Von klassisch bis headless: Content-Management-Systeme im Überblick

(Grafik: Shutterstock / 0beron)
Nach aktuellen Schätzungen der Marktforscher von W3techs kommt WordPress bei rund 31 Prozent aller Websites zum Einsatz, die derzeit im Netz öffentlich zugänglich sind. Betrachtet man jedoch nur die Websites, die auf einem CMS basieren, dann steigt der Marktanteil von WordPress sogar auf 59,6 Prozent. Platz zwei belegt Joomla mit gerade mal 5,6 Prozent, dicht gefolgt von Drupal mit 3,6 Prozent. Den Rest des Marktes teilen sich weit über 500 Content-Management-Systeme, die verschiedene Zielgruppen ansprechen und die unterschiedlichsten Lösungsansätze verfolgen. Unternehmen, die auf der Suche nach einem passenden CMS für ihre Website sind, haben also die Qual der Wahl.
Die Angebotspalette ist breit gefächert. Für kleine Websites mit Basisfunktionen werden Web-Baukastensysteme immer beliebter. So kommt Squarespace, einer der führenden Anbieter in diesem Bereich, mit 1,4 Prozent Marktanteil auf Rang vier der populärsten CMS weltweit. Web-Entwickler, die einfache Projekte in Eigenregie realisieren möchten, für die WordPress, Joomla und Co. aber überdimensioniert sind, greifen auf schlanke CMS zurück, die in unterschiedlichen Varianten erhältlich sind. Dateibasierte Lösungen zum Beispiel verzichten auf die Datenbankschicht, während andere ohne die Design-Schicht auskommen – Stichwort: Headless CMS. Gleichzeitig steigen im High-End-Segment die Anforderungen an ein CMS immer weiter an. Digital-Experience-Plattformen setzen sich bei großen Unternehmen, die komplexe Publishing-Prozesse über unterschiedliche Kanäle hinweg abbilden müssen, immer weiter durch.
Das Baukasten-Prinzip
Homepage-Baukästen haben in der Web-Entwicklung schon immer einen schlechten Ruf gehabt. Web-Designer und -Entwickler beklagen sich häufig über den unsauberen Code, den diese Programme automatisch generieren – und das auch zu Recht. Doch wer Squarespace, Jimdo, Wix oder Weebly nutzt, dem ist es eigentlich egal, wie der Code der Website aussieht. Hauptsache die Homepage sieht gut aus und sie kann ohne großen Aufwand aktualisiert werden. Darin sind die führenden Web-Builder mittlerweile richtig gut geworden. Denn mit ihnen lassen sich heute professionelle Web-Auftritte realisieren, die alle Standardanforderungen an eine zeitgemäße Firmen-Website erfüllen. Features wie Responsive Design, Content-Editoren oder die leichte Integration von Webshop-Systemen machen aus einem guten Web-Baukastensystem eine attraktive WordPress-Alternative für kleine Händler, Arztpraxen oder Blogger.
Egal für welchen Web-Builder man sich letztlich entscheidet, in Sachen Funktionalität und User-Experience gibt es unter den führenden Anbietern keine allzu großen Unterschiede. Um den Einstieg zu erleichtern, stehen Anwendern bei all diesen Diensten professionell gestaltete Design-Vorlagen zur Auswahl. Auf Basis des ausgewählten Templates können sie ihre Website dann mithilfe des integrierten Content-Managers erstellen – natürlich ohne eine einzige Zeile Code schreiben zu müssen. Bildergalerien, Social-Media-Plugins, SEO-Tools und andere Must-haves sind bei allen modernen Web-Buildern enthalten. Die Preise bewegen sich zwischen rund fünf Euro und 50 Euro im Monat.

