Kreative Bewerbungen und Jobsuche mit sozialen Medien: Hier bin ich!
In der Zeit vor dem Internet und den sozialen Medien war die Jobsuche in der Regel eine sehr statische Angelegenheit. Arbeitssuchende durchforsteten die Tages- oder Wochenzeitung, fanden einige mehr oder weniger passende Stellenausschreibungen und bewarben sich per Post. Das Netz hat dafür gesorgt, dass Bewerber sich nicht nur mit den Unternehmen selbst besser auseinander setzen können. Durch die Möglichkeit der Online-Bewerbung ist das Bewerbungsverfahren auch deutlich einfacher geworden. Seit dem Aufstieg der sozialen Medien ergeben sich noch mehr Möglichkeiten für völlig neue und kreative Formen der Bewerbung und der Kontaktaufnahme.
Stellen-Monitoring im Social Web
Die Möglichkeiten der digitalen Kanäle beginnen schon bei der
Jobrecherche selbst. Die Online-Präsenzen der Unternehmen rücken zunehmend in den Fokus. Auch – aber
nicht nur – dort lassen sich Vakanzen finden.
Wer vorab eine Liste der wichtigsten Anforderungen an seinen Traumjob definiert und daraus ein Stellenprofil samt Suchbegriffen ableitet, kann die Jobsuche teilweise automatisieren. Das bieten einige Jobportale bereits an, doch auch kostenlose Tools wie Talkwalker Alerts [1] oder Google Alerts [2] sind hier sinnvoll: Keywords eingeben, idealerweise mit Booleschen Operatoren verknüpfen – zum Beispiel „Jobs in Köln AND Controlling NOT Banken“ – und benachrichtigt werden, sobald irgendwo die Traumstelle ausgeschrieben wird. Aber auch mit Werkzeugen wie Tweetdeck lassen sich die Aktivitäten verschiedener Accounts auf Twitter nach Job-Trends im Auge behalten.
Den eigentlichen Trumpf aber spielen all diese Methoden aus, wenn Bewerber diese mit ihrem Smartphone verknüpfen. Die hauseigene Twitter-App erlaubt etwa, alle Beiträge eines bestimmten Unternehmens zu verfolgen und sich bei Erwähnung bestimmter Schlagworte benachrichtigen zu lassen. Auch RSS-Feeds von Karriereseiten oder von relevanten Blogs stellen wichtige Informationsquellen dar und können mit Apps – beispielsweise Byline und Feedly – permanent und vor allem mobil überwacht werden.
Selbstvermarktung im Netz
Neben aktiver Jobsuche und Monitoring hat sich im Netz inzwischen auch – mit stetig wachsender Bedeutung – die sogenannte passive Jobsuche etabliert: Arbeitssuchende und Bewerber präsentieren sich auf Blogs, Websites und im Social Web, um von möglichen Arbeitgebern gefunden zu werden. Die Basis dafür: Eine klare Positionierung und eine eigene Marke im Netz.
Der Reputationsaufbau geht allerdings über ein Xing- oder LinkedIn-Profil hinaus. Entscheidend ist, zunächst die eigenen Kernthemen und Kompetenzen zu definieren und sich dann dazu passende Schlagworte zu suchen. Das Google Keyword Tool oder die Google Trends helfen beim Abgleich mit den Begriffen, die in der Zielbranche gerne genutzt
werden. Bewerber sollten sich auf ihre Hauptstärken beschränken und Unwichtiges weglassen, um ein trennschärferes Profil zu erzeugen, das gut über Suchmaschinen und soziale Netzwerke auffindbar ist.
Steht das Profil, gilt es die dafür passenden Kanäle zu wählen. Business-Netzwerke wie Xing und Linkedin sind für die Jobsuche in den meisten Branchen unverzichtbar. Hinzu kommen immer öfter aber auch Twitter, Facebook und Blogs. Für die Auswahl wichtig sind zwei Fragen: Wo operieren die Zielunternehmen vorrangig? Wo lässt sich mein Profil am auffälligsten positionieren?
Das eigene Blog: Der Königsweg
Auch wenn es mit einigem Aufwand verbunden ist: Die eigene Bewerbungswebsite oder das eigene Blog sind den meisten Alternativen überlegen. Kandidaten können hier mit individuellem Design, Blogger-Netzwerken, Teilbarkeit von Inhalten in alle Netze und auch dem Kuratieren von Fremdinhalten punkten – ganz zu schweigen von den positiven SEO-Effekten.
