community-Treffen, auf denen man sich persönlich miteinander auseinandersetzt. Natürlich trägt unsere Blogging- und Wiki-Kultur dazu bei, dass Informationen sehr zugänglich sind und dass das Interesse aufrechterhalten bleibt. Dank dieser Tools ist auch jeder stets auf dem neuesten Stand. Darüber hinaus rufen wir neue Portale ins Leben und verbessern bestehende. Dies geschieht besonders um jene zu unterstützen, die uns dabei helfen, Mozilla bekannter zu machen. Vor einigen Monaten haben wir einen Community-Marketing-Guide gestartet, der Informationen zur Verfügung stellt, um Firefox, Mozilla und anderen Open-Source-Projekten zu mehr Öffentlichkeit zu verhelfen. Erneuert ist seit Kurzem auch unsere Spreadfirefox.com-Site. Sie bietet den Communitys eine noch bessere Möglichkeit, ihre Aktivitäten rund um Firefox bekannt zu machen.
t3n Magazin: Sie haben zuvor für FON gearbeitet, die ja auch den Fokus auf ihre Community legen. Was sind die Unterschiede und Ähnlichkeiten im Vergleich zu Mozilla?
William Quiviger: Lassen Sie mich direkt vorwegschicken, dass FON bis vor Kurzem den Open-Source-Gedanken nicht zu hundert Prozent verfolgt hat. Dadurch hatte man natürlich größere Probleme, eine Entwicklergemeinde rund um die hauseigenen Produkte zu ermutigen. Mozilla ist seit eh und je zu 100 Prozent ein Open-Source-Projekt. Natürlich gibt es auch eine Reihe von Ähnlichkeiten zwischen meiner derzeitigen Erfahrung bei Mozilla und meiner Zeit mit FON. Während ich bei FON war, arbeitete ich mit einer Menge „Foneros“, Mitgliedern der FON-Community, die dabei helfen wollten, FON bekannter zu machen und mehr Menschen für die Community zu gewinnen. Ich bin viel gereist, um Community-Mitglieder zu treffen und besonders aufkeimende Communitys soweit als möglich zu unterstützen. Darüber hinaus arbeitete ich mit ehrenamtlichen Entwicklern zusammen, die ich ermutigte, die FON-WiFi-Router zu hacken und die Software auseinanderzunehmen, um sie zu verbessern. Der größte Unterschied ist wohl, dass ich jetzt mit einem größeren Mix aus unterschiedlichen Projekten – und folglich unterschiedlichen Communitys – beschäftigt bin. Mozilla ist schließlich mehr als „nur“ Firefox. Ich arbeite mit unterschiedlichsten teilweise sehr organisierten Communitys, aber auch mit jüngeren und kleinere Gemeinschaften. Außerdem beschäftige ich mich bei Mozilla mit Communitys in wesentlich mehr Regionen, denn Mozilla ist in Europa einfach überall. Es ist sehr aufregend, andere Kulturen und deren Herangehen an Open Source kennen zu lernen.
t3n Magazin: Was sind Ihrer Meinung nach allgemeine Regeln und Tipps, um eine aktive und agile Community ins Leben zu rufen und aufrecht zu erhalten?
William Quiviger: Seien Sie offen. Hören Sie stets zu. Geizen Sie nicht mit Dankbarkeit. Und vor allem: Nehmen Sie die Unterstützung durch die Community nicht als Gegeben hin. Unser größtes Projekt ist Firefox mit einem Marktanteil von über 30 Prozent in Europa. Etwa 250 Millionen Menschen weltweit nutzen Firefox. Wir haben diese eindrucksvollen Ergebnisse lediglich dank der Community erreichen können, die 40 Prozent des Programmcodes jedes Firefox-Release seit Version 1.0 beigesteuert hat. Außerdem hat die Community mit innovativer Mundpropaganda und lokalen Marketingkampagnen Firefox zu diesem Erfolg verholfen.
t3n Magazin: Sie wurden in Frankreich geboren, verbrachten viele Jahre in den Vereinigten Staaten und sind jetzt wieder in Frankreich. Dank Ihres Jobs reisen Sie viel in der ganzen Welt herum. Was haben Sie durch Ihre Treffen auf der ganzen Welt gelernt?
William Quiviger: Ich bin erst 30, lerne also noch. Wenn es eine Sache gibt, die ich durch meine Reisen gelernt habe, dann dass Zuhören und Teilen der Schlüssel zu einer ergiebigen und gesunden Existenz sind.
t3n Magazin: Sie waren bei Non Governmental Organisations beschäftigt, haben für den kostenlosen WiFi-Provider FON gearbeitet und sind jetzt bei dem Open-Source-Projekt Mozilla beschäftigt. Was ist Ihr Ansporn, sich für derartige Projekten zu engagieren?
William Quiviger: An all diesen Projekten liebe ich, dass sie mir die Möglichkeit gegeben haben, mit Menschen zu interagieren, die das Leben von anderen verbessern wollen und die von Leidenschaft und nicht Profit angetrieben werden und deren Leidenschaft ich mit diesen Menschen teilen konnte.