Das CMS Koken richtet sich vor allem an Fotografen und andere Kreative, die ohne großen Aufwand ein Portfolio erstellen wollen. (Screenshot: Koken)
Schlanke WordPress-Alternativen
Entwickler, die einfache Web-Projekte realisieren möchten, für die WordPress im Prinzip zu viel wäre, können auf schlanke CMS zurückgreifen, die für eine bestimmte Nischengruppe konzipiert sind. Sie verzichten bewusst auf überflüssige Features und wirken deshalb nicht so überladen. Textpattern, Anchor und Fork zum Beispiel adressieren in erster Linie Entwickler, die einfache Websites und Blogs realisieren möchten, aber sich mehr Flexibilität wünschen, als die Web-Builder bieten. Mit Koken präsentiert sich ein CMS, das ebenfalls minimalistisch ist, aber speziell für Fotographen und Künstler konzipiert ist. Mit dieser WordPress-Alternative für Kreative lassen sich optisch ansprechende Portfolio-Seiten mit wenig Aufwand erstellen. Die Bildergalerie rückt dabei in den Vordergrund und wartet mit einer modernen Benutzeroberfläche auf.
Flat File CMS
Mit Getsimple CMS bietet sich eine weitere einfache CMS-Lösung, die für kleine Web-Auftritte gedacht ist. Die Besonderheit: Das Produkt kommt ganz ohne eine Datenbank aus. Stattdessen werden für die Speicherung der Web-Inhalte einfache XML-Dateien eingesetzt. Damit fällt eine große Hürde bei der Installation des CMS, die vielen unerfahrenen Anwendern oft Probleme bereitet. Aber auch die Wartung der Website ist einfacher, da man keine Datenbanksysteme pflegen muss.
Wer sich für dateibasierte CMS interessiert, sollte auch einen Blick auf Kirby werfen. Die in Deutschland entwickelte Software macht einen schlichten Eindruck und verzichtet nicht nur auf eine Datenbank, sondern auch auf ein übliches Backend-System. Mit dem Kirby-Panel erhalten Anwender zwar eine grafische Administrationsoberfläche, in der sie die Seiten, Posts, Themes und weiteres verwalten können. Doch im Prinzip lässt sich die komplette Seitenstruktur samt Inhalt einfach mit einem FTP-Client und einem üblichen Text-Editor realisieren. Weitere dateibasierte CMS sind unter anderem Grav, Bludit und CMsimple.
Ghost
Mit Ghost steht ein minimalistisches und quelloffenes CMS zur Verfügung, das in erster Linie für Blogger, Magazine und Journalisten konzipiert wurde. Das System, das anders als die meisten CMS nicht auf PHP, sondern auf Node.js basiert, wartet mit einem intuitiven und funktionsreichen Text-Editor auf, der sich auf das Wesentliche fokussiert: Schreiben. Dabei setzt Ghost auf die einfache Markdown-Auszeichnungssprache. Auf Wunsch kann man aber auch HTML verwenden. Der Editor zeigt den angegebenen Text auf der linken Seite des Bildschirms in der originalen Markdown-Syntax an. Auf der rechten Seite findet man den formatierten Beitrag, so wie er nach der Veröffentlichung erscheinen wird. Hinzu kommen weiterführende Collaboration- und Publishing-Features, wie zum Beispiel Tags, verschiedene Benutzerrollen, Scheduling-Optionen, um Content automatisiert zu veröffentlichen. Weiter gibt es eine flexible Content-API, um Inhalte in verschiedene Seiten und Apps zu integrieren. Das System kann man kostenlos in Eigenregie betreiben. Wer es sich aber einfach machen möchte, greift auf die Cloud-Version zurück. Kostenpunkt: ab rund 32 Euro im Monat.

Bei Craft CMS können Änderungen an Seiteninhalten vor der Veröffentlichung in Echtzeit angesehen und mit anderen geteilt werden. (Screenshot: Craft CMS)
Craft CMS
Bei Craft CMS handelt es sich um eine kommerzielle CMS-Lösung, die unter anderem von Netflix und Salesforce eingesetzt wird. In Sachen Funktionalität kann die Software mit einigen Features punkten, allen voran die gelungene Live-Vorschau. Damit können Nutzer Änderungen an den Seiteninhalten in Echtzeit nachverfolgen, ohne die Seite immer wieder neu laden zu müssen. Ein weiterer Pluspunkt: Das System bietet ein anspruchsvolles Dashboard, das dank Responsive-Fähigkeit auf jedem Gerät, egal ob Desktop-PC, Smartphone oder Tablet, nutzbar ist. Ein Nachteil ist allerdings, dass das Craft CMS nicht Open Source ist. Der Lizenzpreis beträgt knapp 180 Euro pro Seite.