Sowohl Christine Dingler, heute Corporate
Communications Manager beim Schweizer Unternehmen DigitalSTROM, als auch Florian Blaschke, heute Redaktionsleiter bei t3n.de, suchten im vergangenen Jahr einen neuen Job über einen entsprechenden Blogpost, angereichert mit kreativ aufbereiteten Daten zum eigenen
Werdegang sowie Video-Material: Beide mit Erfolg. Doch egal, für welche Kanäle sich ein Bewerber am Ende entscheidet: Eine Plattform sollte im Zentrum stehen, auf die alle weiteren Accounts immer wieder verweisen und verlinken.
Auf dem Bewerbungsblog sollten aber nicht nur Kontaktdaten und Blogartikel, sondern auch der Lebenslauf, Nachweise über Zusatzqualifikationen und Hobbys bereitstehen. Diese Daten lassen sich in WordPress durch ein Passwort schützen und so beispielsweise erst auf Nachfrage einem Personaler zugänglich machen.
Zeig, was du kannst!
Wer auf die passive Bewerbung setzt, sollte seine Stärken nicht nur beschreiben, sondern direkt dokumentieren, was er oder sie kann. Mit Diensten wie etwa Resum.up [3] lassen sich Lebenslauf & Co beispielsweise auch ohne grafische Vorkenntnisse in eine ansprechende Infografik verwandeln und diese dann ins Blog einbinden.
Wer kreativ ist, bringt das Profil selbst in eine komplett eigene Form und positioniert sich so nachhaltig als Experte in seinem Bereich: Der 24-Jährige Chris Liu aus New Jersey zum Beispiel erfand „Liugle“ und gestaltete sein Online-Profil komplett im Google-Look: Kurzprofil, Links zu seinen Linkedin- und Twitter-Accounts, sein Portfolio und Lebenslauf – alles in Form einer Suchergebnis-Seite.
Der New Yorker Programmierer Robby Leonardi dagegen entwickelte zum Beweis seiner Fähigkeiten seinen Lebenslauf als Jump-And-Run-Spiel – interaktiv und im Stil eines typischen Arcade-Games. Vom Ebay-Layout über den Lebenslauf als Facebook-Timeline bis hin zum Werdegang in Form einer Google-Map: Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt [4].
Mini-Video-Dienste wie Instagram und Vine lassen sich für Vorstellungsvideos oder Kurzfassungen der eigenen Stärken und Kompetenzen einsetzen. Und auch Pinterest stellt für kreative Bewerber eine echte Chance dar. Mit einigem Aufwand – diese Arbeit lässt sich durch kein Tool automatisieren, hier ist Handarbeit angesagt – können Bewerber ihre Pinterest-Pinnwand zum Online-Profil umbauen, wie dies etwa der Social-Media-Consultant Toby Kronwitter aus Berlin getan hat.
Jobsuche im Netz: Make it viral!
Für die Verbreitung solcher Inhalte sind Netzwerke wie Twitter, Facebook, YouTube und Google+ nicht unwichtig. Erst wenn Blogartikel sich viral herumsprechen, geteilt und von anderen Experten kommentiert werden, wird die reine Präsenz für potenzielle Arbeitgeber zum Indiz: Hier handelt es sich wirklich um ein Talent.
Soziale Medien eröffnen einem also nicht nur Chancen, sie sind zugleich auch eine Art Lackmustest für die digitale Kompetenz des Bewerbers. Daher kommt man auch nicht daran vorbei, sich eine eigene Community aufzubauen, mit Gleichgesinnten und Spezialisten ins Gespräch zu kommen und sich durch interessante Kommentare und Diskussionsbeiträge hervorzutun. Das dafür notwendige Engagement nimmt durchaus Zeit und Energie in Anspruch – das Investment lohnt aber langfristig immer, steigert es doch nachhaltig den Marktwert.
Ihre Vernetzung in Blogger-Kreisen half auch Florian Blaschke und Christine Dingler enorm dabei, die Reichweite ihrer Blog-Artikel zu steigern: Der Tweet von Christine Dingler alias @punktefrau, der auf ihren Bewerbungs-Post hinwies, erhielt innerhalb weniger Stunden Retweets im zweistelligen Bereich. Insgesamt kletterte die Twitter-Reichweite der Bewerbung laut Ow.ly-Hochrechnung in zwei Tagen auf eine Million Impressions [5].