Headless CMS
Neben den traditionellen CMS, die monolithisch aufgebaut sind, gibt es auf dem CMS-Markt inzwischen Alternativen, die einen ganz anderen Lösungsansatz verfolgen: Bei Headless CMS werden Frontend und Backend vollkommen voneinander entkoppelt. Stattdessen erfolgt der Zugriff auf die Inhalte über eine zentrale API, die den Content in der Regel im JSON-Format zurückgibt. Aus diesem Grund spricht man bei dieser neuen Kategorie auch von API-first-CMS oder Decoupled-CMS. Dieser Ansatz macht das System nicht unbedingt einfacher als ein traditionelles CMS. Hier steht vor allem Flexibilität im Vordergrund. Denn die strikte Trennung zwischen Content und Design ermöglicht es Unternehmen, Inhalte zentral zu verwalten, für unterschiedliche Kanäle aufzubereiten und in verschiedenen Seiten und Apps auf diversen Plattformen zu präsentieren. Davon können beispielsweise Software-Startups profitieren, die neben der Produkt-Website verschiedene Apps für Desktop und Mobile, ein Help-Center für Kunden und ein Entwicklerportal betreiben. Der Content wird von Marketern und Redakteuren auf einem Web-Dashboard mithilfe eines modernen Text-Editors verwaltet. Entwickler greifen dann auf diese Inhalte über die API zu und präsentieren sie, je nach Kontext, in dem passenden Format.
Prismic
Anders als die klassischen CMS-Lösungen sind die führenden Headless CMS weder Open Source noch kostenlos. Die Allermeisten werden als Software-as-a-Service in der Cloud angeboten, wobei einige Provider auch On-Premise-Versionen für Enterprise-Kunden in petto haben. Einer der beliebtesten Dienste in dieser Kategorie ist Prismic. 2013 in Paris gegründet, konnte das Startup nach eigenen Angaben inzwischen über 3.000 Kunden gewinnen, darunter Ford, Google und Ebay. Der Cloud-Dienst bietet einfache Werkzeuge, mit denen Unternehmen beliebig komplexe Content-Modelle erstellen können. Dabei lassen sich individuelle Content-Typen definieren, etwa für Blog-Posts, E-Mail-Newsletter, Produkte und mehr. Auf dem Online-Dashboard, der Anbieter nennt es Writing Room, verwaltet die Marketingabteilung ihre Inhalte mithilfe intuitiver Content- und Publishing-Tools. Um die Arbeit der Entwickler zu vereinfachen, stellt Prismic SDK (Software-Development-Kit) für zahlreiche Programmiersprachen wie PHP, Java und Node.js bereit. Mit monatlichen Abos, die sich zwischen rund sechs Euro und 450 Euro bewegen, wendet sich Prismic sowohl an Startups und KMU als auch an größere Unternehmen mit gehobenen Ansprüchen.
Contentful
Ein weiteres populäres Headless CMS ist Contentful. Was die Funktionalität angeht, gibt es zwischen Prismic und Contentful keine allzu großen Unterschiede. So bietet auch Contentful Lokalisierung, Content-Versionierung, verschiedene SDK und CDN-Support (Content-Delivery-Network) für schnelles Content-Delivery. Die Preise fangen bei Contentful allerdings erst bei etwa 35 Euro pro Monat an. Unternehmen, die mit der Software komplexe Projekte realisieren möchten, zahlen für das Large-Space-Paket knapp 800 Euro im Monat. Darin enthalten sind zehn Lokalisierungen, 48 Content-Typen und bis zu 50.000 Einträge.
Weitere weniger bekannte, aber dennoch nennenswerte, Alternativen im zukunftsträchtigen Headless-CMS-Segment sind Butter CMS, das sich vor allem auf Blogs spezialisiert, und Graph CMS, das hierzulande entwickelt wird und auf Graphql basiert. Das ist eine neue Abfrage-Syntax für API, die viele als Nachfolger von Rest betrachten.

Anbieter von Digital-Experience-Plattformen wie Censhare sprechen vor allem große Unternehmen an, die Content, Commerce und Community in einem System verbinden wollen. (Screenshot: Censhare)
Intelligente Personalisierung
Größere Unternehmen haben schon immer andere Anforderungen an ein CMS-System gestellt als Startups und KMU. Aus diesem Grund greifen sie in der Regel auf spezielle Enterprise-CMS-Lösungen zurück, mit denen sich komplexe Prozesse abbilden und umfangreiche Websites erstellen lassen. Themen wie Sicherheit, Compliance oder Content-Governance spielen dabei zwar eine zentrale Rolle. Doch im Vordergrund steht im High-End-Segment insbesondere die Integrationsfähigkeit des Content-Management-Systems. Größere Unternehmen müssen es mit ihren weiteren Business-Lösungen nahtlos integrieren können, um beispielsweise Produktinformationen oder Daten aus den Sales- und Marketingabteilungen in die Website einzubinden. Aus diesem Grund basieren führende CMS-Lösungen für Großunternehmen wie etwa Alfresco, Hippo CMS, Coremedia, Kentico und Magnolia nicht auf PHP, sondern auf Programmiersprachen wie Java und .Net, die in der Enterprise-Software-Welt weiterverbreitet sind.
Digital-Experience-Plattformen
Vor diesem Hintergrund sind Digital-Experience-Plattformen, kurz DXP, stark im Kommen. Dabei handelt es sich um umfangreiche ganzheitliche Systeme, die Content, Commerce und Community unter einen Hut bringen. Durch nahtlose Integrationsmöglichkeiten mit Systemen aus den Bereichen Kundenmanagement, Helpdesk, Analytics und mehr lassen sich die unterschiedlichsten Daten zusammenbringen, um dann personalisierte Kundenerlebnisse an allen Touchpoints zu schaffen. Mithilfe verschiedener Personalisierungs- und Automatisierungswerkzeuge versetzen also DXP-Lösungen Unternehmen in die Lage, ihre Inhalte zielgruppengerecht und performance-orientiert auszuspielen – was mit einem klassischen CM-System schwierig, zu aufwendig oder im schlimmsten Fall gar nicht möglich ist. Zu den führenden Anbietern im High-End-Segment zählen neben den üblichen Enterprise-Software-Riesen Oracle, IBM und SAP international ausgerichtete CMS-Spezialisten wie Censhare, Mura, Sitecore und Liferay sowie Adobe, das mit seiner umfassenden Experience-Cloud den Ton angibt.

Mit einem Klick auf das Bild erhaltet ihr eine Marktübersicht über Content-Management-Systeme.
Fazit
WordPress ist zwar die unangefochtene Nummer eins unter den CMS und wird von kleinen Startups und etablierten Unternehmen quer durch alle Industrien und Branchen eingesetzt. Doch das heißt noch lange nicht, dass es für jedes Projekt unbedingt die beste Lösung ist. Wer sich traut, aus seiner Komfortzone herauszukommen und Neues auszuprobieren, findet auf dem heutigen CMS-Markt etliche Alternativen, die sich in Sachen Funktionalität, Performance und User-Experience vor dem Platzhirsch nicht verstecken müssen – im Gegenteil. Die erstaunlich große Angebotsvielfalt, die auf dem aktuellen CMS-Markt zu beobachten ist, und vor allem der beachtliche Erfolg, den so viele CMS-Anbieter mit ihren innovativen Produkten erzielen, machen eines klar: Es muss nicht immer WordPress sein.
Ein CMS, welches den Graben zwischen Baukasten und WordPress schliesst, heisst doitclever.ch. Da erhält man auch gleich Hilfe durch verschiedene Webagenturen.