Traut euch: Keine Scheu vor dem Arbeitgeber!
Die persönliche Profilierung im Netz ist Ausgangspunkt für den nächsten und vielleicht noch wichtigeren Schritt: das aktive und gezielte Ansprechen potenzieller Arbeitgeber. Die Chancen, diese im Social Web zu erwischen, stehen dabei ziemlich gut: In der Social-Media-Personalmarketing-Studie 2014 [6] sagten rund 29 Prozent der Fach- und Führungskräfte aus, dass sie sich täglich gut eine Stunde via Social Media informieren; ganze 45 Prozent mindestens 15 Minuten lang am Tag.
Für die Kontaktaufnahme gilt: Keine falsche Scheu! Die formalen Hürden liegen im Social Web äußerst niedrig. In 140 Zeichen erwartet kein Personaler ein vollendet formuliertes Anschreiben, auf manchen Facebookseiten wird sogar gleich geduzt. Dennoch sollten Bewerber über simple Tweets à la „Wie läuft denn bei euch so der Bewerbungsprozess ab?“ hinausdenken.
So kann etwa eine Portion Augenzwinkern zum Erfolg führen, wie im Fall des Users @_f_EA, der über Twitter Kontakt zum Autovermieter Sixt aufnahm:
Die Antwort von Sixt ließ nicht lange auf sich warten:
Wer auch ohne eine humorvolle Ader einen interessanten ersten Eindruck machen will, punktet am besten
zunächst über fachliche Themen: Ein Kommentar zum letzten Post, ein Hinweis auf weiterführende
Informationen zum letzten Tweet. So entspinnen sich zunächst lockere und
vor allem fachliche Dialoge. Der Entscheider hat das Gefühl, einen
ebenso engagierten wie versierten Gesprächspartner gefunden zu haben.
Natürlich wird er oder sie mit der Zeit neugierig und klickt sich durch
die verlinkten Profile. Und was findet er da? Genau: Eine Fachkraft, die
auch noch genau jene Qualitäten mitbringt, die gerade gesucht werden. Der Nebeneffekt für den Jobkandidaten: Wer noch gar keine Bewerbungsabsicht
geäußert hat, kann sich nun vom Unternehmen umwerben
lassen und befindet sich in einer guten Verhandlungsposition.
Aber wann ist eigentlich der richtige Zeitpunkt zur Kontaktaufnahme erreicht? Hier hat sich die sogenannte 3A-Strategie bewährt: analysieren, aktualisieren, antworten.
Erst zuhören, dann loslegen
Entscheidend ist, dass Bewerber in spe zuerst einmal genau zuhören und auch zwischen den Zeilen lesen: Wie stellt sich das Unternehmen dar? Welche Sprache wird gewählt? Auf welche Ansprache reagieren die Mitarbeiter besonders oft und positiv? Aber auch: Um welche Nachwuchskräfte, welche Talente und Qualifikationen bemüht man sich hier vor allem? Darüber können Posts zu Stellenanzeigen ebenso aufklären wie Bilder von bestimmten Abteilungen, Werkstätten oder Einsatzgebieten. Neben den offiziellen Profilen des jeweiligen Zielunternehmens sind übrigens auch die persönlichen Profile der Führungsebene sowie der Mitarbeiter aus dem jeweiligen Fachbereich aufschlussreich.
Mit dieser ersten Auswertung im Gepäck sollten Kandidaten jetzt noch einmal ihre eigenen Profile selbstkritisch überdenken und aktualisieren: Spiegeln sie tatsächlich die gesuchten Fähigkeiten? Verwenden sie dieselben Schlüsselbegriffe, eine ähnliche Sprache? Passt das Profil zum Unternehmen?
Aus der Sympathieforschung ist bekannt, dass wir andere Menschen umso attraktiver finden, je ähnlicher diese uns selbst sind. Und das gilt auch bei der Online-Bewerbung: Je mehr ein Bewerber den Duktus und die Kultur seines Zielunternehmens spiegelt, desto eher stellt sich das subtile Gefühl ein: „Der oder die passt perfekt zu uns.“ Und es ist viel eleganter, wenn der Personaler diese Schlussfolgerung selbst zieht, als wenn man sie ihm wortreich und mit einem raffinierten Anschreiben beibringen muss.
Erst jetzt, wenn sichergestellt ist, dass der potenzielle Chef beim Nachschauen auch findet, was er sucht, kann die Kontaktaufnahme via Social Media ihre volle Wirkung entfalten.